Category Archives: Jeden-Monat-Demo

Die Mainzer Jeden-Monat-Demo findet am 3. Mittwoch jedes Monats statt.

Hauptsache Arbeit? fragt die Jeden-Monat-Demo

Die 13. Jeden-Monat-Demo am 19.05.2010 stellte die Gretchenfrage: Wieso “Hauptsache Arbeit”? Hier das Skript der Rede zur Abschlusskundgebung von Manfred Bartl:

Liebe Mainzerinnen und Mainzer!

Liebe gerade nicht Arbeitenden!

Hauptsache Arbeit?

Wir stellen Euch heute die Gretchenfrage. Nicht zuletzt ist dies unser Mittel, mit dem wir gegen den vom Neoliberalismus geprägten Zeitgeist demonstrieren. Hauptsache Arbeit?

Ich möchte die Frage konkretisieren. So ist schließlich das Programm derer gemeint, die bei Euch mit dem Slogan „Hauptsache Arbeit!“ hausieren gehen und Euch im heimischen Wohnzimmer davon überzeugen wollen, dass es toll wäre, wenn doch jeder eine Arbeit hätte, wenn jeder einen Arbeitsplatz hätte.

Hauptsache Arbeit?

Hauptsache Erwerbsarbeit??

Hauptsache irgendeine Erwerbsarbeit???

Kann man bei solchen Phrasen noch von einer aufgeklärten Gesellschaft sprechen?

Kann denn ausgerechnet Arbeit „die Hauptsache“ sein, also das, zu dessen Beseitigung Zivilisation und Kapitalismus – letzterer namentlich der Rationalisierung – angetreten sind?

Ist es denn ein Naturgesetz oder ein Sachzwang, dass andere Tätigkeiten wie Ehrenamt, Hausarbeit oder Kindererziehung gar nicht gelten?

Muss Erwerbsarbeit denn nicht sinnstiftend, existenzsichernd sowie gesellschaftlich und volkswirtschaftlich sinnvoll organisiert sein?

Wenn man in Hartz IV gerät und einen neuen Vollzeitarbeitsplatz sucht, ist das erste Anliegen des Jobcenters, den kommunalen Haushalt auf Kosten des Betroffenen zu sanieren: Bewilligungen zu verschleppen, ALG II so gering wie möglich auszuzahlen, Sanktionen auszusprechen.

Das zweite Anliegen des Jobcenters ist die Statistikbereinigung: Wer in Maßnahmen, Ein-Euro-Jobs oder schlicht beim privaten Jobvermittler geparkt ist, wird nicht mehr als Arbeitsloser gezählt und fällt aus der Statistik; in den Medien wird aber nicht die tatsächliche Arbeitslosenzahl vermeldet, sondern nur das derart gefälschte ILO-Konstrukt.

Neben den unrechtmäßigen Methoden des Jobcenters besteht die Möglichkeit, dass man in einen 400-Euro-Job „vermittelt“ wird, einen Mini-Job, der der gesuchten Vollzeitstelle natürlich nicht entspricht und der die Hilfebedürftigkeit nicht beseitigt, sondern nur reduziert; als „Aufstocker“ lassen die Repressalien des Jobcenters aber kaum nach.

Hauptsache Arbeit?

Vielleicht führt der 400-Euro-Job den Arbeitslosen zu einem Discounter an die Kasse. Dort muss man tagein, tagaus die Waren, die Kunden selbst auf das Transportband legen müssen, Stück für Stück am Scanner vorbeiführen, bis es piepst, und schlussendlich abkassieren. Nach gängigen Definitionen ist diese Tätigkeit weder produktiv noch eine Dienstleistung, auch keine gesellschaftlich relevante Vermittlungstätigkeit, da der einzige, der davon profitiert, der Besitzer des Discounters mit seiner stimmigen Bilanz ist, und damit keine Arbeit im eigentlichen Sinne. – Es ist daher auch zu begrüßen, dass Technik wie RFID-Chips als Ersatz für Barcodes diese Tätigkeit überflüssig machen wird; die Bilanz stimmt automatisch, sobald man – ohne jeden Zwischenstopp an einer Kasse – den Laden verlässt.

Hauptsache Arbeit?

Hat der Arbeitslose auf dem ersten Arbeitsmarkt keinen Erfolg, schickt ihn so mancher Fallmanager direkt in einen Ein-Euro-Job, obwohl der Ein-Euro-Job eine Integrations­maßnahme für Leute sein soll, denen – aus welchen Gründen auch immer – ein Kaltstart auf dem ersten Arbeitsmarkt ohnehin nicht gelingen würde. Hinterher hängt natürlich auch all jenen, die den Ein-Euro-Job nicht bräuchten, dieses Stigma an! Und das für ein paar Euro mehr im Monat und einen „geregelten Tagesablauf“ sowie das „Gefühl gebraucht zu werden“, das man sich genausogut im Ehrenamt verschaffen könnte. Hinzu kommt die volkswirtschaftliche Zerstörungskraft der Ein-Euro-Jobs: Das ARD-Magazin MONITOR zeigt am morgigen Donnerstag, den 20.05.2010 ab 22 Uhr den Beitrag „Gute Arbeit für wenig Geld: Wie Beschäftigungsmaßnahmen reguläre Jobs verdrängen“.

Hauptsache Arbeit?

Die neue Arbeitsministerin, die altbekannte „Zensursula“ von der Leyen, hat kürzlich angekündigt, Alleinerziehende „bevorzugt“ vermitteln zu wollen. Ich weiß nicht, wie es Euch dabei ergeht,

liebe Mainzerinnen und Mainzer,

aber ich verstand diese Ankündigung als Drohung! Glaubt jemand ernsthaft daran, dass Alleinerziehende – bei all ihrer unbezahlten Arbeit – nichts sehnlicher wünschen als die Vermittlung in noch mehr Arbeit, wahrscheinlich trotz Vollzeit schlecht bezahlte, womöglich sinnlose Erwerbsarbeit weitab von jeder Kinderbetreuung, von innerbetrieblicher Betreuung ganz zu schweigen?

Hauptsache Arbeit?

Jugendliche werden nach Abschluss der Schule immer häufiger ohne Lehrstelle und damit praktisch ohne jede Perspektive in Maßnahmen geparkt. Sind sie auf Hartz IV ange­wiesen, drohen Vollsperrungen durch das Jobcenter, wenn sie auch nur einen Jota von einer Route abweichen, die ihnen größtenteils aufgenötigt wurde. Und das, obwohl das Bundesverfassungsgericht das ALG II zur grundrechtlichen Garantie erhoben hat!

Hauptsache Arbeit?

Schließlich die Arbeitenden selbst. Wofür arbeiten sie? Einer Studie zufolge, befindet sich die Mehrheit der Arbeitenden im Zustand der inneren Kündigung, weil sie den Sinn ihrer Arbeit entweder für die Gesellschaft oder für sich selbst nicht (mehr) erkennen. Ihre Wertschöpfung wird ihnen zu einem großen Teil abgezogen, um damit soziologische – und von vornherein zum Scheitern verurteilte – Experimente wie die die Riester-Rente und die Kopfpauschale durchzuführen. Sie müssen mittels Hartz IV „Hilfebedürftige“ mittragen, die in ihrer Mehrheit per se gar nicht hilfebedürftig sind, sondern Opfer eines millionen­fachen Ausschlusses durch vorwiegend die Arbeitgeber, aber auch durch ihre Kolleginnen und Kollegen, die sich Arbeitszeitverlängerungen nahezu widerstandslos gefallen lassen, statt Arbeitszeit­verkürzungen durch­zusetzen. Sie müssen Banken retten, indem die Regierung die virtuellen Schuldenlöcher der Banken durch echtes Geld zu stopfen versucht. Mit einem Elterngeld in erklecklicher Höhe zockt Ihr nur die anderen Eltern ab, denen das Erziehungsgeld in Höhe von 300 Euro pro Monat über zwei Jahre im Zuge der Umstellung auf das Elterngeld auf 50 Prozent gekürzt wurde, weil sie dieselbe Summe nur noch ein Jahr lang beziehen. Meint Ihr immer noch:

Hauptsache Arbeit?

Wir sind der Meinung:

Hauptsache Leben!

Jeder Mensch ist frei, selbst herauszufinden, wie er sich in die Gesellschaft einbringen möchte, und jeder Mensch wird diesen Weg finden, wenn die Gesellschaft ihn darin bis zuletzt unterstützt. Wir pfeifen auf Chancengleichheit oder Chancengerechtigkeit! Wir sind alle gleich und wir alle brauchen Gerechtigkeit in jedem Moment unseres Lebens. Wo keine ist, werden wir sie erkämpfen! Und für den wirtschaftlichen Kreislaufprozess existiert bekanntlich die Lösung des bedingungslosen Grundeinkommens.

Woran es nicht mangelt, ist Lösungen. Was uns fehlt, ist Eurer Wille, endlich mit den etablierten Parteien zu brechen, die sich in einer Verkrustung aus Nihilismus, Opportunismus und Faschismus verheddert haben, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, und stattdessen Parteien zu wählen, die Politik machen wollen, und sich bei diesen Parteien oder als Einzelpersonen zu engagieren!

Überhaupt: „Hauptsache Arbeit?“

Fehlt Euch diese Arbeit eigentlich jetzt gerade eben?

Oder arbeiten wir etwa gerade eben? Arbeiten wir gemeinsam im Dialog an einer menschen­würdigen, lebenswerten Zukunft? Wenn es sich so verhält, freuen wir uns ganz besonders!

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!

Manfred Bartl
Sprecher der Mainzer Initiative gegen HARTZ IV

Aufruf zur 13. Jeden-Monat-Demo

Am 19. Mai demonstrieren wir gegen den durch Hartz IV, gegen die Agenda 2010 und ganz allgemein gegen den vom Neoliberalismus geprägten Zeitgeist. Wir stellen die Gretchenfrage: Hauptsache Arbeit?

Damit greifen wir auch das Thema vom 1. Mai wieder auf, das in der “Allgemeinen Zeitung” ins Gegenteil verkehrt wurde! Außerdem schien es uns, dass sich so viele Gelegenheiten wohl doch nicht ergeben haben, um über Arbeit, gute Arbeit, Arbeitszeitverkürzung sowie Arbeiterklasse und Gewerkschaft zu diskutieren?! Am 19. Mai 2010 sollten wir noch einen Anlauf wagen!

Die Jeden-Monat-Demo startet wie üblich um 12 Uhr auf dem Münsterplatz bei ver.di; die Abschlusskundgebung erwarten wir für 12:30 Uhr auf dem Gutenbergplatz vor dem Staatstheater.

Mainzer Jeden-Monat-Demo zur 1.-Mai-Mobilisierung

Am 21.04.2010 fand die Jeden-Monat-Demo zum zwölften Mal statt, womit das erste Jahr JMD abgeschlossen wurde. Hauptthema war die Verfassungsänderung zum Erhalt der ARGEn und die Mobilisierung zum 1. Mai des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auf dem Marktplatz (PDF).

Hier das Skript der Rede zur Abschlusskundgebung von Manfred Bartl:

Liebe Mainzer Arbeiterklasse!

Liebe Mainzer Erwerbspersonenklasse!

Liebe Mainzer Bürgerinnen und Bürger!

Am 20. Dezember 2007 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts Hartz IV-Arbeitsgemeinschaften mit der Verfassung für nicht vereinbar erklärt, weil die Arbeitsgemeinschaften, die der Bund einerseits (mit der Bundesagentur für Arbeit) und die Länder bzw. in der Auftrag die Kommunen (mit ihren Sozialämtern) nach SGB II einzugehen hätten, eine unzulässige Mischverwaltung darstellten.

Die klagenden Landkreise und Kreise hatten beanstandet, dass mit den Arbeitsgemeinschaften ohne sachlichen Grund eine Mischverwaltung aus Bundes- und Landesbehörden gebildet worden. Dies diene allein als finanzielles Kompensationsmodell für den Bund. Die Experimentierklausel (Paragraph 6a SGB II: Optionskommunen) zeige, dass eine Mischverwaltung nicht zwingend oder sachlich geboten sei. (Randziffer 99) Die mehrfache Aufsicht über die Arbeitsgemeinschaften spiegelt jedoch die problematische Zwischenstellung der Arbeitsgemeinschaften als Mischverwaltung einer Bundesbehörde und einer staatsorganisationsrechtlich den Ländern zuzuordnenden kommunalen Behörde wider. (189) Die geschaffene Form der Mischverwaltung verletze wegen der unzureichenden aufsichtsrechtlichen Durchformung das Demokratieprinzip. Die Arbeitsgemeinschaften seien privatrechtlich organisierte Beliehene, für die eine Fachaufsicht nicht ausreichend sichergestellt sei. (104) Die Kommunen müssten die Wahrnehmung der Aufgaben [in Bezug auf die Kosten der Unterkunft und Heizung] an die Arbeitsgemeinschaften übertragen, obwohl sie Aufgabenträger und damit finanzierungsverantwortlich blieben. Das widerspreche Art. 104a Abs. 1 GG, der die Ausgabenlast an die Wahrnehmung, nicht an die Trägerschaft knüpfe. [Damit] sei eine unzulässige Mischverwaltung entstanden. (81)

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber bis Ende des Jahres 2010 Zeit gegeben, einen verfassungsgemäßen Zustand der Grundsicherungsverwaltung herzustellen.

Statt dass der Gesetzgeber nun diese unzulässige Mischverwaltung dauerhaft aufheben würde, will die schwarz-gelbe Regierungskoalition in Berlin einen Artikel 91 e ins Grundgesetz aufnehmen, um die dem Geist des Grundgesetzes nach unzulässige Mischverwaltung zulässig zu machen, frei nach dem Motto: „Was nicht passt, wird passend gemacht“. Nicht das als mit der Verfassung nicht zu vereinbarende Gesetz wird geändert, sondern das Grundgesetz wird an das ARGE-Chaos angepasst!

Der geplante Artikel 91 e im Wortlaut:

(1) Bei der Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende wirken Bund und Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände in der Regel in gemeinsamen Einrichtungen zusammen.
(2) Der Bund kann zulassen, dass eine begrenzte Anzahl von Gemeinden und Gemeindeverbänden auf ihren Antrag und mit Zustimmung der obersten Landesbehörde die Aufgaben nach Absatz 1 allein wahrnimmt. Die notwendigen Ausgaben einschließlich der Verwaltungsausgaben trägt der Bund, soweit die Aufgaben bei einer Ausführung von Gesetzen nach Absatz 1 vom Bund wahrzunehmen sind.
(3) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Ich war schon drauf und dran, mich wenigstens soweit zu beruhigen, dass die Grundgesetzänderung sich wenigstens auf das Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende beschränkt und somit nicht allen möglichen Mischverwaltungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen Tür und Tor öffnet, als ich feststellte, dass der Artikel 91 e nicht alleine steht und einige, ebenfalls neu ins Grundgesetz eingefügte Geschwister hat, die genau das bewirken sollen: Artikel 91 c GG zu verwaltungsinternen Dienstleistungen und Artikel 91 d GG über die informationstechnische Zusammenarbeit, denen Wolfgang Schäuble im Zuge der Föderalismusreform „besondere Bedeutung“ beimisst!

Es ist allerdings fraglich, wie ein zusätzlicher Artikel im Grundgesetz die vom Gericht angemahnte Verfassungskonformität der SGB-II-ARGEn überhaupt herstellen soll, wenn das Urteil bei höheren Prinzipien ansetzt und sie nicht nur deswegen für verfassungswidrig hält, weil gerade mal kein explizit diese Mischverwaltung legalisierender Artikel vorhanden ist. Da heiß es im Urteil nämlich: Eine hinreichend klare Zuordnung von Verwaltungszuständigkeiten ist vor allem im Hinblick auf das Demokratieprinzip erforderlich, das eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern fordert und auf diese Weise demokratische Verantwortlichkeit ermöglicht. (…) Der Bürger muss wissen können, wen er wofür – auch durch Vergabe oder Entzug seiner Wählerstimme – verantwortlich machen kann. (Randziffer 159)

Wir fordern:

Stoppt den Grundgesetz-Murks, mit dem Ihr den ARGE-Murks legalisieren wollt!

Keine Grundgesetzänderung wegen schlechten Gesetzen, die ohnehin abgeschafft gehören!

Keine weiteren Diskussionen um periphere Aspekte von Hartz IV!
Hartz IV ist Armut per Gesetz und muss weg!

Unsere Dauerbrenner sind zwei grundsätzlich verfehlte SGB-II-Konzepte, die obendrein viel zu oft missbraucht werden bzw. schlicht verfassungswidrig sind: Ein-Euro-Jobs und Sanktionen!

Ein-Euro-Jobs sind eigentlich Integrationsmaßnahmen für Menschen, die aufgrund von extrem langer Arbeitslosigkeit oder anderen widrigen Umständen ohne weiteren Motivations- und Selbstdisziplinierungsschub keinen Arbeitgeber auf dem ersten Arbeitsmarkt finden werden, denen sie ihre (geschwächte) Arbeitskraft verkaufen könnten. Auf diese Weise können sie sich an Arbeits- und Betriebsstrukturen gewöhnen, lernen die sozialen Kontakte im Arbeitsumfeld (wieder) zu schätzen und haben nebenbei noch genügend Zeit (und Unterstützung) für Bewerbungen. Abgesehen davon, dass viele der angebotenen Ein-Euro-Jobs gegen die Kriterien der Zusätzlichkeit, der Ausrichtung am öffentlichen Interesse, der Qualifizierung der Betroffenen und der Vermeidung von Druck auf reguläre Beschäftigung verstoßen und selbst ein Ausbeutungsmittel darstellen, heißt das an all diejenigen gerichtet, für die ein Ein-Euro-Job keine geeignete Maßnahme ist, weil sie ohne jedes Vermittlungshemmnis einfach auf die nächste offene Stelle warten, dass wir von Euch fordern:

Kündigt sofort Euren Ein-Euro-Job!

Nehmt keinen Ein-Euro-Job mehr an!

Wehrt Euch gegen Sanktionsandrohungen, weil…

Sanktionen nach dem SGB II sind vom Bundesverfassungsgericht am 9. Februar 2010 für verfassungswidrig erklärt worden, und zwar sowohl formaljuristisch als auch per se unter direktem Bezug auf die Menschenwürde. Durch die Schaffung eines Grundrechts auf absolute Sicherung der soziokulturellen Teilhabe nach Maßgaben der Menschenwürde aus Artikel 1 GG wurde die Bedingung geschaffen, dass das SGB II den Grundrechtsparagraphen zitieren muss, in den es ggf. eingreift. Da das nicht der Fall ist, dürfen Sanktionen derzeit nicht ausgesprochen werden. Aber auch aus Gründen der Menschenwürde selbst wurden Sanktionen abgeschafft: Kein noch so absurd konstruierter Tatbestand dieses Rechtskreises (SGB II: Grundsicherung für Erwerbslose) kann ernsthaft einen Eingriff in Grundrechte nach sich ziehen! Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Artikel 1, Absatz 1: Da heißt es nicht nur: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“, sondern verstärkend noch: „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Wenn das nicht mehr garantiert werden kann, wäre endgültig der faschistische Ausnahmezustand festzustellen und jede/r Deutsche wäre zum Widerstand nach Artikel 20 Abs. 4 GG aufgerufen!

Wir wehren uns weiterhin gegen die dürftig als „bevorzugte Vermittlung von Alleinerziehenden“ getarnte Verschärfung der Verfolgungsbetreuung von alleinerziehenden Erwerbslosen und ihren Kindern durch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen! Man sollte hellhörig werden, wenn ausgerechnet ein Holger Schäfer vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im SPIEGEL Online sagt: „Die fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten sind das Kernproblem von alleinerziehenden Langzeitarbeitslosen“! Von der Leyen war zuvor Bundesfamilienministerin und sollte auch als Mutter von sieben Kindern wissen, dass Eltern wertvolle gesellschaftliche Tätigkeiten ausüben und ihre primären Verpflichtungen in der Kindeserziehung liegen und nicht in der eigenverantwortlichen Erwirtschaftung des Lebensunterhalts bei einem kapitalistischen Arbeitgeber. Sie müsste wissen, dass es keine Pflicht zur Erwerbsarbeit, sondern ein Recht auf – u. a. auch gestaltende, d. h. arbeitende – Teilhabe an der Gesellschaft und mithin ein Recht auf Arbeit, ein Recht auf Anwendung aller erworbenen Qualifikationen und ein Recht auf angemessenen, fairen Lohn gibt, der bei der im Raum stehenden ad hoc-Verfolgungsbetreuung ganz zuletzt auf dem Plan steht, solange die Zumutbarkeitsregelungen des SGB II explizit die volkswirtschaftliche Vernunft aushöhlen!

Weiterhin wehren wir uns gegen die neue Hetzkampagne von Guido Westerwelle gegen junge Hartz-IV-Leistungsberechtigte und Langzeitarbeitslose! Alles, was er über das „endlich Ernst machen mit dem Prinzip von Fördern und Fordern“ gesagt hat, ist Schnee von gestern: Schon heute müssen Betroffene unter 25 Jahren mit irgendeinem Sofortangebot betraut werden – und zwar tatsächlich sofort und nicht erst innerhalb von 6 Wochen! Schon heute kostet eine Verweigerung dessen unter Umständen das gesamte ALG II. Aber all das ist schon heute falsch! Jugendliche müssen aus der gesellschaftlich verschuldeten Perspektivlosigkeit mit konkreten Perspektiven herausgeholt werden, nicht mit Larifari-Maßnahmen und menschenunwürdigen Sanktionen (die ohnehin abgeschafft wurden)!

Zugleich wollen wir für den 1. Mai mobilisieren; der Tag der Arbeit findet nach zwei Jahren Abstinenz von der Öffentlichkeit wieder mitten in Mainz auf dem Marktplatz statt! Gibt es eine bessere Möglichkeit, um über Arbeit, gute Arbeit, Arbeitszeitverkürzung sowie Arbeiterklasse und Gewerkschaft zu diskutieren?! Heraus zum 1. Mai!

Aufruf zur 12. Jeden-Monat-Demo

Am 21. April demonstrieren wir gegen die geplante Verfassungsänderung, mit der die schwarz-gelbe Bundesregierung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den ARGEn aushebeln will, gegen Ein-Euro-Jobs und Sanktionen, zwei grundsätzlich verfehlte SGB-II-Konzepte, die obendrein viel zu oft missbraucht werden bzw. schlicht verfassungswidrig sind, gegen die dürftig als “bevorzugte Vermittlung von Alleinerziehenden” getarnte Verschärfung und gegen die neue Hetzkampagne von Guido Westerwelle!

Zugleich wollen wir für den 1. Mai mobilisieren; der Tag der Arbeit findet nach zwei Jahren Abstinenz von der Öffentlichkeit wieder mitten in Mainz auf dem Marktplatz statt! Heraus zum 1. Mai! Gibt es eine bessere Möglichkeit, um über Arbeit, gute Arbeit, Arbeitszeitverkürzung sowie Arbeiterklasse und Gewerkschaft zu diskutieren?!

Die Jeden-Monat-Demo startet wie üblich um 12 Uhr auf dem Münsterplatz bei ver.di; die Abschlusskundgebung erwarten wir für 12:30 Uhr auf dem Gutenbergplatz vor dem Staatstheater.

Mainzer Jeden-Monat-Demo im März zum Bundesverfassungsgerichtsurteil

Liebe Mainzerinnen und Mainzer,

herzlich Willkommen zur 11. Jeden-Monat-Demo!

Am 9. Februar 2010 hat das Bundesverfassungsgericht das ALG II zwar für verfassungswidrig erklärt, es aber mit der Menschenwürde nach Artikel 1 Grundgesetz verknüpft und dem Gesetzgeber bis zum Ende dieses Jahres die Hausaufgaben übertragen, das ALG II menschenwürdig neu auszugestalten. Politisch – noch nicht juristisch – sind Sanktionen damit abgeschafft worden! Sie werden also vermutlich weiterhin verhängt, man kann sich aber mit guten Aussichten auf Erfolg im Rechtsbehelfverfahren auf das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgericht berufen.

Schützenhilfe haben wir erhalten vom Bundessozialgericht, das eine Woche später geurteilt hat, dass über die Folgen von Pflichtverletzungen “konkret, verständlich, richtig und vollständig” zu belehren ist. Doch wie könnte die ARGE vollständig belehren, wenn der Paragraph 31 im Sozialgesetzbuch 2 nicht im Ansatz einen Hinweis auf den Zweck von Sanktionen enthält, geschweige denn dass der Artikel des Grundgesetzes zitiert würde, was zur Einschränkung von Grundrechten zwingend vorgeschrieben ist!

Während die Bundesregierung Hunderte von Milliarden in die “Rettung” von maroden, aber angeblich “systemrelevanten” Banken steckt, hat der Haushaltsausschuss des Bundestages 900 Millionen (also nicht einmal eine Milliarde) Euro für aktive Arbeitsmarktpolitik für das zweite Halbjahr 2010 gesperrt, sodass viele – teilweise schon bezahlte – Maßnahmen austrocknen werden (auch Ein-Euro-Jobs, was hinnehmbar ist). Zugleich wurde bekannt, dass die ARGEn in der Fläche solche Mittel für Personalzwecke angeblich legal umwidmen und von dieser sie nominell gar nicht berührenden Haushaltssperre sehr wohl mitbetroffen sind!

Ein Bremer Professor, Gunnar Heinsohn, hat via FAZ und  BILD eine “Debatte” angestoßen, dass Sozialhilfe (wie in den USA) nur für fünf Jahre gezahlt werden sollte, um den Druck auf Arbeitslose zu erhöhen, jede Stelle anzunehmen. Obwohl dieser Herr in den Bereichen Soziales und Wirtschaft doziert, äußert er sich nicht darüber, was nach den fünf Jahren geschehen wird, wenn der Betroffene in keinster Weise mehr Wirtschaftssubjekt ist und bis dahin Druck gar nicht hilft, weil es nicht an den Arbeitslosen liegt, sondern am Mangel an existenzsichernden Arbeitsplätzen. Ein Online-Kommentator hat vermutet, dass der Professor wohl wünschte, dass nach fünf Jahren alle anfangen sollten zu klauen. Daran wollen wir uns gerne halten!

Die aufgenötigte Selbstbedienung ist heute schon realisiert bei ÖPNV-Dienstleistungen, da man nach derzeitigem Stand gerade mal 15 Euro für die ÖPNV-Mobiltät zur Verfügung hat, um damit ein absurd teures Mainzer Sozialticket für 50,40 Euro zu kaufen, was natürlich illusorisch ist. Ein Mainzer Hartz-IV-Empfänger wurde dieser Tage wegen Schwarzfahrens zu drei Monaten auf Bewährung und 300 Euro Bußgeld verurteilt. Das Urteil des Amtsgerichts verstößt eindeutig gegen die Menschenwürde! Für die nähere Zukunft ist zu überlegen, ob die MVG oder die Stadt Mainz wegen Nötigung zu Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten verklagt werden sollten.

Haben Sie schon von ELENA gehört? ELENA ist ein gigantisches Datensammelprojekt von Arbeitnehmerdaten, die zentral gespeichert werden und in den Augen von FoeBuD und ver.di unter Missbrauchsverdacht stehen. Dagegen planen diese Organisationen jetzt eine Sammelbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzureichen, deren Ausfertigung derselbe Jurist übernommen hat, der schon die Vorratsdatenspeicherung (mit über 35.000 Beschwerdeführern) zu Fall gebracht hat. Wir fordern zur Teilnahme an der Sammelbeschwerde gegen ELENA auf!

Ein letztes Wort zur SPD, die derzeit einen Schwenk in Sachen Hartz IV vorzunehmen scheint. Obwohl SPD-Politiker durchaus einen gewissen Einblick in die politischen Verhältnisse haben, wenn etwa, wie gestern bei “Menschen bei Maischberger”, Hubertus Heil die Notwendigkeit des gesetzlichen Mindestlohns wirklich wunderbar begründete. Da fragte man sich dann aber doch, warum die SPD am 14. Juni 2007 mit 193 von 198 anwesenden SPD-Bundestagsabgeordneten den eigene Mindestlohntext (im Antrag der Linksfraktion) abgelehnt hat. Auch die Vorschläge von Hannelore Kraft (NRW) weisen darauf hin, dass die SPD ihre Haltung zu Hartz IV so bald nicht ändern wird. – Schade!

Pressespiegel zur Jeden-Monat-Demo im Februar 2010

Aus der Serie “Hartz IV – Gelobt, gehasst, gescheitert?” in der MRZ vom 19.02.2010:

Hartz-IV-Empfänger fühlen sich von Westerwelle diffamiert

Wie ein Dutzend Demonstranten in Mainz Parolen und Plakate schwingt

von Rena Lehmann

MAINZ.  Während die Bundespolitik über Hartz IV streitet, trägt in Mainz ein Dutzend Hartz-IV-Empfänger Plakate durch die Stadt. Die Mitglieder der Mainzer Initiative “Gegen Hartz IV” sind sauer auf Guido Westerwelle. Die “spätrömische Dekadenz”, die er bei den Beziehern staatlicher Hilfen beobachtet haben will, ist in ihren Ohren “Volksverhetzung”. Deshalb sind diesmal sogar ein paar mehr Leute als sonst bei der “Jeden-Monat-Demo” in der Mainzer Innenstadt. Ein Kamerateam filmt, auch das kam schon länger nicht mehr vor. Hartz IV ist seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts großes Thema. Endlich, meinen die Demonstranten. “Das Gericht hat bestätigt, was wir lange wussten: Hartz IV verstößt gegen die Menschenwürde”, sagt Manfred Bartl.

Fehlende Masse wird von den Demonstranten mit starken Worten und großen Plakaten ausgeglichen. “Mit der Härtefallregelung werden alle Alg-II-Empfänger über einen Kamm geschoren. Aber jeder Hartz-IV-Empfänger ist ein Einzelfall”, wiederholen sie gebetsmühlenartig. Manche Passanten blicken belustigt auf die Truppe, einige bleiben stehen, wenige suchen das Gespräch. “Die Menschen sind schlecht informiert. Und wir wissen nicht, wie wir die Arbeitslosengeld-II-Empfänger erreichen sollen”, sagt eine Teilnehmerin. Eine Zeitung könnten sich die meisten nicht leisten. Außerdem glaubten viele Hartz-IV-Empfänger, sie stünden allein da. “Sie sind resigniert und leiden still zu Hause.” Der Marsch dauert nur eine knappe halbe Stunde. Auf dem Gutenbergplatz, wo sonst immer die Abschlusskundgebung stattfindet, laufen noch die Aufräumarbeiten nach den närrischen Tagen. Deshalb ist heute vor dem Verdi-Haus am Münsterplatz Schluss. Sollen sie trotzdem eine Kundgebung machen? Unentschlossen blicken alle in die Runde. Schließlich sagt einer ein paar Worte. Die hier Versammelten wissen ohnehin, worum es ihnen geht: Hartz IV muss weg.

Am lautesten ruft Werner Feig diese Parole. Er hatte vom bayrischen Regensburg aus die Geschichte des arbeitslosen Henrico Frank verfolgt. Ministerpräsident Kurt Beck riet ihm, “sich zu rasieren” – dann würde er auch einen Job finden. Der Fall schrieb Schlagzeilen. Schließlich sorgte der Ministerpräsident selbst dafür, dass der Mann ein Stellenangebot erhielt. Der lehnte jedoch aus gesundheitlichen Gründen ab. Feig nutzte die Gelegenheit und bewarb sich von Regensburg aus auf die Stelle. Für ihn sah anfangs alles so aus, als würde es mit einer Arbeit in Mainz klappen. Feig zog von Bayern nach Rheinland-Pfalz – doch der Arbeitgeber zog sein Angebot zurück. Die Mainzer und die Regensburger Arge schoben sich daraufhin die Zuständigkeit für Feig hin und her, wie er sagt. Vor ihm liegt ein dicker Ordner mit Akten, der seinen Papierkrieg mit den Argen enthält. “Mit den Anträgen bin ich stärker beschäftigt, als wenn ich eine Arbeit hätte.” Sein Blick sagt: Wo ich hinkomme, widerfährt mir Ungerechtigkeit. Sein Mitstreiter Manfred Bartl fährt seit Monaten aus Protest schwarz. 15 Euro sind im Hartz-IV-Regelsatz von 359 Euro für Mobilität vorgesehen, das Mainzer Sozialticket ist mit knapp 50 Euro aber mehr als dreimal so teuer. Es ist nur eine von vielen Ungerechtigkeiten, die das Gesetz und seine Praktiken aus seiner Sicht bedeuten. Vier Berufe kann er, wie er sagt, und bezeichnet sich selbst nicht als arbeits-, sondern als erwerbslos. Er will sich “dieser Gesellschaft verweigern”, solange sie nicht Mindestlöhne und eine 30-Stunden-Woche einführt. So wie er müssten es viele machen, meint er. “Die Menschen dürften einfach keine Job annehmen, bei denen Niedriglöhne gezahlt werden. Aber die Leute lassen das alles mit sich machen.” Eine andere Teilnehmerin wiegelt bei seinen Worten ab: Sie will sich nicht verweigern, ärgert sich aber, dass im Job-Center dauert ihr Arbeitsvermittler wechselt und niemand sie ernsthaft beraten kann.

Ob Bartl auch seinen Kindern später zu Verweigerung raten will? “Dazu wird es gar nicht kommen”, erklärt er im Brustton der Überzeugung. Bis dahin werde es keine Job-Center mehr geben. Und auch kein Hartz IV. Wie es scheint, glaubt er selbst tatsächlich daran.

Aufruf zur 10. Jeden-Monat-Demo

Die Jeden-Monat-Demo am Aschermittwoch 2010 startet wie gewohnt um 12 Uhr bei ver.di am Münsterplatz in Mainz. Anders als sonst üblich findet die Abschlusskundgebung allerdings nicht auf dem Gutenbergplatz statt, sondern wieder auf dem Münsterplatz. Der Rundkurs der Demo ist “Fastnachtsrückständen” geschuldet.

Themen sind u.a. Kinderarmut und das – bahnbrechende und nichtsdestotrotz viel zu zurückhaltende – Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zum Eckregelsatz, zur Menschenwürde nach Artikel 1 Grundgesetz als Grundlage des gesetzlichen Anspruchs auf soziokulturelle Mindestteilhabe und zu spezifischen Kinderbedarfen sowie der sozialrassistische Schub, den die öffentliche Meinung seitdem durch die volksverhetzenden Äußerungen von Außenminister Westerwelle erfahren hat.

Die 9. Jeden-Monat-Demo in der Allgemeinen Zeitung

Nachdem am Mittwoch, den 20. Januar 2010, die neunte Jeden-Monat-Demo durch die Mainzer Innenstadt gezogen war, erschien am Donnerstag ein Artikel in der “Allgemeinen Zeitung”: Protest gegen “Sozialabbau”. (Man fragt sich sofort, was wohl die Anführungszeichen zu bedeuten haben…) Geschrieben hat ihn Mara Braun, die mich kontaktiert hatte, weil die Redaktion offenbar an ein paar bodenständigen Informationen von Betroffenenseite interessiert war, um damit die gleichzeitig stattfindende Pressekonferenz des Job-Centers zu fünf Jahren Hartz IV in Mainz emotional zu illustrieren. So begleitete sie auf meine Einladung (um nicht zu sagen: Verpflichtung, denn acht Jeden-Monat-Demos hat die “Allgemeine Zeitung” bereits ignoriert!) hin den Zug der wackeren Demonstranten über die Große Bleiche und die Lotharpassage zum Gutenbergplatz und konnte gleich einige (mehr oder minder) Betroffene interviewen, u.a. mich.

Darin findet sich ein erstaunlicher Satz: “Ob er sich auch um Jobs bewirbt? ‘Nein’, bekennt er [“Manfred Bartl (39)”] freimütig und schiebt nach, das habe ‘ohnehin keinen Sinn’.” Dieser unscheinbare Satz ist deswegen so erstaunlich, weil nicht nur das angebliche “Zitat” des Interviewten nie so gesagt wurde (was skandalös genug ist, auch wenn ich von der “Allgemeinen Zeitung” kaum anderes gewohnt bin…), sondern weil die Journalistin nicht einmal ihre eigene Frage korrekt wiederzugeben imstande war!

Online habe ich daher eine – mittlerweile veröffentlichte – Gegendarstellung über die Kommentarfunktion abgegeben:

Nicht richtig ist, dass ich Frau Braun eine Antwort mit dem – auch nur sinngemäßen – Wortlaut: “Nein, das hat ohnehin keinen Sinn” gegeben hätte. Tatsächlich ist es nicht einmal richtig, dass Frau Braun mir diese Frage, “ob ich mich auch um Jobs bewürbe”, gestellt hätte!

Diese Unterstellung ist ehrabschneidend, denn selbstverständlich bewerbe ich mich, wo immer es angezeigt ist und sinnvoll erscheint!

Richtig ist vielmehr, dass Frau Braun mich nach der Zahl meiner Bewerbungen fragte und dass ich mit einer in der Relation geringen Zahl antwortete, die als Beweis dafür herangezogen wurde, dass Bewerbungen – praktisch! – “keinen Sinn machen”, da trotz all meiner vielfältigen Qualifikationen stets Absagen erfolgten – sofern überhaupt eine Antwort eintraf.
Die Wortkette “es macht keinen Sinn” ist also keineswegs Ausdruck einer – womöglich resignativen oder gar verweigernden – Erwartungshaltung, sondern vielmehr Resultat meiner Erfahrungen!

Manfred Bartl

Dass ich das nicht gesagt habe, ergibt sich wohl ganz zwanglos aus der Tatsache, dass ich es auch dann niemals – und schon gar nicht gegenüber der Presse – äußern würde, wenn es womöglich wahr wäre! Schließlich ist mir klar, dass die Mainzer Verantwortlichen für Hartz IV – Martin Kehrein und Kurt Merkator, Thomas Dippold und Jens Beutel – die “Allgemeine Zeitung” am Tag nach ihrer Pressekonferenz besonders aufmerksam studieren werden. Ein Hartz-IV-Empfänger, den sie als “Kunde” zu bezeichnen belieben, der gegenüber der Presse “freimütig” bekennen würde, dass er sich nicht bewürbe, wäre ein gefundenes Fressen für diese Herrschaften! Wahrscheinlich steht ihnen bei der Lektüre der gedruckten Zeitung beim Gedanken an die bald fällig werdenden Sanktionen sprichwörtlich der Schaum vorm Mund. Darauf aber, dass ich jemals so dumm werden würde, könnt ihr warten, bis ihr schwarz/noch schwärzer werdet!

Ein besonderes Feature des Artikels ist – vier Tage vor dem einjährigen Jubiläum meiner Aktion “Schwarzfahren für Gerechtigkeit” – die endlich erfolgte Erwähnung der Aktion in der “Allgemeinen Zeitung”: “…sagt Bartl, der sich 2005 als Bundestagsdirektkandidat versuchte und der ohne Ticket Bus fährt, um ein Zeichen gegen ‘überteuerte Sozialtickets’ zu setzen.” (und wieder fragt man sich, was die Anführungszeichen zu bedeuten haben…) – Es war wahrhaftig an der Zeit, dass die Öffentlichkeit erfährt, wer dieser kritische “AZ-Leser” aus dem Artikel “Sozialticket für ÖPNV zu teuer?” ist! 😉

Ein weiterer Kritikpunkt am journalistischen Ethos der “Allgemeinen Zeitung” ergibt sich aus der Wiedergabe des Fotos von Sascha Kopp in der gedruckten Zeitung. Sein Foto, wie es auch online beim Artikel zu bestaunen ist, sieht nämlich so aus:

Komplett-Foto

Bildunterschrift: “Einmal pro Monat ziehen die Hartz-IV-Gegner mit Transparenten vom Münster- zum Gutenbergplatz und demonstrieren.

Schaut man aber in die gedruckte Zeitung, so ist ausgerechnet der Schriftzug “JEDEN-MONAT-DEMO” ausgeblendet:

Foto-wie-print

[Symbolfoto; generiert aus dem Online-Foto]

Wer hat den Schriftzug abgeschnitten? Warum sollte die Bezeichnung unserer regelmäßigen Protestaktion nicht im Bild zu sehen sein, obwohl doch im Text alle nötigen Informationen genannt werden? Hier: “Jeden dritten Mittwoch im Monat macht sich die Gruppe vom Münster- auf zum Gutenbergplatz, will mit der ‘Jeden-Monat-Demo‘ im Auftrag des Koordinierungsforums der Mainzer Arbeitsloseninitiativen ein Zeichen setzen gegen Hartz IV und Sozialabbau.

Ebenfalls zu kritisieren ist die Unausgewogenheit der Berichterstattung. Die Pressekonferenz des Job-Centers zog drei Texte (davon immerhin nur zwei vollständige Artikel) nach sich:

Weniger Arbeitslose als vor fünf Jahren (der Anreißer auf der Titelseite),

Armut nimmt zu sowie

Wirtschaftkrise verschont Mainz: Nicht mehr Menschen auf Hartz IV angewiesen.

Unsere Aufklärung über die wahren Verhältnisse hingegen nur den einen Artikel (und der ohne Anreißer):

Protest gegen “Sozialabbau”.

Und dabei sind wir – das Job-Center und die Verantwortlichen der Stadt Mainz einerseits und wir im Koordinierungsforum der Mainzer Arbeitsloseninitiativen Organisierten andererseits – noch nicht einmal erklärte Gegner! Vor allem Merkator und die SPD sind in erster Linie nichts als Fehlgeleitete, die Hartz IV irgendwelche “Erfolge” andichten müssen, solange sie noch nicht zuzugeben imstande sind, dass “ihr” Hartz IV die Gesellschaft spaltet, arbeitende gegen arbeitslose Erwerbspersonen aufhetzt, Menschen, die normalerweise Arbeitslosenhilfe beziehen würden, nachgerade enteignet (“Armut per Gesetz”), viel mehr Menschen als unter wirklich sozialen Bedingungen obdachlos macht oder sogar umbringt und nebenbei für Lohndumping sorgt, weil die sich gezwungen fühlen, jede Schikane mitzumachen, die noch arbeiten, und jeden Job anzunehmen, wenn sie aus der furchtbar stigmatisierenden Arbeitslosigkeit so schnell als möglich herauswollen.

Mainzer Jeden-Monat-Demo im September für das bedingungslose Grundeinkommen

Mit einem regulären Termin für die Jeden-Monat-Demo in der Woche des Grundeinkommens war es angebracht, die JMD dem Grundeinkommen zu widmen, das die Mainzer Initiative gegen HARTZ IV und Linkswärts ganz bewusst und aktiv fordern.

Hier das Skript der Rede zur Abschlusskundgebung von Manfred Bartl:

Liebe Krisen- und Kapitalismusgeschüttelte!
Liebe speziell und allgemein Betroffene des Prekariats!
Liebe Mainzerinnen und Mainzer!

Dies ist die Jeden-Monat-Demo gegen Hartz IV und für das bedingungslose Grundeinkommen!

Warum denken wir über das bedingungslose Grundeinkommen nach?

Es ist offenkundig: Unsere Wirtschaftsordnung, die Soziale Marktwirtschaft, versagt an allen Ecken und Enden. Die primäre Verteilung der Kaufkraft scheitert in zweierlei Hinsicht: Die Lohnquote sinkt zugunsten der Kapitaleinkommen und die Arbeitskapazitäten sind enorm unterausgelastet, was man an der unsinnig langen Wochenarbeitszeit und der Massenarbeitslosigkeit erkennt, die nach Arbeitszeitverkürzung schreien. Wir wollen eine 25-Stunden-Woche anstreben!

Zugleich wird die sekundäre Umverteilung, die zur Korrektur unzureichender Primärverteilung gedacht ist, in der Dauerkrise der Massenarbeitslosigkeit noch heruntergefahren. Der Regelsatz von Hartz IV sorgt nicht nur nicht für das sogenannte soziokulturelle Teilhabeminimum, sondern vielfach nicht einmal mehr für das Existenzminimum!

Nun ist es aber so, dass die Bürgerinnen und Bürger einer marktwirtschaftenden Gesellschaft selbstverständlich als Wirtschaftssubjekte ausgestattet werden müssen.

Wie soll das möglich sein, wenn Millionen von Menschen mit Hartz IV in Verhältnisse gestoßen und in Verhältnissen gehalten werden, die Götz Werner mit „offenem Strafvollzug“ gleichsetzt?

Als alternative Wirtschaftsform schlage ich in der Woche des Grundeinkommens das bedingungslose Grundeinkommen vor. Seine Haupteigenschaft ist, dass a) zugrunde gelegt wird, dass „die Wirtschaft“ Mittel zum Zweck des Wohlstands für alle in und für die Gesellschaft ist und b) der Einzelne dies auch unmittelbar erfährt, indem er zu Anfang des Monats eine monetäre Grundlage für sein freies und eigenverantwortliches Wirtschaften in Höhe von – Pi mal Daumen – 1500 Euro erhält.

Dies ist eine reine Veranschaulichung! Nicht-monetäres Wirtschaften könnte Teile davon ersetzen: ein für das Individuum nicht mit Kosten verbundener Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), ein kostenloser Grundbedarf bei Wasser, Strom und Gas, ein Grundrecht auf ein Quantum Wohnraum usw.

Wegweisend für die Einführung des Grundeinkommens sind die vier Kriterien des Netzwerks Grundeinkommen, über die man sich unter grundeinkommen.de weiter informieren kann. Ziel ist demnach ein bedingungsloses Grundeinkommen,

  • das existenzsichernd ist und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht,
  • auf das ein individueller Rechtsanspruch besteht,
  • das ohne Bedürftigkeitsprüfung und
  • ohne Zwang zur Arbeit oder sonstigen Gegenleistungen

garantiert wird.

Das Grundeinkommen beseitigt die wirtschaftsbedingte Einkommensarmut und vergrößert den individuellen Freiheitsspielraum in der Wirtschaft – insbesondere in Richtung der so dringend benötigten Arbeitzeitverkürzung und ArbeitFAIRteilung, was in doppelter Hinsicht zu mehr allgemeinem Wohlstand führt: mit mehr Freizeit und mehr wirtschaftlicher Freiheit. Derzeit arbeiten alle Erwerbstätigen unverantwortlich lange, nur um die Arbeitslosigkeit zu finanzieren.

Im Hinblick auf die allgemein mögliche Befriedigung der Lebensbedürfnisse aller Menschen im Lande nennt man das Grundeinkommen auch garantierten Mindestumsatz. Die Menschen setzen das Geld aus dem Grundeinkommen schließlich (so ist es zumindest gedacht) für den Konsum ein. Diese beiden Aspekte sind der Hauptgrund für die Einführung des Grundeinkommens. Da das Sein das Bewusstsein bestimmt, wird damit immerhin erreicht, dass sich der Horizont der Menschen soweit erweitert, dass sich wieder alle klarmachen können, was sie wirklich wollen. Und sie wollen garantiert keine Rente mit 67, keine Riester-Rente, kein Kohlekraftwerk, keine Leiharbeit usw.

Katja Kipping bezeichnet das Grundeinkommen darüber hinaus als Demokratiepauschale. Gesellschaftliche Subjekte können sich nur dann für die Gesellschaft engagieren, wenn ihre gesellschaftliche Existenz gesichert ist. Auch auf dieser Ebene sind also vom Grundeinkommen belebende Impulse zu erwarten.

Abschließend ein Wort zu Finanzierung des Grundeinkommens: Das Grundeinkommen ist finanzierbar. Punkt. Es wird deutlicher, wenn man es als Wirtschaftsform betrachtet. Die Wirtschaftsform des bedingungslosen Grundeinkommens müsste sich demnach einfach selber tragen. Und das ist prinzipiell immer möglich, dass eine Gesellschaft sich selbst versorgen kann, denn zu genau diesem Zweck schließen sich die Menschen ja zu einer Gesellschaft zusammen! Auch die Soziale Marktwirtschaft könnte sich problemlos selbst tragen (gerade in einem reichen Land wie Deutschland), wenn die Politik und die herrschenden Kreise vor allem in der Wirtschaft nicht die Werte dieses Gesellschaftssystems über Bord geworfen hätten. Zur Verdeutlichung dieses Umstands lässt sich anführen, dass das schon heute umverteilte Sozialbudget rein rechnerisch für ein grundlegendes Einkommen ausreichen würde, erst recht, wenn man bedenkt, wie viel Bürokratie durch eine solche Umkanalisierung entfallen und wie viele Bürokraten sich sinnvolleren Tätigkeiten zuwenden könnten. Aber selbst wenn man noch Hunderte von Milliarden Euro zuschießen müsste zu diesem Kostenpunkt der Volkswirtschaft, so muss doch immer bedacht werden, dass es sich bei der Wirtschaft um einen Kreislauf handelt, die Kosten für das Grundeinkommen also zugleich Kaufkraft und Konsum-Umsatz für die Wirtschaftsunternehmen handelt, welche diesen zufließt.

Wir fordern daher die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle!

Darüber hinaus sollten wir jedoch den notwendigen Bruch mit dem Profitprinzip und der Kapitalakkumulation zum Selbstzweck nicht aus den Augen verlieren und uns mit der Freiheit des Grundeinkommens im Rücken verstärkt für eine solidarische Bedürfnisbefriedigungswirtschaft einsetzen!

Mainzer Jeden-Monat-Demo im August gegen das asoziale Elterngeld

Die vom Koordinierungsforum der Mainzer Arbeitsloseninitiativen veranlasste Jeden-Monat-Demo findet am dritten Mittwoch jeden Monats statt. Sie beginnt um 12 Uhr bei ver.di am Münsterplatz und zieht über Große Bleiche und Lotharpassage zum Gutenbergplatz, wo die Abschlusskundgebung durchgeführt wird. Themen und Ausrichter der Abschlusskundgebung wechseln. Im Koordinierungsforum treffen sich der ver.di Erwerbslosenausschuss, die Mainzer Initiative gegen Hartz IV, die Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiative Mainz e. V. (ESHI) und DIE LINKE. Mainz-Stadt.

Am 19. August 2009 war die Jeden-Monat-Demo dem Kampf gegen das asoziale Elterngeld gewidmet. Das Elterngeld hat das Erziehungsgeld abgelöst – und viele Leute, selbst Eltern scheinen das auch noch gut zu finden! Hier hat die Aufklärung ganz offensichtlich völlig versagt…

Hier das Skript der Rede zur Abschlusskundgebung von Manfred Bartl:

Liebe Eltern!
Liebe solidarisch Interessierte!
Liebe Gesellschaftspolitiker!

Die schwarz-rote Bundesregierung hat die Förderung von Elternreformiert und das alte Modell Erziehungsgeld durch ein – paradigmatisch völlig neues- Elterngeld ersetzt.

Das Beste, was wir aus unserer Sicht gerade noch darüber sagen können, ist, dass es nicht – wie das Kindergeld – auf Hartz IV angerechnet wird.

Ansonsten gilt für das Elterngeld dasselbe wie für praktisch jede “Reform” der letzten acht Jahre unter Rot-Grün und Schwarz-Rot: Der ursprünglich positiv belegte Begriff Reform wird durch die politischen Katastrophen systematisch diffamiert und zersetzt.

Während andere solche “Reformen” unmittelbar zu Protesten aller gerecht und billig denkenden Menschen führten, ist es um das Elterngeld verdächtig still. Meine in meinem Weblog veröffentlichten Erkenntnisse über das Elterngeld nach einem Jahr wurden dankbar von den NachDenkSeiten aufgegriffen und führten auch auf meinen Webseiten zu extrem hohen Zugriffen. Trotzdem scheint diese Jeden-Monat-Demo die erste Demonstration gegen das Elterngeld zu sein. Das Wissen um diese skandalöse Umverteilungsmaschine von Arm zu Reich scheint sich nicht besonders verbreitet zu haben in der Gesellschaft. Dabei sollte einiges davon doch wenigstens den Antragstellern bei Beantragung des Elterngeldes auffallen:

Das entscheidende Faktum nach einem Jahr Elterngeld ist der Schlag vor den Kopf derjenigen, die – aus welchen Gründen auch immer – keinen Nettoverdienst vorweisen können und jetzt Eltern werden. Sie erhalten wie zu Zeiten des alten Erziehungsgeldes 300 Euro im Monat – aber nur für 1 Jahr statt wie zuvor für 2 Jahre! Dies betrifft (nach einem Jahr des neuen Modells) 42 Prozent der Antragsteller. Mindestens etwa 56 Prozent haben gegenüber dem Erziehungsgeld Nachteile hinzunehmen. Nochmal das Fazit: Mehr als die Hälfte der Elterngeld-Leistungsberechtigten wird gegenüber dem Erziehungsgeld benachteiligt, und der überwiegenden Mehrheit dieser Benachteiligten wird die Leistung gegenüber dem Erziehungsgeld glatt um die Hälfte gekürzt!

An diesem Punkt möchte ich kurz innehalten und noch einmal darauf hinweisen, dass es beim Elterngeld um die Förderung von Eltern zwecks Förderung der Kinder geht. Eltern sollen in ihrer Verantwortung für ihre Kinder gestärkt werden. Kinder bekommt man nicht (mehr) völlig ungeplant, aber einen absoluten Einfluss auf den Zeitpunkt hat man nach wie vor nicht. Auch hat man kaum einen Einfluss auf das Gehalt, wen man denn gerade arbeitet. Der Lohn als Form der marktwirtschaftlichen Kaufkraftverteilung ist aber qualitativ (was man an der Massenarbeitslosigkeit erkennt) und quantitativ (wie man am Realeinkommensverlust der Arbeitnehmer selbst im Aufschwung erkennt) eine Machtfrage. Wir Arbeitnehmer tun derzeit so, als hätten wir keine Macht. Warum eigentlich?

Leider scheint das auch so zu bleiben, wenn man – wie ich den den letzten Wochen – immer wieder Altern antrifft, die das Elterngeld in dieser Form für richtig und die verringerte Förderung für einkommensschwache oder einkommenslose Eltern für deren Problem halten. Sie hätten ja – wie sie – für ein Einkommen sorgen können. Beziehungsweise diese Eltern fühlen sich für ihren gesellschaftstragenden Einsatz auf Arbeit mit dem Elterngeld – von dem sie (individuell zu) profitieren (scheinen) – belohnt. Dazu bringe ich ein Wort von Erich Kästner, das für diese Eltern passt:

Was auch geschieht –
nie sollt ihr so tief sinken,
von dem Kakao, durch den man euch zieht,
auch noch zu trinken.

Es kann nicht – und schon gar nicht unter Erwerbspersonen – darum gehen, dass Eltern für ihre momentane Erwerbsarbeitssituation (doppelt) bestraft werden! Gerade in der Krise, in der ohnehin benachteiligte Niedriglohnkräfte als erste gefeuert werden, und ihr ohnehin nicht leistungsgemäßes Einkommen verlieren, führen solche Umverteilungsmaßnahmen von Arm zu Reich in einen noch schlimmeren Absturz, weil der nächsten Generation systematisch gleich jede Startchance vermasselt wird.

Forderung muss daher sein, dass die Elternförderung insgesamt wirklich ausgebaut wird, was mit dem Elterngeld in der Summe bislang nicht geschehen ist.
Die Elternförderung muss zum Zweck des gesellschaftlichen Ausgleichs besonders denen zugute kommen, die aus eigenen – von der Gesellschaft eingeschränkten – Mitteln nicht ausreichend beitragen können.
Um die Wahlfreiheit der Kinderförderung sicherzustellen, muss die Elternförderung auch die Zeiten besonderer elterlicher Anstrengungen abdecken, also wenigstens 2, besser 3 Jahre umfassen, bis die Kinder üblicherweise in den Kindergarten eintreten.

Mittelfristiges Ziel muss es sein, dass die Verteilung der Arbeit und damit die Verteilung des Einkommens gerechter werden, damit ein zeitlich ausgebessertes Elterngeldsystem mit seinem Bezug zum letzten Nettolohn selbst in gerechter Weise zur Anwendung kommen kann.

Dann – und nur dann – haben alle Eltern die Chance, ihrer großen Verantwortung gerecht zu werden.