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Thema Solidarität am 1. Mai 2020

Zum Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse, der dieses Jahr bedingt durch die Corona-Krise unter dem Motto “Solidarisch ist man nicht alleine” (#SolidarischNichtAlleine) online stattfinden soll, fragte der DGB, was Solidarität für uns individuelle Gewerkschaftsmitglieder bedeutet. Leider ist der gesellschaftliche Stand der Solidarität durch das seit über 15 Jahren herrschende neoliberal-faschistoide Hartz IV-Regime mehr als nur versehrt. Schon auf der Ebene des Existenzminimums ist die gesellschaftliche, spezifischer: staatlich organisierte Solidarität völlig unzureichend und deckt das die Menschenwürde garantierende Existenz- und Teilhabeminimum (auch ohne die zusätzliche Problematik der Hartz IV-Sanktionen) de facto nicht ab. Hartz IV steht für den Angriff auf, für die Breitseite gegen den Sozialstaat, womit Millionen Menschen in eine dauerhaft zementierte Armut gestürzt, Millionen Lohnabhängige zu erduldetem Lohnverzicht und Entsagungen bei den Arbeitsbedingungen diszipliniert und ganze Volkswirtschaften in der Eurozone durch den erdrückenden wirtschaftlichen Druck aus Deutschland in den Ruin getrieben werden. Speziell in Mainz herrscht seit über 11 Jahren der durch Manfred Bartl transparent gemachte skandalöse Zustand, dass eine als “Sozialticket” zu verstehende “Sondermonatskarte” für Transferempfänger viel zu teuer ist, um vom wiederum zu niedrig angesetzten Anteil am Regelbedarf der Grundsicherung für den ÖPNV abgedeckt zu werden. So wird das Existenzminimum dauerhaft unterschritten: Entweder kaufen die Menschen das überteuerte Pseudo-Sozialticket und müssen zwangsweise auf Nahrungsmittel verzichten (die bekanntlich ihrerseits nur unterdeckt im Regelbedarf enthalten sind), um legal mit Bussen & Bahnen unterwegs sein zu können, ODER sie verzichten auf ÖPNV-Mobilität und sehen sich – wie im Mittelalter – an die Scholle gefesselt. Zwar gibt es eine einfache Lösung, aber die ist illegal(isiert) und führt so manche*n in den Knast, sofern sie nicht als politische Aktion durchgezogen wird: #SchwarzfahrenFuerGerechtigkeit!

Manfred mit dem Erster-Mai-Schild Schwarzfahren zu MÜSSEN
Manfred Bartl zeigt Solidarität… fehlt!
Solidarität? Schwarzfahren MÜSSEN weil Hartz 4 zu wenig und das sogenannte Sozialticket zu teuer ist
Solidarität? Heißt für mich Schwarzfahren zu müssen weil der ÖPNV-Anteil am Regelbedarf zu niedrig & das “Sozialticket” zu teuer ist Da ist man schon ganz ohne Corona wie im Mittelalter an die Scholle gefesselt Manfred Bartl, ver.di-Bezirk Mittelrhein, Mainz 1. Mai 2020

Wir fordern die SOFORTIGE Einführung eine diskriminierungsfreien, menschenwürdig bezahlbaren Sozialtickets ohne jede Einschränkung!

Auch die Bezieher*innen von Grundsicherungsleistungen müssen mit den S-Bahnen und Nahverkehrszügen fahren, ihre Kinder (und andere Menschen wie “normal”) mitnehmen können und vor allem wieder vor 9 Uhr fahren können – wir sind weder eine gesellschaftliche Randgruppe, die es sich leisten könnte den Berufs- und Schulverkehr auszulassen, noch haben wir dem zugestimmt wie Senior*innen und andere, wenn sie Seniorentickets oder 9-Uhr-Monatskarten auswählen.

Wir fordern darüber hinaus die schnellstmögliche Einführung des Nulltarifs im Nahverkehr, um die sozial-ökologische Verkehrswende einzuleiten, die aus Klimaschutzerwägungen so dringend notwendig ist!

Solidaritätsschild vor stimmungsvollem Sonnenuntergang

Das Bündnis “Mobilität für alle! Ein Sozialticket für Rheinland-Pfalz” steht!

„Mobilität für alle“ – das ist das Ziel eines neuen Bündnisses rheinland-pfälzischer Nichtregierungsorganisationen. Gemeinsam fordern die Bündnispartner eine flächendeckende, einheitliche und diskriminierungsfreie Lösung für einen bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr in ganz Rheinland-Pfalz.

Mobilität für alle! - Gruppenfoto Bündnis bei Gründung
Gründung des Bündnisses Mobilität für alle!

Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis und elementare Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Dennoch ist Mobilität in vielen rheinland-pfälzischen Regionen für ärmere Menschen kaum bezahlbar, weil es keine oder zu teure Sozialtickets gibt. Zum Beispiel kostet das Mainzer Sozialticket knapp 60 Euro. Zum Vergleich: Im Rahmen der Grundsicherung und Sozialhilfe veranschlagt der Gesetzgeber 26,44 Euro monatlich für Fahrten mit dem öffentlichen Nahverkehr. Damit kommt es entweder zu einer Bedarfsunterdeckung oder zum Ausschluss von Teilhabe.

Eine sozial gerechte Mobilitätslösung gehört zu den Maßnahmen der Armutsbekämpfung, die sich konkret und wirksam auf Landesebene umsetzen lassen. Das Bündnis „Mobilität für alle! – Ein Sozialticket für Rheinland-Pfalz“ nimmt die Landesregierung beim Wort: Sie hat versprochen, den Anspruch jedes Menschen auf Selbstbestimmung und Teilhabe zu verwirklichen und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen. Das ist auch unabdingbarer Teil des Mobilitätskonsenses, den die rheinland-pfälzischen Regierungsparteien im Koalitionsvertrag angekündigt haben.

Dem Bündnis „Mobilität für alle! Ein Sozialticket für Rheinland-Pfalz!“ gehören an: AWO Bezirksverband Pfalz, BUND Rheinland-Pfalz, DGB Rheinland-Pfalz, Deutscher Kinderschutzbund Mainz, LAG Selbsthilfe Behinderter Rheinland-Pfalz, LIGA der freien Wohlfahrtspflege Rheinland-Pfalz, LINKE HILFE Mainz, Mainzer Initiative gegen HARTZ IV, der PARITÄTISCHE Rheinland-Pfalz/Saarland, SoVD Rheinland-Pfalz, Sozialverband VdK Rheinland-Pfalz, ver.di Landesbezirk Rheinland-Pfalz/Saarland.

Mehrfahrtenstreifen oder Sammelkarten sind keine Alternative

Für eine soziale Mobilität wird bisweilen die Schein-Alternative Mehrfahrtenstreifen bzw. Sammelkarten (Mainz) diskutiert.

Brandneu ist etwa dieser Artikel vom 16. Oktober 2017:

In Wolfenbüttel diskutiert man das Sozialticket als Modellprojekt, bei dem zwei Varianten möglich seien: Vergünstigtes Monatsticket oder Gratis-Zehnerstreifen. Darüber soll der Kreistag in seiner Sitzung am 13. November entscheiden. In dieser Woche befassen sich bereits Finanz- und Sozialausschuss mit den Alternativen. Der Kreistag soll dann die Landrätin damit beauftragen, Verhandlungen mit dem Regionalverband Großraum Braunschweig zu führen. Eine Anfrage zur Förderung des Sozialtickets durch einen obskur, weil nicht nachhaltig klingenden “Zukunftsfonds Asse” steht im Raum.

Für das vergünstigte Monatsticket in den Preisstufen 1 bis 3 (je nach Wohnort, um die Samtgemeinden/Einheitsgemeinden beziehungsweise die Kreisstadt zu erreichen) würde eine einheitliche Eigenbeteiligung von jedem Leistungsberechtigten in Höhe von 25 Euro monatlich verlangt. Die Ausgabe soll durch die Verkehrsunternehmen gegen Vorlage eines Berechtigungsnachweises und eines Identitätsnachweises mit Lichtbild erfolgen, sofern – ACHTUNG! – “Bereitschaft bei den Verkehrsunternehmen besteht”. Alternativ würden die Monatskarten beim Landkreis und beim Jobcenter ausgegeben und notwendige Kartendrucker angeschafft und installiert. Dafür kalkuliert man nach den zugrunde gelegte Prämissen (die ungenannt bleiben) Kosten in Höhe von etwa 1,3 Millionen Euro zuzüglich Personal- und Sachkosten ein.

Als Alternative wird die Einführung von kostenlosen Zehnerstreifen genannt, was “ein Streifen monatlich pro Person” heißen soll. GRATIS! In deren Sprache: “Es würde keine Eigenbeteiligung verlangt.” Die Ausgabe erfolgte durch den Landkreis oder das Jobcenter. Mit den zugrunde gelegten Prämissen (die ungenannt bleiben) entstünden Kosten in Höhe von zirka 764.000 Euro zuzüglich Personal- und Sachkosten.

Muss noch jemand raten, welche Lösung wohl bevorzugt werden wird???

Warum aber ist der Mehrfahrtenstreifen keine Lösung?

Ich bringe gleich das Mainzer Beispiel an, um auch ein konkretes Beispiel für die Asymmetrie der Hin- und Rückfahrten zu liefern. Der Mainzer Einzelfahrschein kostet für Erwachsene 2,80 Euro, während bei der Sammelkarte im 5er-Pack für Erwachsene 11,20 Euro und damit je 2,24 Euro anfallen. Mit dem ÖPNV-Anteil am Regelbedarf der Grundsicherung in Höhe von aktuell 26,44 Euro kann man rechnerisch 11,8, wg. MODULO freilich nur 11 Fahrscheine zum günstigen Preis erwerben (*), kommt also an 6 Ziele mit öffentlichen Verkehrsmitteln heran, kann aber nur 5 mal zurückfahren, muss also einmal zurücklaufen.
(Bei teuren Einzelfahrscheinen ist die Zahl 9,4, wg. MODULO freilich nur 9, also 5 mal hin und 4 mal zurück.)

(*) Vorausgesetzt, man organisiert einen gemeinsamen Kauf der Fahrscheine, weil man allein immer nur Vielfache von 5 bis unterhalb des Limits bezahlen könnte, hier also sogar nur 10 Einzelfahrscheine zum günstigen Preis!

Die Sammelkarten bzw. Mehrfahrtenstreifen sind deswegen keine Lösung, weil Mobilitätskontingente quasi schon am Monatsanfang auf Einkaufen, Besuche, Bemühungen um Anstellung, Arztkonsultationen, Sport etc. – also auf einzelne soziale, kulturelle und politische Teilhabe-Ereignisse aufgeteilt werden müssten, und damit die Mobilität und somit die Teilhabe selbst – im Widerspruch zur gesetzgeberischen Intention! – nicht pauschalisiert, sondern kontingentiert wäre.

Darum ist nur eine pauschalisiert bezahlbare Mobilität via Sozial(monats)ticket grundrechtssicher und menschenwürdig.