Die 9. Jeden-Monat-Demo in der Allgemeinen Zeitung

Nachdem am Mittwoch, den 20. Januar 2010, die neunte Jeden-Monat-Demo durch die Mainzer Innenstadt gezogen war, erschien am Donnerstag ein Artikel in der “Allgemeinen Zeitung”: Protest gegen “Sozialabbau”. (Man fragt sich sofort, was wohl die Anführungszeichen zu bedeuten haben…) Geschrieben hat ihn Mara Braun, die mich kontaktiert hatte, weil die Redaktion offenbar an ein paar bodenständigen Informationen von Betroffenenseite interessiert war, um damit die gleichzeitig stattfindende Pressekonferenz des Job-Centers zu fünf Jahren Hartz IV in Mainz emotional zu illustrieren. So begleitete sie auf meine Einladung (um nicht zu sagen: Verpflichtung, denn acht Jeden-Monat-Demos hat die “Allgemeine Zeitung” bereits ignoriert!) hin den Zug der wackeren Demonstranten über die Große Bleiche und die Lotharpassage zum Gutenbergplatz und konnte gleich einige (mehr oder minder) Betroffene interviewen, u.a. mich.

Darin findet sich ein erstaunlicher Satz: “Ob er sich auch um Jobs bewirbt? ‘Nein’, bekennt er [“Manfred Bartl (39)”] freimütig und schiebt nach, das habe ‘ohnehin keinen Sinn’.” Dieser unscheinbare Satz ist deswegen so erstaunlich, weil nicht nur das angebliche “Zitat” des Interviewten nie so gesagt wurde (was skandalös genug ist, auch wenn ich von der “Allgemeinen Zeitung” kaum anderes gewohnt bin…), sondern weil die Journalistin nicht einmal ihre eigene Frage korrekt wiederzugeben imstande war!

Online habe ich daher eine – mittlerweile veröffentlichte – Gegendarstellung über die Kommentarfunktion abgegeben:

Nicht richtig ist, dass ich Frau Braun eine Antwort mit dem – auch nur sinngemäßen – Wortlaut: “Nein, das hat ohnehin keinen Sinn” gegeben hätte. Tatsächlich ist es nicht einmal richtig, dass Frau Braun mir diese Frage, “ob ich mich auch um Jobs bewürbe”, gestellt hätte!

Diese Unterstellung ist ehrabschneidend, denn selbstverständlich bewerbe ich mich, wo immer es angezeigt ist und sinnvoll erscheint!

Richtig ist vielmehr, dass Frau Braun mich nach der Zahl meiner Bewerbungen fragte und dass ich mit einer in der Relation geringen Zahl antwortete, die als Beweis dafür herangezogen wurde, dass Bewerbungen – praktisch! – “keinen Sinn machen”, da trotz all meiner vielfältigen Qualifikationen stets Absagen erfolgten – sofern überhaupt eine Antwort eintraf.
Die Wortkette “es macht keinen Sinn” ist also keineswegs Ausdruck einer – womöglich resignativen oder gar verweigernden – Erwartungshaltung, sondern vielmehr Resultat meiner Erfahrungen!

Manfred Bartl

Dass ich das nicht gesagt habe, ergibt sich wohl ganz zwanglos aus der Tatsache, dass ich es auch dann niemals – und schon gar nicht gegenüber der Presse – äußern würde, wenn es womöglich wahr wäre! Schließlich ist mir klar, dass die Mainzer Verantwortlichen für Hartz IV – Martin Kehrein und Kurt Merkator, Thomas Dippold und Jens Beutel – die “Allgemeine Zeitung” am Tag nach ihrer Pressekonferenz besonders aufmerksam studieren werden. Ein Hartz-IV-Empfänger, den sie als “Kunde” zu bezeichnen belieben, der gegenüber der Presse “freimütig” bekennen würde, dass er sich nicht bewürbe, wäre ein gefundenes Fressen für diese Herrschaften! Wahrscheinlich steht ihnen bei der Lektüre der gedruckten Zeitung beim Gedanken an die bald fällig werdenden Sanktionen sprichwörtlich der Schaum vorm Mund. Darauf aber, dass ich jemals so dumm werden würde, könnt ihr warten, bis ihr schwarz/noch schwärzer werdet!

Ein besonderes Feature des Artikels ist – vier Tage vor dem einjährigen Jubiläum meiner Aktion “Schwarzfahren für Gerechtigkeit” – die endlich erfolgte Erwähnung der Aktion in der “Allgemeinen Zeitung”: “…sagt Bartl, der sich 2005 als Bundestagsdirektkandidat versuchte und der ohne Ticket Bus fährt, um ein Zeichen gegen ‘überteuerte Sozialtickets’ zu setzen.” (und wieder fragt man sich, was die Anführungszeichen zu bedeuten haben…) – Es war wahrhaftig an der Zeit, dass die Öffentlichkeit erfährt, wer dieser kritische “AZ-Leser” aus dem Artikel “Sozialticket für ÖPNV zu teuer?” ist! 😉

Ein weiterer Kritikpunkt am journalistischen Ethos der “Allgemeinen Zeitung” ergibt sich aus der Wiedergabe des Fotos von Sascha Kopp in der gedruckten Zeitung. Sein Foto, wie es auch online beim Artikel zu bestaunen ist, sieht nämlich so aus:

Komplett-Foto

Bildunterschrift: “Einmal pro Monat ziehen die Hartz-IV-Gegner mit Transparenten vom Münster- zum Gutenbergplatz und demonstrieren.

Schaut man aber in die gedruckte Zeitung, so ist ausgerechnet der Schriftzug “JEDEN-MONAT-DEMO” ausgeblendet:

Foto-wie-print

[Symbolfoto; generiert aus dem Online-Foto]

Wer hat den Schriftzug abgeschnitten? Warum sollte die Bezeichnung unserer regelmäßigen Protestaktion nicht im Bild zu sehen sein, obwohl doch im Text alle nötigen Informationen genannt werden? Hier: “Jeden dritten Mittwoch im Monat macht sich die Gruppe vom Münster- auf zum Gutenbergplatz, will mit der ‘Jeden-Monat-Demo‘ im Auftrag des Koordinierungsforums der Mainzer Arbeitsloseninitiativen ein Zeichen setzen gegen Hartz IV und Sozialabbau.

Ebenfalls zu kritisieren ist die Unausgewogenheit der Berichterstattung. Die Pressekonferenz des Job-Centers zog drei Texte (davon immerhin nur zwei vollständige Artikel) nach sich:

Weniger Arbeitslose als vor fünf Jahren (der Anreißer auf der Titelseite),

Armut nimmt zu sowie

Wirtschaftkrise verschont Mainz: Nicht mehr Menschen auf Hartz IV angewiesen.

Unsere Aufklärung über die wahren Verhältnisse hingegen nur den einen Artikel (und der ohne Anreißer):

Protest gegen “Sozialabbau”.

Und dabei sind wir – das Job-Center und die Verantwortlichen der Stadt Mainz einerseits und wir im Koordinierungsforum der Mainzer Arbeitsloseninitiativen Organisierten andererseits – noch nicht einmal erklärte Gegner! Vor allem Merkator und die SPD sind in erster Linie nichts als Fehlgeleitete, die Hartz IV irgendwelche “Erfolge” andichten müssen, solange sie noch nicht zuzugeben imstande sind, dass “ihr” Hartz IV die Gesellschaft spaltet, arbeitende gegen arbeitslose Erwerbspersonen aufhetzt, Menschen, die normalerweise Arbeitslosenhilfe beziehen würden, nachgerade enteignet (“Armut per Gesetz”), viel mehr Menschen als unter wirklich sozialen Bedingungen obdachlos macht oder sogar umbringt und nebenbei für Lohndumping sorgt, weil die sich gezwungen fühlen, jede Schikane mitzumachen, die noch arbeiten, und jeden Job anzunehmen, wenn sie aus der furchtbar stigmatisierenden Arbeitslosigkeit so schnell als möglich herauswollen.

Mainzer Jeden-Monat-Demo im September für das bedingungslose Grundeinkommen

Mit einem regulären Termin für die Jeden-Monat-Demo in der Woche des Grundeinkommens war es angebracht, die JMD dem Grundeinkommen zu widmen, das die Mainzer Initiative gegen HARTZ IV und Linkswärts ganz bewusst und aktiv fordern.

Hier das Skript der Rede zur Abschlusskundgebung von Manfred Bartl:

Liebe Krisen- und Kapitalismusgeschüttelte!
Liebe speziell und allgemein Betroffene des Prekariats!
Liebe Mainzerinnen und Mainzer!

Dies ist die Jeden-Monat-Demo gegen Hartz IV und für das bedingungslose Grundeinkommen!

Warum denken wir über das bedingungslose Grundeinkommen nach?

Es ist offenkundig: Unsere Wirtschaftsordnung, die Soziale Marktwirtschaft, versagt an allen Ecken und Enden. Die primäre Verteilung der Kaufkraft scheitert in zweierlei Hinsicht: Die Lohnquote sinkt zugunsten der Kapitaleinkommen und die Arbeitskapazitäten sind enorm unterausgelastet, was man an der unsinnig langen Wochenarbeitszeit und der Massenarbeitslosigkeit erkennt, die nach Arbeitszeitverkürzung schreien. Wir wollen eine 25-Stunden-Woche anstreben!

Zugleich wird die sekundäre Umverteilung, die zur Korrektur unzureichender Primärverteilung gedacht ist, in der Dauerkrise der Massenarbeitslosigkeit noch heruntergefahren. Der Regelsatz von Hartz IV sorgt nicht nur nicht für das sogenannte soziokulturelle Teilhabeminimum, sondern vielfach nicht einmal mehr für das Existenzminimum!

Nun ist es aber so, dass die Bürgerinnen und Bürger einer marktwirtschaftenden Gesellschaft selbstverständlich als Wirtschaftssubjekte ausgestattet werden müssen.

Wie soll das möglich sein, wenn Millionen von Menschen mit Hartz IV in Verhältnisse gestoßen und in Verhältnissen gehalten werden, die Götz Werner mit „offenem Strafvollzug“ gleichsetzt?

Als alternative Wirtschaftsform schlage ich in der Woche des Grundeinkommens das bedingungslose Grundeinkommen vor. Seine Haupteigenschaft ist, dass a) zugrunde gelegt wird, dass „die Wirtschaft“ Mittel zum Zweck des Wohlstands für alle in und für die Gesellschaft ist und b) der Einzelne dies auch unmittelbar erfährt, indem er zu Anfang des Monats eine monetäre Grundlage für sein freies und eigenverantwortliches Wirtschaften in Höhe von – Pi mal Daumen – 1500 Euro erhält.

Dies ist eine reine Veranschaulichung! Nicht-monetäres Wirtschaften könnte Teile davon ersetzen: ein für das Individuum nicht mit Kosten verbundener Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), ein kostenloser Grundbedarf bei Wasser, Strom und Gas, ein Grundrecht auf ein Quantum Wohnraum usw.

Wegweisend für die Einführung des Grundeinkommens sind die vier Kriterien des Netzwerks Grundeinkommen, über die man sich unter grundeinkommen.de weiter informieren kann. Ziel ist demnach ein bedingungsloses Grundeinkommen,

  • das existenzsichernd ist und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht,
  • auf das ein individueller Rechtsanspruch besteht,
  • das ohne Bedürftigkeitsprüfung und
  • ohne Zwang zur Arbeit oder sonstigen Gegenleistungen

garantiert wird.

Das Grundeinkommen beseitigt die wirtschaftsbedingte Einkommensarmut und vergrößert den individuellen Freiheitsspielraum in der Wirtschaft – insbesondere in Richtung der so dringend benötigten Arbeitzeitverkürzung und ArbeitFAIRteilung, was in doppelter Hinsicht zu mehr allgemeinem Wohlstand führt: mit mehr Freizeit und mehr wirtschaftlicher Freiheit. Derzeit arbeiten alle Erwerbstätigen unverantwortlich lange, nur um die Arbeitslosigkeit zu finanzieren.

Im Hinblick auf die allgemein mögliche Befriedigung der Lebensbedürfnisse aller Menschen im Lande nennt man das Grundeinkommen auch garantierten Mindestumsatz. Die Menschen setzen das Geld aus dem Grundeinkommen schließlich (so ist es zumindest gedacht) für den Konsum ein. Diese beiden Aspekte sind der Hauptgrund für die Einführung des Grundeinkommens. Da das Sein das Bewusstsein bestimmt, wird damit immerhin erreicht, dass sich der Horizont der Menschen soweit erweitert, dass sich wieder alle klarmachen können, was sie wirklich wollen. Und sie wollen garantiert keine Rente mit 67, keine Riester-Rente, kein Kohlekraftwerk, keine Leiharbeit usw.

Katja Kipping bezeichnet das Grundeinkommen darüber hinaus als Demokratiepauschale. Gesellschaftliche Subjekte können sich nur dann für die Gesellschaft engagieren, wenn ihre gesellschaftliche Existenz gesichert ist. Auch auf dieser Ebene sind also vom Grundeinkommen belebende Impulse zu erwarten.

Abschließend ein Wort zu Finanzierung des Grundeinkommens: Das Grundeinkommen ist finanzierbar. Punkt. Es wird deutlicher, wenn man es als Wirtschaftsform betrachtet. Die Wirtschaftsform des bedingungslosen Grundeinkommens müsste sich demnach einfach selber tragen. Und das ist prinzipiell immer möglich, dass eine Gesellschaft sich selbst versorgen kann, denn zu genau diesem Zweck schließen sich die Menschen ja zu einer Gesellschaft zusammen! Auch die Soziale Marktwirtschaft könnte sich problemlos selbst tragen (gerade in einem reichen Land wie Deutschland), wenn die Politik und die herrschenden Kreise vor allem in der Wirtschaft nicht die Werte dieses Gesellschaftssystems über Bord geworfen hätten. Zur Verdeutlichung dieses Umstands lässt sich anführen, dass das schon heute umverteilte Sozialbudget rein rechnerisch für ein grundlegendes Einkommen ausreichen würde, erst recht, wenn man bedenkt, wie viel Bürokratie durch eine solche Umkanalisierung entfallen und wie viele Bürokraten sich sinnvolleren Tätigkeiten zuwenden könnten. Aber selbst wenn man noch Hunderte von Milliarden Euro zuschießen müsste zu diesem Kostenpunkt der Volkswirtschaft, so muss doch immer bedacht werden, dass es sich bei der Wirtschaft um einen Kreislauf handelt, die Kosten für das Grundeinkommen also zugleich Kaufkraft und Konsum-Umsatz für die Wirtschaftsunternehmen handelt, welche diesen zufließt.

Wir fordern daher die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle!

Darüber hinaus sollten wir jedoch den notwendigen Bruch mit dem Profitprinzip und der Kapitalakkumulation zum Selbstzweck nicht aus den Augen verlieren und uns mit der Freiheit des Grundeinkommens im Rücken verstärkt für eine solidarische Bedürfnisbefriedigungswirtschaft einsetzen!

Mainzer Jeden-Monat-Demo im August gegen das asoziale Elterngeld

Die vom Koordinierungsforum der Mainzer Arbeitsloseninitiativen veranlasste Jeden-Monat-Demo findet am dritten Mittwoch jeden Monats statt. Sie beginnt um 12 Uhr bei ver.di am Münsterplatz und zieht über Große Bleiche und Lotharpassage zum Gutenbergplatz, wo die Abschlusskundgebung durchgeführt wird. Themen und Ausrichter der Abschlusskundgebung wechseln. Im Koordinierungsforum treffen sich der ver.di Erwerbslosenausschuss, die Mainzer Initiative gegen Hartz IV, die Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiative Mainz e. V. (ESHI) und DIE LINKE. Mainz-Stadt.

Am 19. August 2009 war die Jeden-Monat-Demo dem Kampf gegen das asoziale Elterngeld gewidmet. Das Elterngeld hat das Erziehungsgeld abgelöst – und viele Leute, selbst Eltern scheinen das auch noch gut zu finden! Hier hat die Aufklärung ganz offensichtlich völlig versagt…

Hier das Skript der Rede zur Abschlusskundgebung von Manfred Bartl:

Liebe Eltern!
Liebe solidarisch Interessierte!
Liebe Gesellschaftspolitiker!

Die schwarz-rote Bundesregierung hat die Förderung von Elternreformiert und das alte Modell Erziehungsgeld durch ein – paradigmatisch völlig neues- Elterngeld ersetzt.

Das Beste, was wir aus unserer Sicht gerade noch darüber sagen können, ist, dass es nicht – wie das Kindergeld – auf Hartz IV angerechnet wird.

Ansonsten gilt für das Elterngeld dasselbe wie für praktisch jede “Reform” der letzten acht Jahre unter Rot-Grün und Schwarz-Rot: Der ursprünglich positiv belegte Begriff Reform wird durch die politischen Katastrophen systematisch diffamiert und zersetzt.

Während andere solche “Reformen” unmittelbar zu Protesten aller gerecht und billig denkenden Menschen führten, ist es um das Elterngeld verdächtig still. Meine in meinem Weblog veröffentlichten Erkenntnisse über das Elterngeld nach einem Jahr wurden dankbar von den NachDenkSeiten aufgegriffen und führten auch auf meinen Webseiten zu extrem hohen Zugriffen. Trotzdem scheint diese Jeden-Monat-Demo die erste Demonstration gegen das Elterngeld zu sein. Das Wissen um diese skandalöse Umverteilungsmaschine von Arm zu Reich scheint sich nicht besonders verbreitet zu haben in der Gesellschaft. Dabei sollte einiges davon doch wenigstens den Antragstellern bei Beantragung des Elterngeldes auffallen:

Das entscheidende Faktum nach einem Jahr Elterngeld ist der Schlag vor den Kopf derjenigen, die – aus welchen Gründen auch immer – keinen Nettoverdienst vorweisen können und jetzt Eltern werden. Sie erhalten wie zu Zeiten des alten Erziehungsgeldes 300 Euro im Monat – aber nur für 1 Jahr statt wie zuvor für 2 Jahre! Dies betrifft (nach einem Jahr des neuen Modells) 42 Prozent der Antragsteller. Mindestens etwa 56 Prozent haben gegenüber dem Erziehungsgeld Nachteile hinzunehmen. Nochmal das Fazit: Mehr als die Hälfte der Elterngeld-Leistungsberechtigten wird gegenüber dem Erziehungsgeld benachteiligt, und der überwiegenden Mehrheit dieser Benachteiligten wird die Leistung gegenüber dem Erziehungsgeld glatt um die Hälfte gekürzt!

An diesem Punkt möchte ich kurz innehalten und noch einmal darauf hinweisen, dass es beim Elterngeld um die Förderung von Eltern zwecks Förderung der Kinder geht. Eltern sollen in ihrer Verantwortung für ihre Kinder gestärkt werden. Kinder bekommt man nicht (mehr) völlig ungeplant, aber einen absoluten Einfluss auf den Zeitpunkt hat man nach wie vor nicht. Auch hat man kaum einen Einfluss auf das Gehalt, wen man denn gerade arbeitet. Der Lohn als Form der marktwirtschaftlichen Kaufkraftverteilung ist aber qualitativ (was man an der Massenarbeitslosigkeit erkennt) und quantitativ (wie man am Realeinkommensverlust der Arbeitnehmer selbst im Aufschwung erkennt) eine Machtfrage. Wir Arbeitnehmer tun derzeit so, als hätten wir keine Macht. Warum eigentlich?

Leider scheint das auch so zu bleiben, wenn man – wie ich den den letzten Wochen – immer wieder Altern antrifft, die das Elterngeld in dieser Form für richtig und die verringerte Förderung für einkommensschwache oder einkommenslose Eltern für deren Problem halten. Sie hätten ja – wie sie – für ein Einkommen sorgen können. Beziehungsweise diese Eltern fühlen sich für ihren gesellschaftstragenden Einsatz auf Arbeit mit dem Elterngeld – von dem sie (individuell zu) profitieren (scheinen) – belohnt. Dazu bringe ich ein Wort von Erich Kästner, das für diese Eltern passt:

Was auch geschieht –
nie sollt ihr so tief sinken,
von dem Kakao, durch den man euch zieht,
auch noch zu trinken.

Es kann nicht – und schon gar nicht unter Erwerbspersonen – darum gehen, dass Eltern für ihre momentane Erwerbsarbeitssituation (doppelt) bestraft werden! Gerade in der Krise, in der ohnehin benachteiligte Niedriglohnkräfte als erste gefeuert werden, und ihr ohnehin nicht leistungsgemäßes Einkommen verlieren, führen solche Umverteilungsmaßnahmen von Arm zu Reich in einen noch schlimmeren Absturz, weil der nächsten Generation systematisch gleich jede Startchance vermasselt wird.

Forderung muss daher sein, dass die Elternförderung insgesamt wirklich ausgebaut wird, was mit dem Elterngeld in der Summe bislang nicht geschehen ist.
Die Elternförderung muss zum Zweck des gesellschaftlichen Ausgleichs besonders denen zugute kommen, die aus eigenen – von der Gesellschaft eingeschränkten – Mitteln nicht ausreichend beitragen können.
Um die Wahlfreiheit der Kinderförderung sicherzustellen, muss die Elternförderung auch die Zeiten besonderer elterlicher Anstrengungen abdecken, also wenigstens 2, besser 3 Jahre umfassen, bis die Kinder üblicherweise in den Kindergarten eintreten.

Mittelfristiges Ziel muss es sein, dass die Verteilung der Arbeit und damit die Verteilung des Einkommens gerechter werden, damit ein zeitlich ausgebessertes Elterngeldsystem mit seinem Bezug zum letzten Nettolohn selbst in gerechter Weise zur Anwendung kommen kann.

Dann – und nur dann – haben alle Eltern die Chance, ihrer großen Verantwortung gerecht zu werden.

Mainzer Jeden-Monat-Demo im Juli gegen die Krisenfolgen

Die vom Koordinierungsforum der Mainzer Arbeitsloseninitiativen veranlasste Jeden-Monat-Demo findet am dritten Mittwoch jeden Monats statt. Sie beginnt um 12 Uhr bei ver.di am Münsterplatz und zieht über Große Bleiche und Lotharpassage zum Gutenbergplatz, wo die Abschlusskundgebung durchgeführt wird. Themen und Ausrichter der Abschlusskundgebung wechseln. Im Koordinierungsforum treffen sich der ver.di Erwerbslosenausschuss, die Mainzer Initiative gegen Hartz IV, die Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiative Mainz e. V. (ESHI) und DIE LINKE. Mainz-Stadt.

Am 15. Juli 2009 war die Jeden-Monat-Demo der Frage gewidmet, was die Finanz- und Wirtschaftskrise mit “Hartz-IV-Empfängern” zu tun habe. NICHTS! Sie sind auch weiterhin einzig und allein Betroffene und Opfer!
Hier das Skript der Rede zur Abschlusskundgebung [nicht von Manfred Bartl]:

Liebe Freunde, Bürger von Mainz!Wir demonstrieren gemeinsam gegen eine Situation in Deutschland, die wir als unrecht empfinden.

Das Hartz-IV-Gesetz ist ein Teil davon. Ein wichtiger Teil.

Ich danke allen, die sich heute hier zusammengefunden haben und sich damit für mehr Gerechtigkeit in diesem Land einsetzen.

Menschen in Hartz IV sind nicht die Sorge der Regierung.

Der Krise gilt die ganze Sorge. Die Krise muss überwunden werden.

Haben WIR, die wir hier heute demonstrieren, die Krise verursacht?

Verursacht die steigende Zahl von Menschen ohne Arbeit die Krise?

Nein, Arbeitslosigkeit ist Folge der Krise.

Die Krise ist Folge des Systems, ebenso wie die sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich Folge des Systems ist – bei uns in Deutschland und auf der ganzen Welt. Unser Wirtschaftssystem erlaubt die Ausbeutung von Menschen.

Angeblich profitieren alle am meisten von einem System, welches sehr wenige superreich macht. – Wie sähe eine Welt aus, in der von allen geschaffene Werte gleichmäßiger verteilt würden? Das Hartz-IV-Gesetz hilft dabei nicht! Es hilft den Unternehmen.

Unternehmen profitieren von hohen Arbeitslosenzahlen.

Unternehmen sind Shareholdern verpflichtet – nicht ihrer Belegschaft.

Der Zwang des Wettbewerbs, schwierige Marktsituationen etc. legitimieren Entlassungen, Lohnsenkungen, Arbeitszeiterhöhungen ohne Ausgleich – was auch immer opportun erscheint.

Es wird gesagt: Wettbewerb bringt uns weiter, Wettbewerb sorgt für höhere Effizienz, Wettbewerb trägt zur Zukunftssicherung des Standortes Deutschland bei.

Wettbewerb der sich fortsetzt bis zu jeder einzelnen Stelle auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahl derer, die unverschuldet zurück bleiben, steigt.

Deswegen tragen wir heute dieses Transparent.

Wird Armut gegen Reichtum aufgewogen?

Wird Armut leichter, wenn Reichtum zunimmt?

Nein! In unserem heutigen System – führt die Ansammlung, die Akkumulation, die Konzentration von Reichtum in den Händen weniger Menschen, immer und unausweichlich zu einer Zunahme der Armut – hier in Mainz, in Deutschland, in China, in Nordamerika, in Afrika, überall auf der Welt. Es geht uns nicht besser, wenn die Reichen reicher werden.

Die Märkte brechen von unten weg. Die Milliarden, der Reichtum wird dem Markt, uns allen entzogen. Dadurch verlieren wir, als Gesellschaft, ein enormes Potential für die Schaffung neuer Werte. Unser Staat verschuldet uns, mit dem Ziel das System der Geldakkumulation, der Profitmaximierung zu retten – Geld und Bürgschaften für Banken, damit Unternehmen Kredite bekommen. Wer profitiert – wenn es funktioniert? Wieder die Reichen. Die Unternehmen werden investieren um Personalkosten zu senken. Das verlangt der Wettbewerb – und die Last der Kredite. Wir verdanken dem Wettbewerb die Automatisierung von Arbeitsprozessen. Wir verdanken dem Wettbewerb die Verlagerung von Produktionen, in Länder, in denen Menschen für fast nichts arbeiten, in denen Kinder arbeiten, in denen Umweltauflagen weniger streng sind. Die Produkte werden deswegen nicht billiger verkauft – die so genannte Wertschöpfung steigt. Shareholder kassieren Gewinne! Ausbeutung auf Seite der Produktion, Übervorteilung auf Seite der Konsumenten – alles nur Aspekte eines globalen Systems, weswegen wir heute hier stehen und protestieren.

Hartz IV ist ungerecht. Hartz IV ist unfair. Bei der Umsetzung des Hartz IV Gesetzes wird gegen Menschenrechte verstoßen. Für Deutschland sind 359 Euro für einen Erwachsenen zum Leben – ein Armutszeugnis, eine Bankrotterklärung der Gesellschaft. Für was reichen 359 Euro im Monat? Essen, Kleidung, Strom, Hygiene, Warmwasser, Telefon, Mobilität? Einem Teenager stehen 251 Euro zu – Kindergeld gibt es nicht! 251 Euro für alles von Klopapier bis zu Schulheften, Büchern, Sportschuhen… Für einen Teenager gibt es 251 Euro – je nach Alter 36 Euro mehr oder weniger. Das ist für alles vom Klopapier bis zu einem Paar neuer Schuhe. Telefon, Vergessen Sie Dinge wie Essen gehen, Kino, Theater, Konzerte, Museen. Schon für ein Glas Sprudel mit Freunden in der Kneipe wird es knapp. Sie wollen sich weiterhin versichern? Private Haftpflicht ist sicher sinnvoll – darüber hinaus? Streichen Sie Zeitungsabo, Friseur, Kosmetika, Zeitschriften – überflüssig… Ihre Kinder wollen Schwimmen gehen? – Ein mal im Monat. Sportverein? – Musikschule? – Was denn noch alles? Das ist für Hartz-IV-Kinder nicht vorgesehen. Am Essen sparen können Sie auch nicht mehr. Es reicht kaum. Zum Glück gibt es bald überall Tafeln! Was Sie auch machen – das Geld reicht nicht.

Ein Auto darf man behalten, wenn es weniger als 6.000 Euro wert ist – ist aber nicht zu finanzieren, Steuer, Reparaturen, Sprit – geht nicht. Bleiben Bus und Bahn? Das Sozialticket kostet in Mainz 49,50 Euro pro Monat. 17 Euro für Mobilität sind in den 359 Euro vorgesehen. Ist hier halt teurer. Bleibt das Fahrrad – für den, der kann.

Ansonsten sitzen Sie mit Hartz IV fest. In jedem Sinne des Wortes.

Das alles ist nicht gerecht! Es liegt in der Verantwortung der Gesellschaft, sich um alle Menschen zu kümmern. Dafür zu sorgen, dass jeder die Möglichkeit bekommt, sein Leben sinnvoll zu gestalten und einer dem Standard der Gesellschaft angemessenen Form zu leben. Die Gesellschaft ist verantwortlich und muss dafür sorgen, dass Kinder nicht benachteiligt werden. Warum erkennt die Gesellschaft Menschen ohne Arbeit nicht als Chance?

Wie kann ein Volk sich freiwillig einem System unterordnen, welches allein der Anhäufung von Reichtum in den Händen weniger dient?

Der Preis dafür sind immer mehr Neuarme?

Neuarme sind Menschen, die Jahrzehnte gearbeitet haben, die gespart haben, die Beiträge bezahlt haben, die ihre Steuer ohne Abzüge bezahlt haben, bis sie aus Gründen einer Effizienzsteigerung arbeitslos wurden.

Früher waren wir für solche Fälle abgesichert. Heute stehen Arbeitslose unter dem Generalverdacht der Arbeitsverweigerung und das Arbeitslosengeld endet nach 12 Monaten. Es folgt die große Prüfung der Verhältnisse: einmal alle Taschen leeren, bitte!

Sind Sie arm genug, um Anspruch auf Hilfe zu haben? Ist ihre Wohnung klein genug?

Sie hatten für eine Immobilie gespart Sie hatten wirklich ernsthaft für Ihre Rente gespart?

Verabschieden Sie sich von dem Traum. Dann hätten Sie halt nicht arbeitslos werden dürfen. Wenn Sie ihren bisherigen Lebensstil beibehalten, werden Ihre Ersparnisse schnell auf das erlaubte Schonvermögen verbraucht sein und Sie können erneut Ihren Antrag stellen. Stellen Sie ihren Antrag nicht zu früh – ab Antragstellung gilt für Sie die Hartz-IV-Regel. Sie müssen alles tun, um Ihre Bedürftigkeit zu vermeiden. Dazu gehört, dass Sie sich bereits jetzt einschränken und Ihre Ausgaben auf Hartz-IV-Niveau senken!

Haben Sie für ihre Familie mit zwei Kindern mehr als 120 qm? Zu groß! Geht nicht! Leben Sie allein – mit Sohn oder Tochter – auf mehr als 60 qm? Geht nicht. Suchen Sie sich etwas Kleineres! Die Wohnung ist klein, aber zu teuer? Geht auch nicht. Orientieren Sie sich am Mietspiegel!

Nach dem Gesetz ist es den Behörden erlaubt, in Ihrer Wohnung nach Wohlstand zu suchen. Es gibt unangemessenen Wohlstand – wenn Sie sich vom Staat helfen lassen wollen. Der Staat garantiert minimale Teilhabe – nach staatlicher willkürlicher Definition. Unangemessene Wohnungsausstattung, Kleidung, Bücher – ja, sogar Bücher – müssen Sie verwerten.

Bemühen Sie sich ausreichend um eine neue Stelle?

Sie erhalten nur dann die Existenzsicherung zur minimalen Teilhabe, wenn Sie alle Ihre Möglichkeiten erschöpft haben. Natürlich gehört dazu Ihre Bereitschaft jede (!) sich Ihnen bietende Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit anzunehmen. – Auch wenn der Lohn so gering ist, dass Sie weiter auf Unterstützung angewiesen sind.

Natürlich müssen Sie sich in allen Bereichen umsehen und bewerben. Erwarten Sie, dass Sie wieder etwas Ihrer Qualifikation, Ihrer Erfahrung, Ihrer Expertise entsprechendes finden? Darauf dürfen Sie nicht warten. Natürlich müssen Sie jedes Gehalt akzeptieren – wenn nicht, findet sich ein 1-Euro-Job, damit Sie nicht außer Tritt kommen.

Aber zunächst bekommen Sie nichts, denn Ihre Wohnung ist zu groß und zu teuer – Sie konnten es sich leisten -, und außerdem dürfen Sie als 40-Jähriger nicht mehr als 6.000 Euro Sparguthaben besitzen, für die Rente wird Ihnen eine Rücklage in Höhe von 10.000 Euro erlaubt, es muss aber entsprechend angelegt sein! Wenn Sie mehr als das haben, sind Sie nicht bedürftig. – Ja, wir fragen uns, wofür wir jahrelang in diese so genannte Arbeitslosenversicherung einzahlen. Dass man gegen Arbeitslosigkeit nicht versichern kann, ist klar. Aber dass man nach einem Jahr ohne Job bereits in die Armut fällt! Das war einmal anders in diesem Land.

Ist es schön, in einem Land wachsender Unausgeglichenheit reich zu sein?

Lassen sich die Zeichen steigender Armut ignorieren?

Verständlich, dass Superreiche sich nach attraktiven Enklaven umsehen, wo sie unter sich sind. Sie sind nicht verantwortlich für das System – sie haben davon profitiert – auch von der politischen Stabilität.

Was hält eine Gesellschaft zusammen? Vielleicht das Gefühl, dass es halbwegs gerecht zugeht. Sogar Tiere haben diesen Sinn für Gerechtigkeit!

Nehmt das Geld aus der Schale. Verteilt Geld, Werte, Besitz unter allen Menschen Lasst alle frei und aktiv untereinander handeln – und seht, wie gut es uns allen dann gehen wird!

Dafür demonstriere ich – heute, nächsten Monat und immer wieder – wie es mit uns und unserer Gesellschaft weiter geht, bestimmen wir – jeden Tag – indem wir etwas tun oder nicht tun! Jeder trägt seinen Anteil daran.

Es gibt einen besseren Weg!

Jeden-Monat-Demo startet in Mainz!

Am 20. Mai 2009 begann das Koordinierungsforum der Mainzer Arbeitsloseninitiativen mit einer neuen Art der Manifestation des Unmuts in der Bevölkerung: die Jeden-Monat-Demo! Um 12 Uhr ging es los am Münsterplatz (bei ver.di) über die Große Bleiche und die Lotharpassage zum Gutenbergplatz. Die Demoroute verläuft somit durch die Mittagspause hindurch 😉 Am Gutenbergplatz fand die Abschlusskundgebung statt. Ich sprach über Hartz IV, warum es alle angeht und wie man diesen Staat wieder zur gemeinsamen Sache machen könnte, nämlich durch Arbeitszeitverkürzung und bedingungsloses Grundeinkommen und die Erkenntnis, dass man sicher nicht arbeitet um Geld zu verdienen.

Pressespiegel zur Kundgebung

Kein Zuschuss für Schulbücher

Collisi: Finanzlage lässt Hilfe nicht zu/ Schul-Caterer will Mängel abstellen

Vom 16.08.2007

Eine Bezuschussung zum Kauf von Schulbüchern, wie sie jetzt für bedürftige Eltern gefordert wird (siehe nebenstehenden Artikel), kann sich die Stadt nicht leisten. Das stellte Sozialdezernent Birgitt Collisi gestern klar. Zweites Thema im Ferienparlament: Die zukünftige Essensversorgung der Mainzer Ganztagsschulen.

Von Frank Schmidt-Wyk

Das Problem ist im Sozialdezernat durchaus bekannt: Die Hartz-IV-Regelleistungen sind für viele bedürftige Familien zu gering, als dass sie ihre Kinder zum Schulbeginn angemessen mit Lernmaterial ausstatten könnten.

Früher, zu Zeiten der alten Sozialhilfe, wurden für solche Fälle Sonderleistungen gewährt, doch seit der Hartz-IV-Reform gibt es, verkürzt gesagt, nur noch eine Regelleistung, die aus Sicht des Gesetzgebers offenbar auch ausreichende Sätze für den Schulbedarf enthält. Das dem mitnichten so sei, darauf macht in diesen Tagen ein Aktionsbündnis des DGB aufmerksam, das von der Stadt unter anderem eine Soforthilfe für bedürftige Familien einfordert. Sozialdezernentin Birgitt Collisi (SPD) sah sich deshalb angehalten, das Thema im Hauptausschuss spontan aufzugreifen.

Um für betroffene Familien den durch die Hartz-IV-Regelsätze verursachten Verlust gegenüber früheren Sonderleistungen auszugleichen, müsste die Stadt 360000 Euro aufbringen, rechnete Collisi vor. Als freiwillige Leistung hätte eine solches finanzielles Engagement aufgrund der defizitären Haushaltslage der Stadt Mainz jedoch keine Chance, vor der Aufsichtsbehörde Gnade zu finden, so Collisi. Der Verweis auf Städte wie Düsseldorf oder Oldenburg, die sich eine solche Unterstützung leisten, ziehe nicht, denn deren Haushalte seien ausgeglichen, die dortigen Politiker könnten deshalb freier über Haushaltsmittel verfügen.

Außerdem erstattete Collisi in Vertretung des erkrankten Schuldezernenten Peter Krawietz Bericht über den aktuellen Stand in Sachen Essensverpflegung der Ganztagsschulen. Mit dem Caterer “Speisezeit”, der trotz seiner Kündigung (die AZ berichtete), die Mainzer Schulen noch für das gesamte Schuljahr beliefern muss, seien zuletzt etliche Gespräche geführt worden. Dabei habe Geschäftsführer Jan N. Vermeegen zugesichert, Mängel abzustellen. Wie bereits im Stadtrat Anfang Juli beschlossen, werde demnächst ein “Runder Tisch” mit Vertretern der Stadt, der Schulen, der Elternschaft sowie der Schüler besprechen, was geändert und was fortgesetzt werden soll. Zudem stehe die abschließende Analyse des Landesuntersuchungsamtes der von “Speisezeit” gelieferten Nahrung über einen Zeitraum von zehn Wochen noch aus. Das bisher vorliegende Ergebnis, das zu einer Abmahnung der Stadt für den Caterer geführt hatte, basiert auf an vier Tagen entnommenen Proben und ist nach Ansicht von Vermeegen nur begrenzt aussagekräftig.

Bei der Aushandlung eines neuen Vertrages für das übernächste Schuljahr gebe es grundsätzlich die Möglichkeit, den Schulen zu gestatten, ihre Belieferung mit Verpflegung eigenständig zu regeln, sagte Collisi auf Frage von Grünen-Fraktionssprecher Günter Beck – die noch geltende Vereinbarung mit “Speisezeit” erlaube dies nicht. Um die gewünschte Qualität sicherzustellen, sei auch eine Erhöhung des städtischen Beitrages zur Schulverpflegung nicht ausgeschlossen, so Collisi.


Leserbrief:

Vom 18.08.2007

Für die Haltung des städtischen Sozialdezernats, kein Geld für Schulbücher für bedürftige Familien bereitzustellen, hat dieser Leser kein Verständnis.

Eine Schande

Der Beitrag über “Kein Zuschuss für Schulbücher” in der AZ hat mich wieder an den “Leitfaden der Tierkunde” erinnert, den ich 1949 zu Beginn meiner 7. Klasse umsonst erhalten habe. Unser Biologielehrer hatte bei seiner Sammelbestellung zwei Freiexemplare erhalten, von denen ich eins bekam, weil ich zu den ärmsten Kindern der Klasse gehörte. Damals konnte eine Kriegerwitwe mit drei Kindern die beiden “Großen” auf die höhere Schule (heute Gymnasium) schicken, weil das “rote” Hessen als eines der ersten Bundesländer das Schulgeld abgeschafft hatte. Auch die von menschenfreundlichen Amerikanern gespendete “Schulspeisung” gab es natürlich für alle umsonst. Deutschland war 1949 ein armes Land.

Trotzdem hatten armer Leute Kinder eine Chance – selbst wenn sie nicht zu den “Hochbegabten” zählten wie meine Wenigkeit, die mehrfach “mit Ausgleich” versetzt wurde und erst während des Studiums zur “Leistungselite” aufrückte.

Auch heute ist “Armut keine Schande”, besonders für Kinder, die in eine arme Familie geboren werden. Aber eine Schande ist es, dass eine Sozialdezernentin sich gezwungen sieht, armen Kindern “eine Bezuschussung zum Kauf von Schulbüchern” zu verweigern, weil die Stadt Mainz sich so etwas “nicht leisten” kann. Hat Frau Collisi wirklich vergessen, dass ihre Partei, die SPD, früher einmal für die Chancengleichheit aller Kinder in Deutschland gekämpft hat? Der Verfasser dieses Leserbriefs ist ein Beispiel dafür, dass ihr Kampf sich gelohnt hat. Doch warum verspielen wir heute die Zukunft unseres Volkes, obwohl alle wissen, was zu tun ist? Wann endlich folgen den leeren Versprechungen wirkliche Taten?

Prof. Dr. Hans Sillescu
55127 Mainz


Soforthilfe durch Bildungsfonds

Aktionsbündnis fordert Finanzhilfe für Familien

Vom 16.08.2007

Von Mara Braun

Nächste Woche beginnt das neue Schuljahr und während sich die meisten Kinder darauf freuen, haben viele Eltern Probleme, den Schulbedarf der Sprösslinge zu finanzieren. Besonders betroffen sind laut Rita Schmitt vom DGB Rheinhessen-Nahe Familien, die von Hartz-IV leben müssen. Gemeinsam mit dem Verband Alleinerziehender Mütter und Väter, der Pro Familia Mainz, der Mainzer Initiative gegen Hartz-IV und Armut und Gesundheit in Deutschland e.V. hat der DGB deshalb das Aktionsbündnis zur Finanzierung von Schul- und Bildungsbedarfen bei Kindern von ALG-II-Empfänger gegründet.

Das Aktionsbündnis hat drei konkrete Forderungen formuliert, um bestehende Missstände zu beheben. Zunächst müsse die Stadt Soforthilfe leisten, beispielsweise durch die Einrichtung eines Bildungsfonds, mit dem der Bedarf der betroffenen Familien gedeckt wird. Für die Zukunft fordert das Bündnis zudem vom Land eine echte Lernmittelfreiheit und schließlich müsse der Bund die Hartz IV Sätze an den tatsächlichen Bedarf angleichen.

“Diese Familien brauchen dringend Hilfe”, betont Schmitt und erklärt, im Hartz-IV-Satz für Kinder sei Geld für Schulsachen nicht einmal vorgesehen: “Lediglich 1,63 Euro für Schreibsachen im Monat, aber wovon sollen Ranzen, Mäppchen oder Sportschuhe bezahlt werden?” Reell seien Ausgaben von knapp 200 Euro pro Kind und Schuljahr, um “wenigstens den Grundbedarf abzudecken”.

Vom Land gebe es zwar Lernmittelgutscheine, die könnten aber nur in Buchhandlungen und für vorgeschriebene Bücher genutzt werden. “Das ist kontraproduktiv, weil man die Bücher billiger beim Schulbasar kaufen und von dem Geld stattdessen Zirkel oder Füller bezahlen könnte!”

Stadt, Fraktionen und Sozialdezernentin Collisi seien noch vor der Sommerpause auf die Situation hingewiesen worden, “ein Treffen mit Frau Collisi wird es aber leider erst im September geben”, so Schmitt. Andere Städte seien flexibler und hätten noch zum Schuljahresbeginn Lösungen gefunden, bedauert Gisela Hilgerfort, Geschäftsführerin der pro Familia Mainz. Aus den Fraktionen sei aber keinerlei Hilfe gekommen. Immerhin erschien zur Veranstaltung des Bündnisses gestern in der Innenstadt die Fraktion ÖDP/Freie Wähler. Der stellvertretende Fraktionsgeschäftsführer Kurt Mehler nannte die Haltung der Stadt einen “Skandal” und versprach, bei der nächsten Stadtratssitzung einen Antrag für die Bereitstellung von Soforthilfe einzureichen. Dann ist das neue Schuljahr allerdings schon mehrere Wochen alt.


Kein Zuschuss von der Stadt für Schulbedarf

Vom 16.08.2007

fsw. MAINZ Das Haushaltsdefizit der Stadt Mainz lässt eine finanzielle Hilfe für bedürftige Eltern bei der Ausstattung ihrer Kinder mit Schulbedarf nicht zu – das machte Sozialdezernentin Birgitt Collisi (SPD) gestern im Hauptausschuss klar.

Diese Forderung war von einem Aktionsbündnis des DGB erhoben worden, weil etliche Familien aufgrund der Hartz-IV-Reform schlechter gestellt seien als zu Zeiten der alten Sozialhilfe.

Lokales


“Schule kostet Geld”

15. August 2007 | 12:32 Uhr

Wenige Tage vor dem Schulstart in Rheinland-Pfalz hat ein Bündnis in Mainz bessere Unterstützung von «Hartz IV»-Familien bei der Finanzierung des Schulbedarfs gefordert. «Im Hartz IV-Satz von 208 Euro für Kinder bis 14 Jahren ist für die Schulmittel gar kein Geld vorgesehen», sagte Rita Schmitt vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Rheinhessen-Nahe auf ddp-Anfrage am Mittwoch in Mainz.

Aktuelle Nachrichten – Mainz (ddp-rps). Wenige Tage vor dem Schulstart in Rheinland-Pfalz hat ein Bündnis in Mainz bessere Unterstützung von «Hartz IV»-Familien bei der Finanzierung des Schulbedarfs gefordert. «Im Hartz IV-Satz von 208 Euro für Kinder bis 14 Jahren ist für die Schulmittel gar kein Geld vorgesehen», sagte Rita Schmitt vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Rheinhessen-Nahe auf ddp-Anfrage am Mittwoch in Mainz. Für Schulbücher würden aber pro Jahr bis zu 200 Euro für ein Kind fällig. Das Aktionsbündnis aus DGB, Elternverbänden und «Hartz IV»-Initiativen fordere deshalb von der Stadt Mainz, bedürftigen Kindern mit einer finanziellen Soforthilfe unter die Arme zu greifen. «Schule kostet Geld. Geld, das Hartz IV-Familien nicht haben», sagte die Geschäftsführerin des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter in Rheinland-Pfalz, Monika Wilwerding. Im Regelsatz seien für Schreibwaren lediglich 1,64 Euro pro Monat vorgesehen. Das reiche gerade für Bleistift und Radiergummi, unterstrich Wilwerding. Auch ein Ansparen der benötigten Summen sei da nicht möglich. «Hartz IV» raube so den betroffenen Kindern Bildungschancen, kritisierte Hermann Stauffer von der Mainzer Initiative gegen «Hartz IV». Nach Angaben der Initiative leben in Mainz derzeit mehr als 4000 Kinder unter 15 Jahren von «Hartz IV», etwa die Hälfte ist im schulpflichtigen Alter. Das Aktionsbündnis fordert deshalb vom Land die Einführung einer allgemeinen Lernmittelfreiheit. Die derzeitigen Gutscheine für Schulbücher reichten nicht aus. Zusätzlich müsse die Stadt den Schulkindern helfen. Schmitt kritisierte, das Bündnis habe auf die Probleme bereits vor den Ferien hingewiesen, die zuständige Mainzer Sozialdezernentin Birgit Collisi wolle sich aber erst im September mit dem Aktionsbündnis zu einem Gespräch treffen.

(ddp)


Streit um die Schulmittel

15. August 2007 | 15:20 Uhr

34,99 Euro steht auf dem Plakat, darunter das Bild eines Taschenrechners. Anna Penew hält es hartnäckig in die Höhe, auf den Rücken hat sich die Mutter eines achtjährigen Sohnes einen Schulranzen geschnallt. Am Montag beginnt in Rheinland-Pfalz die Schule, und mit dem Schuljahr kommen die neuen Bücherlisten.

Aktuelle Nachrichten – Mainz (ddp-rps). 34,99 Euro steht auf dem Plakat, darunter das Bild eines Taschenrechners. Anna Penew hält es hartnäckig in die Höhe, auf den Rücken hat sich die Mutter eines achtjährigen Sohnes einen Schulranzen geschnallt. Am Montag beginnt in Rheinland-Pfalz die Schule, und mit dem Schuljahr kommen die neuen Bücherlisten. «Und es sind ja nicht nur die Bücher», sagt Penew. Ihr Sohn kommt jetzt in die dritte Klasse, ein neuer Ranzen ist fällig, dazu Hefte, Stifte, Bastelbedarf und Turnschuhe für den Sportunterricht. Das Problem der Mutter: Anna Penew ist «Hartz IV»-Empfängerin, ihr monatliches Budget gibt diese Ausgaben einfach nicht her. Am Donnerstag vor fünf Jahren wurden die Hartz-Gesetze als große Reform der Sozialpolitik verkündet. Seit 2003 beträgt der Regelsatz für «Hartz IV»-Empfänger 345 Euro im Monat, für Kinder unter 14 Jahren gibt es zusätzlich 207 Euro. Das Geld ist genau eingeteilt: Für Essen sind bei einem Kind 76,39 Euro vorgesehen, für Schuhe 4,40 Euro, für Spielzeug 76 Cent, für Schreibwaren 1,63 Euro. «Für Schulmittel ist im ´Hartz IV´-Satz gar kein Geld vorgesehen», kritisiert Rita Schmitt vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Rheinhessen-Nahe. Für Schulbücher würden aber pro Jahr bis zu 200 Euro für ein Kind fällig. Aus den «Hartz IV»-Geldern lasse sich das einfach nicht ansparen. Der DGB hat sich deshalb mit Elternorganisationen und «Hartz IV»-Initiativen zu einem Aktionsbündnis zur Finanzierung von Schul- und Bildungsbedarf in Mainz zusammen geschlossen. Bei einer Aktion in Mainz am Mittwoch forderten sie von der Stadt eine bessere Unterstützung der «Hartz IV»-Kinder. «Ohne Schulsachen lernt es sich schlecht, ´Hartz IV´ raubt den betroffenen Kindern Bildungschancen», kritisierte Hermann Stauffer von der Mainzer Initiative gegen «Hartz IV». Nach Angaben der Initiative leben in Mainz derzeit mehr als 4000 Kinder unter 15 Jahren von den staatlichen Sozialleistungen, etwa die Hälfte ist im schulpflichtigen Alter.

Von der Stadt forderte das Bündnis die Einrichtung eines Fonds zur Finanzierung von Schulsachen für bedürftige Kinder. In Städten wie Oldenburg, Osnabrück und Chemnitz gebe es bereits solche Einrichtungen, sagte Schmitt. Eine andere Möglichkeit seien Darlehen von den Jobcentern, auf deren Rückzahlung verzichtet werde. Von der Landesregierung fordert das Bündnis die Einführung einer allgemeinen Lernmittelfreiheit – wie auch die rheinland-pfälzischen Grünen.

«Unsere Landesregierung tritt mit dem Anspruch auf, ein Land für Kinder zu sein, lässt aber zugleich eine enorme Ungerechtigkeit zu», sagte die Bitburger Bundestagsabgeordnete der Grünen, Ulrike Höfken. Die Belastung durch die Schulbuchausgaben seien für alle Eltern «unverhältnismäßig und unnötig», in anderen Bundesländern gebe es dagegen Ausleihsysteme, die sehr gut funktionierten. Rheinland-Pfalz «hinkt da hinterher», betonte Höfken. Das Bildungsministerium wies das zurück und verwies auf die vom Land ausgegebenen Bildungsgutscheine, mit denen pro Jahr rund 131 000 Schüler unterstützt würden. Das Land habe diese Hilfen gerade auf 13 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt.

«Die Gutscheine reichen bei Weitem nicht aus», sagt dagegen Anna Penew. 40 Euro erhält sie in diesem Jahr an Büchergeld, einlösen kann sie es nur in Buchhandlungen – und nur bis Oktober. «Ich muss aber das ganze Jahr über Bücher kaufen», sagt Penew. 40 Euro hatte sie vergangenes Schuljahr schnell ausgegeben – für vier Arbeitshefte ihres Sohnes. Und dann waren da ja auch noch Ranzen, Hefte – und der Taschenrechner für 34,99 Euro.

(ddp)


Grüne fordern Konzept für Lernmittelfreiheit in Rheinland-Pfalz

5. August 2007 | 04:32 Uhr

Die Grünen in Rheinland-Pfalz fordern von der Landesregierung ein Konzept zur Einführung einer generellen Lernmittelfreiheit im Land. «Unsere Landesregierung tritt mit dem Anspruch auf, ein Land für Kinder zu sein, lässt aber zugleich eine enorme Ungerechtigkeit zu», sagte die Bitburger Bundestagsabgeordnete der Grünen, Ulrike Höfken, im Interview mit der Nachrichtenagentur ddp.

Aktuelle Nachrichten – Mainz/Bitburg (ddp-rps). Die Grünen in Rheinland-Pfalz fordern von der Landesregierung ein Konzept zur Einführung einer generellen Lernmittelfreiheit im Land. «Unsere Landesregierung tritt mit dem Anspruch auf, ein Land für Kinder zu sein, lässt aber zugleich eine enorme Ungerechtigkeit zu», sagte die Bitburger Bundestagsabgeordnete der Grünen, Ulrike Höfken, im Interview mit der Nachrichtenagentur ddp. Die Eltern müssten jedes Jahr zum Schulstart rund 200 Euro pro Kind allein für Schulbücher ausgeben. Das sei eine «unverhältnismäßige und unnötige Belastung», kritisierte Höfken. In 14 von 16 Bundesländern gebe es Hilfssysteme bei der Schulbuch-Anschaffung, nur Rheinland-Pfalz und das Saarland «hinken hinterher». Am Mittwoch will in Mainz ein Aktionsbündnis für eine bessere Finanzierung von Schulbedarf bei Kindern aus sozial schwachen Familien werben. Höfken sagte weiter, die Grünen unterstützten dies, wollten aber darüber hinaus gehen. Die Partei hat deshalb eine landesweite Unterschriftenkampagne für eine generelle Lernmittelfreiheit gestartet. Kinder würden «richtig teuer, wenn sie zur Schule gehen», dann gebe es aber keine Unterstützung mehr, argumentierte die Politikerin. Die Schulbuch-Kosten seien «eine schwere Belastung» auch für Eltern, die normal verdienten. Zwar gibt es an vielen rheinland-pfälzischen Schulen Schulbuchbörsen, oft gelinge es aber nicht, die alten Bücher dort auch loszuwerden, sagte Höfken weiter. Oft stünden die Bücher im nächsten Schuljahr nicht mehr auf der Liste der Folgeklassen. Als Gegenmodell nannte Höfken Ausleihsysteme, die in anderen Ländern wie Hessen oder Nordrhein-Westfalen seit Jahrzehnten reibungslos funktionierten. Bücher nur für ein Jahr zu kaufen, sei dagegen «rausgeschmissenes Geld», kritisierte sie und fügte hinzu: «Wozu die Bücher in den Papierkorb werfen?»

(ddp)


Bündnis in Mainz fordert Schulbeihilfen für Kinder von «Hartz IV»-Empfängern

[BILD “Schule kostet Geld” ©ddp] [Das Bild ist nicht von der Kundgebung!]

15.08.2007 13:05:04 – Wenige Tage vor dem Schulstart in Rheinland-Pfalz hat ein Bündnis in Mainz bessere Unterstützung von «Hartz IV»-Familien bei der Finanzierung des Schulbedarfs gefordert. «Im Hartz IV-Satz von 208 Euro für Kinder bis 14 Jahren ist für die Schulmittel gar kein Geld vorgesehen», sagte Rita Schmitt vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Rheinhessen-Nahe auf ddp-Anfrage am Mittwoch in Mainz.

(live-PR.com) -Mainz (ddp-rps). Wenige Tage vor dem Schulstart in Rheinland-Pfalz hat ein Bündnis in Mainz bessere Unterstützung von «Hartz IV»-Familien bei der Finanzierung des Schulbedarfs gefordert. «Im Hartz IV-Satz von 208 Euro für Kinder bis 14 Jahren ist für die Schulmittel gar kein Geld vorgesehen», sagte Rita Schmitt vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Rheinhessen-Nahe auf ddp-Anfrage am Mittwoch in Mainz.

Für Schulbücher würden aber pro Jahr bis zu 200 Euro für ein Kind fällig. Das Aktionsbündnis aus DGB, Elternverbänden und «Hartz IV»-Initiativen fordere deshalb von der Stadt Mainz, bedürftigen Kindern mit einer finanziellen Soforthilfe unter die Arme zu greifen.

«Schule kostet Geld. Geld, das Hartz IV-Familien nicht haben», sagte die Geschäftsführerin des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter in Rheinland-Pfalz, Monika Wilwerding. Im Regelsatz seien für Schreibwaren lediglich 1,64 Euro pro Monat vorgesehen. Das reiche gerade für Bleistift und Radiergummi, unterstrich Wilwerding. Auch ein Ansparen der benötigten Summen sei da nicht möglich. «Hartz IV» raube so den betroffenen Kindern Bildungschancen, kritisierte Hermann Stauffer von der Mainzer Initiative gegen «Hartz IV». Nach Angaben der Initiative leben in Mainz derzeit mehr als 4000 Kinder unter 15 Jahren von «Hartz IV», etwa die Hälfte ist im schulpflichtigen Alter.

Das Aktionsbündnis fordert deshalb vom Land die Einführung einer allgemeinen Lernmittelfreiheit. Die derzeitigen Gutscheine für Schulbücher reichten nicht aus. Zusätzlich müsse die Stadt den Schulkindern helfen. Schmitt kritisierte, das Bündnis habe auf die Probleme bereits vor den Ferien hingewiesen, die zuständige Mainzer Sozialdezernentin Birgit Collisi wolle sich aber erst im September mit dem Aktionsbündnis zu einem Gespräch treffen.

(ddp)

Schülersoforthilfe-Kundgebung

Am 15. August 2007 führen wir – als Aktionsbündnis zur Finanzierung von Schul- und Bildungsbedarfen bei Kindern von Arbeitslosengeld-II-EmpfängerInnen – ab 12 Uhr auf dem Kardinal-Volk-Platz (am innerstädtischen Ausgang der Römerpassage) eine Kundgebung für ein städtisches Soforthilfeprogramm zum nächste Woche beginnenden Schuljahr durch. Wir wollen die Bevölkerung auf das Problem aufmerksam machen, dass Kinder von Arbeitslosengeld-II-EmpfängerInnen aufgrund des reduzierten Regelsatzes kaum ihre Lehr- und Lernmittel (Bücher, Schulranzen, Schreib- und Malsachen, Taschenrechner, etc.) bezahlen können.Zusätzlich muss die Presse erfahren, dass Verwaltung und Politik der Stadt Mainz sich aufgrund unserer Initiative der Dringlichkeit des Problems wohl bewusst sind, jedoch nicht in diesem Sinne reagiert haben, und dass die Sozialdezernentin, Frau Collisi, uns erst Mitte September einen Gesprächstermin offeriert hat. Dieser Termin ist nicht etwa am Gegenstand orientiert, sondern an Urlaubsplänen bestimmter Abteilungsleiter ihrer Behörde…

Das Mainzer Aktionsbündnis fordert Taten!

Nächste Woche beginnt das neue Schuljahr.Das Mainzer Aktionsbündnis zur Finanzierung von Schul- und Bildungsbedarfen bei Kindern von Arbeitslosengeld II EmpfängerInnen hat schon vor der Sommerpause sowohl die Sozialdezernentin der Stadt Mainz als auch die Stadtratsfraktionen auf die unhaltbare Situation von Schulkindern aus einkommensschwachen Familien hingewiesen. Passiert ist bis heute allerdings nichts.

Um die Chancen von Kindern aus einkommensschwachen Haushalten zu verbessern, hatte das Bündnis einen kommunalen Schulmittelfonds gefordert. Aus dem Fonds sollen die Kosten für die zum Schulbeginn notwendigen Schulsachen wie Ranzen, Füller, Hefte und Bücher erstattet werden, solange eine langfristig geforderte eigenständige Kindergrundsicherung auf Bundesebene und eine umfassende Lernmittelfreiheit auf Landesebene nicht für bildungsfreundliche Verhältnisse für alle sorgen. Hier muss die Stadt Mainz mit einer schnellen und unbürokratischen Soforthilfe vor Ort einspringen.

“Die Schulsachen werden jetzt zum Schuljahresbeginn gebraucht, die Kinder können nicht warten“, so Dr. Gisela Hilgefort, Geschäftsführerin der pro familia Mainz.

Andere Städte gehen mit gutem Beispiel voran: Oldenburg gewährt eine kommunale Schulbeihilfe in Höhe von 50 Euro pro Schulkind und Schuljahr, Chemnitz 25 Euro. In Osnabrück gibt es 50 Euro zum Beginn des 1., 5. und 11. Schuljahres. In Göttingen und im Landkreis Dahme-Spreewald in Brandenburg beträgt die Beihilfe 80 Euro für jedes Kind, das eingeschult wird, in München 100 Euro.

Alternativ zum kommunalen Schulfonds wäre auch eine Extra-Beihilfe zum Schuljahresbeginn durch das Job-Center für Arbeitsmarktintegration denkbar. Das Job-Center, das gemeinsam von der Stadt Mainz und der Arbeitsagentur Mainz betrieben wird, könne im Rahmen der bestehenden Bundesgesetze Darlehen zum Schuljahresanfang gewähren und die Rückzahlung des Darlehens erlassen. „Das Job-Center sollte dieses Darlehen mit Null-Tilgung aber großzügig gewähren, um Kindern aus armen Haushalten sofort und bereits zu diesem Schuljahr zu helfen“, meint Wolfgang Kron, Vorsitzender des DGB Rheinhessen-Nahe.

Kinderarmut gebe es leider auch in Mainz reichlich, so der Verein Armut und Gesundheit. Ihre Bekämpfung dürfe kein Lippenbekenntnis bleiben, sondern müsse an den Ursachen ansetzen. Das Aktionsbündnis erwartet von den Fraktionen im Stadtrat, dass sie sich rasch dem Problem stellen.

Insbesondere für die kleinen ABC-Schützen ist der erste Schultag ein aufregendes Ereignis, auf das sie sich freuen. Für Eltern ist die Einschulung eine teure Sache: Die Grundausstattung für ein Schulkind mit Ranzen, Mäppchen, Farbkasten, Sportschuhen usw. kostet zwischen 180 und 200 Euro.

Schule kostet Geld und daher brauchen Eltern Geld. Hartz-IV-Familien, aber auch Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit geringem Einkommen können dieses Geld einfach nicht aufbringen. Im Hartz-IV-Satz von monatlich 208 Euro für Kinder bis 14 Jahre sind überhaupt keine Ausgaben für Schulsachen vorgesehen, für den Posten „Schreibwaren im Allgemeinen“ lediglich 1,64 Euro. Damit ist nach einem Bleistift und einem Radiergummi Schluss. Das Päckchen Patronen muss im Laden liegen bleiben. Ein Ansparen der benötigten Summen – wie es Hartz-IV-EmpfängerInnen nahe gelegt wird – ist angesichts eines solch astronomisch erscheinenden Betrags, wie er erst für einen Schulranzen fällig wird, nicht möglich.

Helfen Sie den Schulkindern jetzt!

Mitglieder des Aktionsbündnisses zur Finanzierung von Schul- und Bildungsbedarfen sind: Armut und Gesundheit in Deutschland e.V., DGB Rheinhessen-Nahe, Mainzer Initiative gegen HARTZ IV, Verband Alleinerziehender Mütter und Väter, LV RLP, und pro familia Mainz.

Das neue Schuljahr mit Sozialgeld?

Nach Paragraph 28 SGB 2 Absatz (1) erhalten “nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld (…). (…) 1. Die Regelleistung beträgt bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 60 vom Hundert und im 15. Lebensjahr 80 vom Hundert der nach Paragraph 20 SGB 2 Abs. 2 maßgebenden Regelleistung [zur Sicherung des Lebensunterhalts] (…).” Da die Regelleistung seit dem 1. Juli 2007 auf 347 Euro (vorher: 345 Euro) erhöht wurde, erhalten Kinder in “Bedarfsgemeinschaften” erwerbsfähiger Hilfebedürftiger

  • bis zum 14. Geburtstag 60 Prozent der Regelleistung, also 208 Euro,
  • bis zum 15. Geburtstag 80 Prozent der Regelleistung, also 278 Euro,
  • und ab dem 15. Geburtstag wie sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft 80 Prozent der Regelleistung, also 278 Euro.

Kindergeld, das selbst superreichen Eltern für das Existenzminimum ihrer Kinder zusteht, wird ALG-II-Empfängern als zusätzliches Einkommen voll angerechnet, sodass sie dieses Geld niemals zu Gesicht bekommen. Der Betrag von 208 bzw. 278 Euro soll also für Essen, für die Winterschuhe, für Spielzeug und für vieles mehr reichen.

Wir bezweifeln dies. Eine Arbeitslose müsste lange sparen, um z. B. mit den vorgesehenen 4,40 Euro/Monat die benötigten Sportschuhe oder mit den vorgesehenen 9,12 Euro/Jahr geeignetes Spielzeug oder mit den vorgesehenen 2,51 Euro/Tag ausreichendes und gesundes Essen zu kaufen.

Noch schlimmer sieht es mit dem Geld für Schulsachen aus. Denn von den 208 Euro ist kein einziger Cent für Schulsachen vorgesehen. Die Ausgaben für Bildung wurden komplett gestrichen, als die Höhe des ALG II festgelegt wurde. Für Schreibwaren im Allgemeinen sind von den 208 Euro monatlich 1,63 Euro vorgesehen. Dafür bekommt man gerade mal einen Bleistift und einen Radiergummi. Aber was, wenn ein Zirkel oder ein neuer Schulranzen, ein Mäppchen oder ein Taschenrechner gebraucht werden? Von den Schulbüchern und Arbeitsheften ganz zu schweigen.

Bei der Einschulung in eine städtische Grundschule sind z.B. im vergangenen Jahr für ein Kind folgende Kosten entstanden:

  • Bücher und Arbeitshefte gemäß der von der Schule vorgegebenen Liste: 56,57 Euro. (Dafür hätte übrigens der Lernmittelgutschein gemäß der Landesverordnung über die Lernmittelfreiheit nicht gereicht, selbst dann nicht, wenn man die für das Schuljahr 2007/08 erhöhten Beträge zugrunde gelegt hätte. Danach liegt der Grundbetrag für Kinder in der 1. Klasse bei 50 Euro, wovon Familien mit nur einem oder zwei Kindern nur 75 % erhalten.)
  • Hefte, Mappen, Malblöcke, Schere, Radiergummi, Stifte, Malkasten, Knete etc. gemäß der Materialliste der Schule: 60 Euro.
  • Schulranzen, Turnbeutel, Mäppchen: 40 Euro.
  • Klassenkasse (Kopierkosten und Ausgaben für weiteres pädagogisches Material): 30 Euro.

In diesen Ausgaben sind noch nicht die Kosten für die Turnkleidung, die Turnschuhe oder gar eine Schulspeisung enthalten.

Für die Inanspruchnahme von Mehrbedarfen muss man schon alleinerziehend sein. Einmalige Beihilfen, wie sie noch in der alten Sozialhilfe geleistet wurden, sind aus dem schulischen Blickwinkel nur noch für mehrtägige Klassenfahrten schulpflichtiger Kinder vorgesehen; beim Erstbezug einer Wohnung gibt es Beihilfen, nicht aber bei der Einschulung für die Schultüte und deren Inhalt.

Wir fragen uns, von was Hartz-IV-Eltern diese Kosten bezahlen sollen. Ein “Ansparen” jedenfalls ist angesichts der oben genannten Zahlen kaum möglich.

Es ist bereits statistisch nachgewiesen, dass gerade Kinder armer Eltern auch bei der Bildung benachteiligt werden und damit dauerhaft in Armut bleiben. Armut in frühen Kindertagen ist vielfach prägend für längere Zeiten und geht oft mit vielfältigen Benachteiligungen einher. Arme Kinder haben oftmals mehr gesundheitliche Beeinträchtigungen und ihnen bleiben oftmals erfolgreiche Bildungswege verschlossen. Bundesweite Untersuchungen zeigen, dass dreieinhalb Mal so viele arme Kinder wie nicht arme Kinder bereits in der Grundschule eine Klasse wiederholen. Mehr als jedes dritte Kind, das arm ist, bleibt sitzen.

Es ist ganz offensichtlich, dass es um die Bildung von Hartz-IV-Kindern, die mit ihren Eltern von ALG II oder Sozialgeld leben müssen, schlecht steht und dies oftmals die Weichen für ihr späteres Leben stellt. Chancengleichheit ist so nicht möglich. Wenn überhaupt, strebt “Chancengleichheit” in die umgekehrte Richtung: Mit immer mehr Kindern ohne ausreichende Lernmittel werden auch die schulischen Leistungen im Klassenschnitt absinken und ganze Klassenverbände dem geforderten Niveau hinterher hinken.

Der Stadtrat Oldenburg hat vor dem Hintergrund dieser Problemlage für 2007 einen kommunalen Fonds für Schulmaterialien in Höhe von 200.000 Euro in seinen Haushalt eingestellt. Im folgenden Jahr soll dieser Fonds sogar auf 400.000 Euro erhöht werden. Dabei rechnet man in Oldenburg mit 4.000 Bedürftigen.

In Mainz lebt mehr als jedes sechste Kind unter 15 Jahren unter Hartz-IV-Bedingungen. Dies sind 4.346 Kinder unserer Stadt, die arm sind (entsprechend einer Quote von 17,7 Prozent; Stand: Dez. 2006). Von ihnen sind mehr als 2.000 im schulpflichtigen Alter.

Ein Aktionsbündnis zur Finanzierung von Schul- und Bildungsbedarfen, bestehend aus Armut und Gesundheit in Deutschland e.V., dem DGB Rheinhessen-Nahe, der Mainzer Initiative gegen HARTZ IV, der Landesverband RLP des Verbandes Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) und pro familia Mainz, hat die Mainzer Stadtratsfraktionen und Sozialdezernentin Birgitt Collisi aufgefordert,

  • dem Beispiel Oldenburgs zu folgen und Kindern von Mainzer ALG-II-Empfängern und Geringverdienern eine unbürokratische Soforthilfe zum nächsten Schuljahr zur Verfügung zu stellen,
  • sich auf Landesebene für eine in Rheinland-Pfalz längst überfällige, umfassende Lernmittelfreiheit einzusetzen und
  • auf Bundesebene für eine eigneständige Kindergrundsicherung als einzig mögliche Gewährleistung von tatsächlicher Chancengleichheit von Kindern einzutreten.

zur Pressemitteilung des DGB Rheinhessen-Nahe:
Ohne Schulsachen lernt’s sich schlecht – Kein Geld für Schul- und Lernmittel bei Kindern von ALG-II Empfänger/inne/n – Mainzer Aktionsbündnis fordert Stadt zum Handeln auf
zum Artikel der “Allgemeinen Zeitung”, Mainz:
Bündnis fordert Lehrmittelfreiheit – Kritik an Hartz IV – Mittel für Schulbedarf fehlen