“Am Aschermittwoch ist alles vorüber – wann hat ‘es’ eigentlich angefangen?”

Redebeitrag des Sprechers der Mainzer Initiative gegen HARTZ IV, Manfred Bartl, zum Jeden-Monat-Infostand am Aschermittwoch 2015.

Ja, am heutigen Aschermittwoch endet die Fastnachtskampagne 2015 unter dem Motto „Hier bin ich Narr, hier darf ich’s sein – an Fassenacht in Mainz am Rhein“.

Was könnte man angesichts dieses Mottos so schön philosophieren:

  • Was ist denn ein Narr?

  • Darf ein Narr Narr sein – oder kann er gar nicht anders?

  • Sind Mainzer Narren nur in Mainz Narren – und nur an Fassenacht? Oder können die überall Närrinnen und Narrhallesen sein? Das ganze Jahr lang?

Aber obwohl die ein oder andere Frage noch zu streifen sein wird, soll es darum heute nicht gehen…

Wann hat eigentlich angefangen, was am Aschermittwoch alles vorüber ist? Am 11. November, sagt Ihr? Also am 11.11.2014? Davon habe ich nichts bemerkt.

An dem Tag hielten wir ein Brainstorming ab, welche spezifischen Fragen wir bei seinem Kolloquium an der Johannes Gutenberg-Universität an Andrej Holm richten könnten, um das Mainzer Netzwerk „Recht auf Stadt“ voranzubringen…

Woran hätte man es denn feststellen könne, dass „es“ jetzt losgeht? An den Kostümen und Gardeuniformen, sagt Ihr? An den Narrenkappen und am Konfetti? Tja, seht Ihr, daran wird’s liegen. Sowas kann ich mir von meinem Hartz IV-Regelsatz doch gar nicht erlauben!

Obwohl… Konfetti gibt’s sicher beim Billigheimer und Kostüme werden dir ja sogar im Lebensmittel-Discounter für’n Appel und’n Ei nachgeworfen! Konnte man nicht im Radio Werbung für Kostümshops in Wiesbaden [ FLÜSTERTON: oops, in Wiesbaden! ] hören, wo man für’n kleinen Blauen zum Panzerknacker werden kann oder zum Zorro?!

Oder ich hätte noch ‘nen kleinen Roten draufgelegt und mir ein kuscheliges Teddybären­fell zugelegt. War ja ordentlich kalt am Rosenmontag. Da hätte sich das schon gelohnt. Mein Kumpel, der frierende Panzerknacker, und ich, der mollige Teddybär! Schöööön!

Ja schön…. Schöner Traum wohl eher!

Das Kostüm selbst ist mit Hartz IV nicht das größte Problem. Mit ein wenig Ausgaben­disziplin kann man sich so ein spottbilliges Kostüm „Made in China“ vielleicht von den Ausgaben für die Lebensmittel abzwacken. Vielleicht fängt man am Rosenmontag dafür umso eher mal ‘n Kreppl oder ‘n Fleischwurst-Ring… Dann ist es ja für einen guten Zweck! Außerdem… „We love to entertain you!“ Nachhaltigerweise kann so ein Kostüm zu mehreren Kampagnen aufgetragen werden. Toll!

Aber wie kommt man zum Kostüm-Discounter nach Wiesbaden?? Wer nimmt einen mit nach Wiesbaden? Von den 20,30 Euro Anteil am Hartz IV-Regelsatz für den Öffentlichen Nahverkehr überlegst Du Dir jede Fahrt mit dem Bus doch dreimal! Und Du willst ja auch wieder zurückkommen ins goldische Meenz! Zumal’s zuerst ja nur ums Gucken gehen soll, was die alles haben, was passen könnte, was man als gemeinsame Kostümierung angehen möchte. Man muss ja nicht gleich auf Guggesmusikzug machen, aber so ‘ne Horde Teddys zum Beispiel….

Was meinen Kumpel, den Panzerknacker, angeht, ist’s ja vielleicht nicht mehr so weit her. Mit Hartz IV verliert man als erstes die Hobbys – und dann die Freunde. Vielleicht ist der Panzerknacker gar kein Panzerknacker, sondern ein Paketbote oder ein Fahrlehrer oder der Kioskbetreiber von nebenan oder eine Kassiererin. Vielleicht haben die irgendwann keine Lust mehr nachzufragen, ob man mit in die Kneipe kommt – wenn man sich den ganzen Abend an einem Bier festhalten oder ausgehalten werden oder anschreiben lassen muss. Vielleicht gab’s dann gar keine Gelegenheit mehr, sich eine Horde Teddys vorstellen zu können oder wie man sich beim Zuch aufführen muss, wenn man den Leuten im Gedächtnis haften bleiben möchte.

Und wann ist’s losgegangen, sagtet Ihr? Am 11.11.? Da war doch noch Weihnachten dazwischen, oder? Kleine Geschenke sollen ja die Freundschaft erhalten. Was richten eigentlich keine Geschenke an??

Ich fasse mal zusammen:

  • Also haste niemanden, mit dem du eine kostümierte Gruppe planen kannst, weil du dir keinen gesellige Kneipenabend leisten kannst.

  • Du kannst dir eigentlich kein Kostüm leisten.

  • Fürs Drumherum reicht’s auch nicht.

  • Allein die vier Busfahrkärtcher zum Stöbern und zum späteren Kauf eines Kostüms würden die Hälfte deines Nahverkehrsbudgets auffressen.

  • Zwischendrin wirft Weihnachten deine Kostenkalkulation vollends übern Haufen.

  • Alkohol haben sie aus dem Hartz IV-Regelbedarf komplett rausgestrichen. Nicht nur Fastnachtsklopfer, auch Johannesfestlikörchen, Weinmarktwein, Bierbörsenbier… alles!

Wer hat eigentlich gesagt, dass das Leben für Hartz IV-Empfänger aufhören muss, sobald sie langzeiterwerbslos gemacht werden?

Wer war das denn?

Flugblatt, gestaltet vom Sprecher der Mainzer Initiative gegen HARTZ IV, Manfred Bartl, zum Jeden-Monat-Infostand am Aschermittwoch 2015.

Mainzer Initiative gegen HARTZ IV

“Am Aschermittwoch ist alles vorüber – wann hat ‘es’ eigentlich angefangen?”

Am Aschermittwoch endet die Fastnachtskampagne 2015 unter dem Motto „Hier bin ich Narr, hier darf ich’s sein – an Fassenacht in Mainz am Rhein“.

Wann hat eigentlich angefangen, was am Aschermittwoch alles vorüber ist? Am 11. November 2014.

Woran konnte man feststellen, dass „es“ losgeht? An Narrenkappen und Gardeuniformen. Im Hartz IV-Regelsatz nicht enthalten!

Kostüme beim Lebensmittel-Discounter und Konfetti vom Billigheimer? Im Hartz IV-Regelsatz nicht enthalten! Oder fällt das etwa unter die 1,33 Euro, die für „Spielwaren und Hobbys“ – pro Monat! – vorgesehen sind?

Busfahrt zum Kostüm-Discounter nach Wiesbaden? 20,30 Euro sind im Hartz IV-Regelsatz für den Öffentlichen Nahverkehr enthalten – pro Monat!

Freunde und Geselligkeit? 7,90 Euro sind im Hartz IV-Regelsatz für „Gaststättendienst­leistungen“ enthalten – pro Monat!

Zwischen 11.11. und Rosenmontag? Ist da nicht Weihnachten dazwischen? Aber Weihnachten ist im Hartz IV-Regelsatz nicht enthalten!

Bisschen akoholische Belustigung an Fassenacht? Paar Klopfer, hm – muss schon drin sein, oder?! Pustekuchen! Alkoholische „Genussgifte“ sind im Hartz IV-Regelsatz nicht (mehr) enthalten!

Warum kann Fastnacht für Langzeiterwerbslose nicht am 11.11. anfangen?

Warum fängt für Langzeiterwerbslose die Fastnacht nicht mal am Rosenmontag an?

Warum hört Fastnacht somit auch am Aschermittwoch nicht auf, da sie nie anfangen darf?

Wir fordern:

Her mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als wirklich gelebte Verfassungswirklichkeit!

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