Die vom Koordinierungsforum der Mainzer Arbeitsloseninitiativen veranlasste Jeden-Monat-Demo findet am dritten Mittwoch jeden Monats statt. Sie beginnt um 12 Uhr bei ver.di am Münsterplatz und zieht über Große Bleiche und Lotharpassage zum Gutenbergplatz, wo die Abschlusskundgebung durchgeführt wird. Themen und Ausrichter der Abschlusskundgebung wechseln. Im Koordinierungsforum treffen sich der ver.di Erwerbslosenausschuss, die Mainzer Initiative gegen Hartz IV, die Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiative Mainz e. V. (ESHI) und DIE LINKE. Mainz-Stadt.
Am 19. August 2009 war die Jeden-Monat-Demo dem Kampf gegen das asoziale Elterngeld gewidmet. Das Elterngeld hat das Erziehungsgeld abgelöst – und viele Leute, selbst Eltern scheinen das auch noch gut zu finden! Hier hat die Aufklärung ganz offensichtlich völlig versagt…
Hier das Skript der Rede zur Abschlusskundgebung von Manfred Bartl:
Liebe Eltern!
Liebe solidarisch Interessierte!
Liebe Gesellschaftspolitiker!
Die schwarz-rote Bundesregierung hat die Förderung von Elternreformiert und das alte Modell Erziehungsgeld durch ein – paradigmatisch völlig neues- Elterngeld ersetzt.
Das Beste, was wir aus unserer Sicht gerade noch darüber sagen können, ist, dass es nicht – wie das Kindergeld – auf Hartz IV angerechnet wird.
Ansonsten gilt für das Elterngeld dasselbe wie für praktisch jede “Reform” der letzten acht Jahre unter Rot-Grün und Schwarz-Rot: Der ursprünglich positiv belegte Begriff Reform wird durch die politischen Katastrophen systematisch diffamiert und zersetzt.
Während andere solche “Reformen” unmittelbar zu Protesten aller gerecht und billig denkenden Menschen führten, ist es um das Elterngeld verdächtig still. Meine in meinem Weblog veröffentlichten Erkenntnisse über das Elterngeld nach einem Jahr wurden dankbar von den NachDenkSeiten aufgegriffen und führten auch auf meinen Webseiten zu extrem hohen Zugriffen. Trotzdem scheint diese Jeden-Monat-Demo die erste Demonstration gegen das Elterngeld zu sein. Das Wissen um diese skandalöse Umverteilungsmaschine von Arm zu Reich scheint sich nicht besonders verbreitet zu haben in der Gesellschaft. Dabei sollte einiges davon doch wenigstens den Antragstellern bei Beantragung des Elterngeldes auffallen:
Das entscheidende Faktum nach einem Jahr Elterngeld ist der Schlag vor den Kopf derjenigen, die – aus welchen Gründen auch immer – keinen Nettoverdienst vorweisen können und jetzt Eltern werden. Sie erhalten wie zu Zeiten des alten Erziehungsgeldes 300 Euro im Monat – aber nur für 1 Jahr statt wie zuvor für 2 Jahre! Dies betrifft (nach einem Jahr des neuen Modells) 42 Prozent der Antragsteller. Mindestens etwa 56 Prozent haben gegenüber dem Erziehungsgeld Nachteile hinzunehmen. Nochmal das Fazit: Mehr als die Hälfte der Elterngeld-Leistungsberechtigten wird gegenüber dem Erziehungsgeld benachteiligt, und der überwiegenden Mehrheit dieser Benachteiligten wird die Leistung gegenüber dem Erziehungsgeld glatt um die Hälfte gekürzt!
An diesem Punkt möchte ich kurz innehalten und noch einmal darauf hinweisen, dass es beim Elterngeld um die Förderung von Eltern zwecks Förderung der Kinder geht. Eltern sollen in ihrer Verantwortung für ihre Kinder gestärkt werden. Kinder bekommt man nicht (mehr) völlig ungeplant, aber einen absoluten Einfluss auf den Zeitpunkt hat man nach wie vor nicht. Auch hat man kaum einen Einfluss auf das Gehalt, wen man denn gerade arbeitet. Der Lohn als Form der marktwirtschaftlichen Kaufkraftverteilung ist aber qualitativ (was man an der Massenarbeitslosigkeit erkennt) und quantitativ (wie man am Realeinkommensverlust der Arbeitnehmer selbst im Aufschwung erkennt) eine Machtfrage. Wir Arbeitnehmer tun derzeit so, als hätten wir keine Macht. Warum eigentlich?
Leider scheint das auch so zu bleiben, wenn man – wie ich den den letzten Wochen – immer wieder Altern antrifft, die das Elterngeld in dieser Form für richtig und die verringerte Förderung für einkommensschwache oder einkommenslose Eltern für deren Problem halten. Sie hätten ja – wie sie – für ein Einkommen sorgen können. Beziehungsweise diese Eltern fühlen sich für ihren gesellschaftstragenden Einsatz auf Arbeit mit dem Elterngeld – von dem sie (individuell zu) profitieren (scheinen) – belohnt. Dazu bringe ich ein Wort von Erich Kästner, das für diese Eltern passt:
Was auch geschieht –
nie sollt ihr so tief sinken,
von dem Kakao, durch den man euch zieht,
auch noch zu trinken.
Es kann nicht – und schon gar nicht unter Erwerbspersonen – darum gehen, dass Eltern für ihre momentane Erwerbsarbeitssituation (doppelt) bestraft werden! Gerade in der Krise, in der ohnehin benachteiligte Niedriglohnkräfte als erste gefeuert werden, und ihr ohnehin nicht leistungsgemäßes Einkommen verlieren, führen solche Umverteilungsmaßnahmen von Arm zu Reich in einen noch schlimmeren Absturz, weil der nächsten Generation systematisch gleich jede Startchance vermasselt wird.
Forderung muss daher sein, dass die Elternförderung insgesamt wirklich ausgebaut wird, was mit dem Elterngeld in der Summe bislang nicht geschehen ist.
Die Elternförderung muss zum Zweck des gesellschaftlichen Ausgleichs besonders denen zugute kommen, die aus eigenen – von der Gesellschaft eingeschränkten – Mitteln nicht ausreichend beitragen können.
Um die Wahlfreiheit der Kinderförderung sicherzustellen, muss die Elternförderung auch die Zeiten besonderer elterlicher Anstrengungen abdecken, also wenigstens 2, besser 3 Jahre umfassen, bis die Kinder üblicherweise in den Kindergarten eintreten.
Mittelfristiges Ziel muss es sein, dass die Verteilung der Arbeit und damit die Verteilung des Einkommens gerechter werden, damit ein zeitlich ausgebessertes Elterngeldsystem mit seinem Bezug zum letzten Nettolohn selbst in gerechter Weise zur Anwendung kommen kann.
Dann – und nur dann – haben alle Eltern die Chance, ihrer großen Verantwortung gerecht zu werden.