Mainzer Jeden-Monat-Demo im Juli gegen die Krisenfolgen

Die vom Koordinierungsforum der Mainzer Arbeitsloseninitiativen veranlasste Jeden-Monat-Demo findet am dritten Mittwoch jeden Monats statt. Sie beginnt um 12 Uhr bei ver.di am Münsterplatz und zieht über Große Bleiche und Lotharpassage zum Gutenbergplatz, wo die Abschlusskundgebung durchgeführt wird. Themen und Ausrichter der Abschlusskundgebung wechseln. Im Koordinierungsforum treffen sich der ver.di Erwerbslosenausschuss, die Mainzer Initiative gegen Hartz IV, die Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiative Mainz e. V. (ESHI) und DIE LINKE. Mainz-Stadt.

Am 15. Juli 2009 war die Jeden-Monat-Demo der Frage gewidmet, was die Finanz- und Wirtschaftskrise mit “Hartz-IV-Empfängern” zu tun habe. NICHTS! Sie sind auch weiterhin einzig und allein Betroffene und Opfer!
Hier das Skript der Rede zur Abschlusskundgebung [nicht von Manfred Bartl]:

Liebe Freunde, Bürger von Mainz!Wir demonstrieren gemeinsam gegen eine Situation in Deutschland, die wir als unrecht empfinden.

Das Hartz-IV-Gesetz ist ein Teil davon. Ein wichtiger Teil.

Ich danke allen, die sich heute hier zusammengefunden haben und sich damit für mehr Gerechtigkeit in diesem Land einsetzen.

Menschen in Hartz IV sind nicht die Sorge der Regierung.

Der Krise gilt die ganze Sorge. Die Krise muss überwunden werden.

Haben WIR, die wir hier heute demonstrieren, die Krise verursacht?

Verursacht die steigende Zahl von Menschen ohne Arbeit die Krise?

Nein, Arbeitslosigkeit ist Folge der Krise.

Die Krise ist Folge des Systems, ebenso wie die sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich Folge des Systems ist – bei uns in Deutschland und auf der ganzen Welt. Unser Wirtschaftssystem erlaubt die Ausbeutung von Menschen.

Angeblich profitieren alle am meisten von einem System, welches sehr wenige superreich macht. – Wie sähe eine Welt aus, in der von allen geschaffene Werte gleichmäßiger verteilt würden? Das Hartz-IV-Gesetz hilft dabei nicht! Es hilft den Unternehmen.

Unternehmen profitieren von hohen Arbeitslosenzahlen.

Unternehmen sind Shareholdern verpflichtet – nicht ihrer Belegschaft.

Der Zwang des Wettbewerbs, schwierige Marktsituationen etc. legitimieren Entlassungen, Lohnsenkungen, Arbeitszeiterhöhungen ohne Ausgleich – was auch immer opportun erscheint.

Es wird gesagt: Wettbewerb bringt uns weiter, Wettbewerb sorgt für höhere Effizienz, Wettbewerb trägt zur Zukunftssicherung des Standortes Deutschland bei.

Wettbewerb der sich fortsetzt bis zu jeder einzelnen Stelle auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahl derer, die unverschuldet zurück bleiben, steigt.

Deswegen tragen wir heute dieses Transparent.

Wird Armut gegen Reichtum aufgewogen?

Wird Armut leichter, wenn Reichtum zunimmt?

Nein! In unserem heutigen System – führt die Ansammlung, die Akkumulation, die Konzentration von Reichtum in den Händen weniger Menschen, immer und unausweichlich zu einer Zunahme der Armut – hier in Mainz, in Deutschland, in China, in Nordamerika, in Afrika, überall auf der Welt. Es geht uns nicht besser, wenn die Reichen reicher werden.

Die Märkte brechen von unten weg. Die Milliarden, der Reichtum wird dem Markt, uns allen entzogen. Dadurch verlieren wir, als Gesellschaft, ein enormes Potential für die Schaffung neuer Werte. Unser Staat verschuldet uns, mit dem Ziel das System der Geldakkumulation, der Profitmaximierung zu retten – Geld und Bürgschaften für Banken, damit Unternehmen Kredite bekommen. Wer profitiert – wenn es funktioniert? Wieder die Reichen. Die Unternehmen werden investieren um Personalkosten zu senken. Das verlangt der Wettbewerb – und die Last der Kredite. Wir verdanken dem Wettbewerb die Automatisierung von Arbeitsprozessen. Wir verdanken dem Wettbewerb die Verlagerung von Produktionen, in Länder, in denen Menschen für fast nichts arbeiten, in denen Kinder arbeiten, in denen Umweltauflagen weniger streng sind. Die Produkte werden deswegen nicht billiger verkauft – die so genannte Wertschöpfung steigt. Shareholder kassieren Gewinne! Ausbeutung auf Seite der Produktion, Übervorteilung auf Seite der Konsumenten – alles nur Aspekte eines globalen Systems, weswegen wir heute hier stehen und protestieren.

Hartz IV ist ungerecht. Hartz IV ist unfair. Bei der Umsetzung des Hartz IV Gesetzes wird gegen Menschenrechte verstoßen. Für Deutschland sind 359 Euro für einen Erwachsenen zum Leben – ein Armutszeugnis, eine Bankrotterklärung der Gesellschaft. Für was reichen 359 Euro im Monat? Essen, Kleidung, Strom, Hygiene, Warmwasser, Telefon, Mobilität? Einem Teenager stehen 251 Euro zu – Kindergeld gibt es nicht! 251 Euro für alles von Klopapier bis zu Schulheften, Büchern, Sportschuhen… Für einen Teenager gibt es 251 Euro – je nach Alter 36 Euro mehr oder weniger. Das ist für alles vom Klopapier bis zu einem Paar neuer Schuhe. Telefon, Vergessen Sie Dinge wie Essen gehen, Kino, Theater, Konzerte, Museen. Schon für ein Glas Sprudel mit Freunden in der Kneipe wird es knapp. Sie wollen sich weiterhin versichern? Private Haftpflicht ist sicher sinnvoll – darüber hinaus? Streichen Sie Zeitungsabo, Friseur, Kosmetika, Zeitschriften – überflüssig… Ihre Kinder wollen Schwimmen gehen? – Ein mal im Monat. Sportverein? – Musikschule? – Was denn noch alles? Das ist für Hartz-IV-Kinder nicht vorgesehen. Am Essen sparen können Sie auch nicht mehr. Es reicht kaum. Zum Glück gibt es bald überall Tafeln! Was Sie auch machen – das Geld reicht nicht.

Ein Auto darf man behalten, wenn es weniger als 6.000 Euro wert ist – ist aber nicht zu finanzieren, Steuer, Reparaturen, Sprit – geht nicht. Bleiben Bus und Bahn? Das Sozialticket kostet in Mainz 49,50 Euro pro Monat. 17 Euro für Mobilität sind in den 359 Euro vorgesehen. Ist hier halt teurer. Bleibt das Fahrrad – für den, der kann.

Ansonsten sitzen Sie mit Hartz IV fest. In jedem Sinne des Wortes.

Das alles ist nicht gerecht! Es liegt in der Verantwortung der Gesellschaft, sich um alle Menschen zu kümmern. Dafür zu sorgen, dass jeder die Möglichkeit bekommt, sein Leben sinnvoll zu gestalten und einer dem Standard der Gesellschaft angemessenen Form zu leben. Die Gesellschaft ist verantwortlich und muss dafür sorgen, dass Kinder nicht benachteiligt werden. Warum erkennt die Gesellschaft Menschen ohne Arbeit nicht als Chance?

Wie kann ein Volk sich freiwillig einem System unterordnen, welches allein der Anhäufung von Reichtum in den Händen weniger dient?

Der Preis dafür sind immer mehr Neuarme?

Neuarme sind Menschen, die Jahrzehnte gearbeitet haben, die gespart haben, die Beiträge bezahlt haben, die ihre Steuer ohne Abzüge bezahlt haben, bis sie aus Gründen einer Effizienzsteigerung arbeitslos wurden.

Früher waren wir für solche Fälle abgesichert. Heute stehen Arbeitslose unter dem Generalverdacht der Arbeitsverweigerung und das Arbeitslosengeld endet nach 12 Monaten. Es folgt die große Prüfung der Verhältnisse: einmal alle Taschen leeren, bitte!

Sind Sie arm genug, um Anspruch auf Hilfe zu haben? Ist ihre Wohnung klein genug?

Sie hatten für eine Immobilie gespart Sie hatten wirklich ernsthaft für Ihre Rente gespart?

Verabschieden Sie sich von dem Traum. Dann hätten Sie halt nicht arbeitslos werden dürfen. Wenn Sie ihren bisherigen Lebensstil beibehalten, werden Ihre Ersparnisse schnell auf das erlaubte Schonvermögen verbraucht sein und Sie können erneut Ihren Antrag stellen. Stellen Sie ihren Antrag nicht zu früh – ab Antragstellung gilt für Sie die Hartz-IV-Regel. Sie müssen alles tun, um Ihre Bedürftigkeit zu vermeiden. Dazu gehört, dass Sie sich bereits jetzt einschränken und Ihre Ausgaben auf Hartz-IV-Niveau senken!

Haben Sie für ihre Familie mit zwei Kindern mehr als 120 qm? Zu groß! Geht nicht! Leben Sie allein – mit Sohn oder Tochter – auf mehr als 60 qm? Geht nicht. Suchen Sie sich etwas Kleineres! Die Wohnung ist klein, aber zu teuer? Geht auch nicht. Orientieren Sie sich am Mietspiegel!

Nach dem Gesetz ist es den Behörden erlaubt, in Ihrer Wohnung nach Wohlstand zu suchen. Es gibt unangemessenen Wohlstand – wenn Sie sich vom Staat helfen lassen wollen. Der Staat garantiert minimale Teilhabe – nach staatlicher willkürlicher Definition. Unangemessene Wohnungsausstattung, Kleidung, Bücher – ja, sogar Bücher – müssen Sie verwerten.

Bemühen Sie sich ausreichend um eine neue Stelle?

Sie erhalten nur dann die Existenzsicherung zur minimalen Teilhabe, wenn Sie alle Ihre Möglichkeiten erschöpft haben. Natürlich gehört dazu Ihre Bereitschaft jede (!) sich Ihnen bietende Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit anzunehmen. – Auch wenn der Lohn so gering ist, dass Sie weiter auf Unterstützung angewiesen sind.

Natürlich müssen Sie sich in allen Bereichen umsehen und bewerben. Erwarten Sie, dass Sie wieder etwas Ihrer Qualifikation, Ihrer Erfahrung, Ihrer Expertise entsprechendes finden? Darauf dürfen Sie nicht warten. Natürlich müssen Sie jedes Gehalt akzeptieren – wenn nicht, findet sich ein 1-Euro-Job, damit Sie nicht außer Tritt kommen.

Aber zunächst bekommen Sie nichts, denn Ihre Wohnung ist zu groß und zu teuer – Sie konnten es sich leisten -, und außerdem dürfen Sie als 40-Jähriger nicht mehr als 6.000 Euro Sparguthaben besitzen, für die Rente wird Ihnen eine Rücklage in Höhe von 10.000 Euro erlaubt, es muss aber entsprechend angelegt sein! Wenn Sie mehr als das haben, sind Sie nicht bedürftig. – Ja, wir fragen uns, wofür wir jahrelang in diese so genannte Arbeitslosenversicherung einzahlen. Dass man gegen Arbeitslosigkeit nicht versichern kann, ist klar. Aber dass man nach einem Jahr ohne Job bereits in die Armut fällt! Das war einmal anders in diesem Land.

Ist es schön, in einem Land wachsender Unausgeglichenheit reich zu sein?

Lassen sich die Zeichen steigender Armut ignorieren?

Verständlich, dass Superreiche sich nach attraktiven Enklaven umsehen, wo sie unter sich sind. Sie sind nicht verantwortlich für das System – sie haben davon profitiert – auch von der politischen Stabilität.

Was hält eine Gesellschaft zusammen? Vielleicht das Gefühl, dass es halbwegs gerecht zugeht. Sogar Tiere haben diesen Sinn für Gerechtigkeit!

Nehmt das Geld aus der Schale. Verteilt Geld, Werte, Besitz unter allen Menschen Lasst alle frei und aktiv untereinander handeln – und seht, wie gut es uns allen dann gehen wird!

Dafür demonstriere ich – heute, nächsten Monat und immer wieder – wie es mit uns und unserer Gesellschaft weiter geht, bestimmen wir – jeden Tag – indem wir etwas tun oder nicht tun! Jeder trägt seinen Anteil daran.

Es gibt einen besseren Weg!

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