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Heraus nicht nur zum 1. Mai!

Wie Hartz IV noch schlimmer werden konnte

Ausgerechnet in der ohnehin unter massivem juristischen Druck stehenden Problematik der Lang­zeitarbeitslosen beweist die schwarz-gelbe Koalition eine unverfrorene Dreistigkeit, die den Standpunkt des Politischen verlässt – oder sogar verrät. Das Urteil des Bundesverfas­sungsgerichts vom Februar 2010 wird vollständig ignoriert. Die geforderte Transparenz wird allenfalls insofern erreicht, als das einzige, was durch das neue Gesetz durchscheint, die nackte Verfassungswidrig­keit ist.

Armut als Maßstab

So wurde die Bemessungsgrundlage bei der Einkommens- und Verbrauchs­stichprobe von den unteren 20 Prozent auf die ärmsten 15 Prozent reduziert – und das ohne die Heraus­rechnung ausnahmslos aller Transferempfänger. Dieser Schritt reduziert den Hartz-IV-Regelsatz, noch bevor man auch nur über Notwendiges nach Maßgabe des Grundrechts auf soziokulturelle Teil­habe auch nur nachzudenken beginnt!
Nach dem Kindergeld wird nun auch noch das – gegenüber dem Erziehungs­geld ohnehin schon um die Hälfte gekürzte – Elterngeld als Einkommen auf den Regelsatz angerechnet und damit gestrichen!

Kein Alkohol, kein Tabak für die!

Die Streichung des Anteils für den Bedarf an Alkohol und Tabak aus dem Hartz-IV-Regelsatz ist besonders verletzend. Als „Genussgift“ diffamiert, wird Alkohol nicht etwa ersatzlos gestrichen, sondern durch ein perfide exakt ausgerechnetes Flüssigkeits­äquivalent in Form von Sprudelwasser aus­getauscht. Dadurch werden Leistungs­berechtigte in – in der Bundesrepublik – nie gekannter Offenheit zu Menschen zweiter Klasse abgewertet!

Rente brauchen die doch nicht

Aus den vielen anderen Details der massiven Verschlechterungen ragt eins hervor, weil seine Einführung bei Inkrafttreten von Hartz IV als Fortschritt gegenüber dem Bundes­sozialhilfegesetz gefeiert worden war: Die komplette Streichung des – ohnehin mickrigen und auf halber Strecke auch schon halbierten – Beitrags zur Rentenversicherung zum Aufbau von Eigentums­ansprüchen für die Altersvorsorge. Hier bleiben nur noch bloße Anwart­schaftszeiten übrig.

Immerhin: Wir sind wieder wer…

Eine einzige Verbesserung ist zu vermelden: Langzeitarbeitslose werden nicht mehr als Hilfebedürftige bezeichnet, sondern als das, was sie nach der mit Gesetzeskraft im Verfassungsrang verkündeten Definition des Grund­rechts auf soziokulturelle Teilhabe sind: Leistungsberechtigte. Leider können sich die Betroffenen davon nichts kaufen…

Menschenverachtende Sanktionen

Nicht unerwähnt bleiben darf die Unterlassung dieses Gesetzgebers, Sanktionen aus dem Sozialgesetzbuch 2 zu entfernen, wie es vom Bundes­verfassungs­gericht implizit gefordert worden war, weil das Grundrecht auf soziokulturelle Teilhabe stets zu gelten habe. Wo manche noch ein „Sanktionsmoratorium“ erbitten, ist eine Normenkontrollklage angesagt!

Hartz IV ist ein Druckmittel!

Hartz IV bleibt damit unverändert das, als was es 2005 in Kraft getreten war: ein Mittel, um langzeitarbeitslose Arbeitnehmer in Niedriglohnjobs zu pressen, Arbeitnehmer mit der Angst um ihren Job einzuschüchtern und die soziale Hänge­matte verschärft dem Mottenfraß preiszugeben! Wie das Bundesverfassungsgericht feststellte, ist Hartz IV nichts anderes als ein Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des demokratischen und sozialen Bundesstaats!

Dagegen müsst Ihr Euch mit aller Kraft wehren!

Hartz IV muss sofort abgeschafft werden!

Bedingungsloses Grundeinkommen für alle!

Mainzer Initiative gegen HARTZ IV

Unsere Gruppentreffen sind:
jeden 1. Dienstag des Monats im DGB-Haus, Kl. Saal 1. OG

Eingang über den Hof

Zur Jeden-Monat-Demo rufen wir auf:
jeden 3. Mittwoch des Monats um 12 Uhr ab Münsterplatz beim ver.di-Haus

Aufruf zu 22. Jeden-Monat-Demo

Noch immer hat Deutschland nicht den gesetzlichen Mindestlohn, während er in Europa fast selbstverständlich, auf jeden Fall weit verbreitet ist und mit Hartz IV ein Gesetz existiert, das ihn zur Verhinderung der unaufhaltsamen Abwärtsspirale notwendig macht. Solange kein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wurde, gibt es nur eine wirksame Methode, gemäß Lohnabstandsgebot das Lohngefüge nach oben zu drücken: ein möglichst hoher Regelsatz bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende als de facto-Mindestlohn!

Am Mittwoch, den 20. April 2011 fordern wir ihn ein!

Sammelpunkt ist der Münsterplatz vor dem ver.di-Haus.

Die Jeden-Monat-Demo startet um 12 Uhr.

Schlusskundgebung gegen 12:30 Uhr vor dem Theater auf dem Gutenbergplatz

Sanktionen sind verfassungswidrig! (Ergänzung)

Sanktionen nach SGB II sind nicht nur intrinsisch verfassungswidrig. Die Verfassungswidrigkeit erhärtet sich auch unter folgendem Blickwinkel: Wenn das Grundrecht auf soziokulturelle Teilhabe im Wesentlichen ernst genommen werden wird, dann kam man es staatlicherseits deswegen nicht einschränken, weil das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass Hilfebedürftige (heute eher Leistungsbrechtigte) nicht an Dritte verweisen dürfen. Spätestens also, wenn der Leistungsberechtigte beim Jobcenter mit der Erklärung vorspricht, kein Essen mehr kaufen zu können, muss das Jobcenter die Regelsatzabsenkung zurückzunehmen und den vollen Betrag auszahlen, weil der Leistungsberechtigte nicht an die Tafel verwiesen werden darf.

Aufruf zum Ostermarsch 2011 in Mainz

Karsamstag, 23. April

Ostermarsch 2011 in Mainz

Für eine Welt ohne Krieg, Militär und Gewalt!

Deutschland führt Krieg. Diese grausame Realität wird nach neun Jahren Krieg in Afghanistan von der Bundesregierung zugegeben. Jetzt wird sogar nicht mehr geleugnet, dass es da­bei um wirtschaftliche Interessen geht. Dass die Bundeswehr Rohstoffe und Handelswege sichern soll, steht zwar schon seit Jahren im Weißbuch der Bundeswehr, führte aber, als der damalige Bundespräsident Köhler es aussprach zu sei­nem Rücktritt. Gutten­berg bekennt sich mittlerweile offen zum Krieg für Wirtschaftsinteressen. Es geht um Wohlstand, von dem immer weniger Menschen etwas haben. Die Schere zwischen Reich und Arm klafft im­mer mehr auseinander.

Schluss mit deutscher Beteiligung an Kriegen!

Fairer Welthandel statt Wirtschaftskriege!

Entgegen dem Gerede von Aufbauhilfe für Ent­wick­lung und Demokratie stützt die Bundeswehr in Afgha­nistan ein korruptes undemokratisches menschenrechtsverletzendes Regime, das von regionalen Kriegs­herren und Drogenhändlern getra­gen wird. Nach neun Jahren hat sich der Krieg ausgeweitet, die westlichen Truppen werden im­mer mehr als todbringende Besat­zungstruppe wahrgenommen. Gerade weil die Bun­deswehr in Afghanistan Krieg führt, hat sich die Wahr­schein­lichkeit terroristischer Anschläge in Deutschland erhöht.

Die Fortsetzung des Kriegs in Afghanistan bringt immer mehr Tote, aber weder Frieden noch Demokratie.

Bundeswehr raus aus Afghanistan!

Zivile Konfliktlösung unter Berücksichtigung der Friedenspläne, die die Friedensbewegung bereits er arbeitet hat.

Die Aussetzung – nicht Abschaffung – des Zwangs zum Kriegsdienst ist eine gewaltige Erleichterung für diejenigen, denen Musterungen, Gewissens­prüfungen, Zwangskriegsdienst oder Gefängnis erspart bleiben.

Dahinter stehen jedoch weder Friedenswille noch Men­schen­freundlichkeit: Die Bundeswehr wird immer kon­se­quenter zur weltweit agierenden Interventions­trup­pe um­gebaut, personell und materiell.

Der Bundeswehr nutzt Massenarbeitslosigkeit und Per­spektivlosigkeit vieler Jugendlicher zur Rekru­tierung. Sie wirbt aggressiv und penetrant in Fuß­gängerzonen, Schulen und Arbeitsagenturen sowie bei Jugendfesti­vals und Berufsausbildungsmessen. Nicht nur Aussetzung, sondern Abschaffung des Zwangs zum Kriegsdienst! Schluss mit der Bun­deswehr-Rekrutierung im öffentlichen Raum!

Krieg ist zu einem selbstverständlichen Mittel der deutschen Außenpolitik geworden.

Krieg darf kein Mittel der Politik sein!

Krieg und Gewalt verschärfen Probleme.

Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit.

Krieg ist organisierter Massenmord.

Krieg schafft die Voraussetzungen für neue Kriege und neue Gewalt.

Dieser gefährlichen Dynamik müssen wir uns ent­ge­genstellen, indem wir uns für Abrüstung, Ent­militari­sierung, gewaltfreie Konfliktlösung und die Beseiti­gung aller Kriegsursachen einsetzen.

Wir treten ein für:

  • Rückzug der Bundeswehr von allen Auslandseinsätzen
  • Austritt aus der NATO
  • eine Bundesrepublik ohne Armee
  • Abzug der Besatzungsmächte aus Irak und Afghanistan
  • Abschaffung aller Kriegs- und Zwangsdienste
  • Ende der Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern in aller Welt
  • Asyl für Kriegsdienstverweigerer
  • Geld für Konversionsprojekte statt Rüstungsausgaben
  • zivile Nutzung von Militäranlagen und Rüstungsfabriken (Rüstungskonversion)
  • Beendigung aller Waffenexporte
  • Abschaffung aller Atomwaffen, auch der in Büchel (Eifel) stationierten Atombomben
  • Stilllegung aller Atomkraftwerke
  • Abkehr vom Öl zugunsten erneuerbarer Energien
  • eine Lebens- und Produktionsweise, die mit deutlich weniger Energie auskommt; Klimapolitik ist Friedenspolitik!
  • Sicherung und Verteidigung sozialer und politischer Errungenschaften und damit gegen Polizeigewalt, Sozialabbau, Überwachungsstaat und Bundeswehreinsatz im Innern
  • eine gerechte Weltwirtschaftsordnung

Veranstalter: sehr viele Gruppen des alternativen Spektrums, darunter die Mainzer Initiative gegen HARTZ IV, Linkswärts e. V., attac Mainz, DIE LINKE. Stadt Mainz uvm.

um 10:30 am Hauptbahnhof Manz

Weitere Informationen: DFG-VK Mainz

Aufruf zur 22. Jeden-Monat-Demo

Die bundespolitische Situation bleibt unfassbar: Die Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat ignorieren ein Bundesverfassungsgerichtsurteil, senken den Hartz-IV-Regelsatz de facto sogar noch ab, sie streichen mit dem Anteil für Alkohol und Tabak gesellschaftsweit akzeptierte Genussmittel aus der Lebenswirklichkeit von Langzeitarbeitslosen und schaffen damit – nun endlich für jedermann sichtbar – Menschen zweiter Klasse, sie leugnen die Notwendigkeit des gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohns und zementieren sowohl Niedriglohnsektor und Massenarbeitslosigkeit als auch die Erpressbarkeit der Arbeitnehmer, Jobs zu Konditionen annehmen zu müssen, die ihnen kein existenzsicherndes Einkommen ermöglichen und volkswirtschaftlich unsinnig sind, sie ruinieren Eltern bzw. junge Leute, die gerne ein Kind haben würden, aber vor lauter Unsicherheit nicht wissen wohin. — Doch wo bleibt der Aufschrei der gerecht und billig Denkenden??

Am Mittwoch, den 16.03.2011 sind wir wieder auf der Straße mit der 22. Mainzer Jeden-Monat-Demo! Um 12 Uhr geht es los am Münsterplatz.

Redebeitrag zur 21. Jeden-Monat-Demo

Dies ist die leicht redigierte Fassung des Redebeitrags von Manfred Bartl von der Mainzer Initiative gegen HARTZ IV zur Jeden-Monat-Demo am 16. Februar 2011.

Mainzerinnen und Mainzer,

willkommen zur 21. Jeden-Monat-Demo.

Die Koalition aus CDU/CSU und FDP und die Oppositionsparteien SPD und GRÜNE – zusammengenommen die Hartz-IV-Parteien – treten die verfassungsgemäßen Grundrechte mit Füßen.

Erst schaffen sie das de facto-Grundrecht auf soziokulturelle Teilhabe durch Hartz IV im Jahr 2003 ab, dann kriegen sie es, vom  Bundesverfassungsgericht unter Wink mit dem Zaunpfahl auf Verstoß gegen Artikel 1 und 20 des Grundgesetzes dazu angemahnt, innerhalb eines Jahres nicht hin, ein verfassungsgemäßes Existenzminimum zu definieren und dann verhöhnen sie uns Menschen noch in einem sogenannten Vermittlungsverfahren mit dem Gerede von5 oder 8 oder 11 Euro mehr. Angesagt sind aber 141 Euro mehr für einen die soziokulturelle Teilhabe wenigstens kurzfristig sichernden Regelsatz von 500 Euro!

141 Euro mehr!

Und das rückwirkend bis zum Inkrafttreten von Hartz IV am 1.1.2005, da Grundrechte sich nicht temporär ausknipsen lassen…

Ein existenzsichernder Regelsatz geht alle an. Auch ohne gesetzlichen Mindestlohn ist der Hartz-IV-Regelsatz aufgrund des von denselben Parteien hochgehaltenen Lohnabstandsgebotes ein de facto-Mindestlohn. Es ist also in jedermanns Interesse, einen möglichst hohen Regelsatz durchzusetzen. Nichtsdestotrotz fordern wir den gesetzlichen Mindestlohn!

Was wir alle aber brauchen, ist mehr Solidarität!

Auch in Euer aller Interesse kann es nicht sein, wenn die Regierung durch die Streichung von Alkohol und Tabak aus dem Regelsatz Menschen zweiter Klasse aus den Hartz-IV-Leistungsberechtigten machen will. Kämpft dagegen an!

In Mainz hat die Ampelkoalition aus SPD, GRÜNEN und FDP den SozialPass als ihr Projekt ausgerufen, um das Sozialticket zum Wucherpreis der MVG abzulösen und den Anspruch des Grundrechts auf soziokulturelle Teilhabe gemäß dem Anteil des Hartz-IV-Regelsatzes für den ÖPNV zu erfüllen. Davon ist weit und breit nichts zu sehen. Das Sozialticket ist immer noch Stand der Dinge, es kostet inzwischen 51,40 Euro und zwingt regelrecht zum Schwarzfahren. Kämpft mit uns mit für soziale Gerechtigkeit!

Eltern, die in Hartz IV geraten, sind total angeschmiert: das Kindergeld wird ihnen von Anfang an vorenthalten, seit neustem wird ihnen auch das Elterngeld noch vorenthalten und wenn sie gerade von Alg I zum Alg II wechselten und mit dem Armutsgewöhnungszuschlag gerechnet haben, dann wird ihnen auch dieser gestrichen. Eltern, die in Hartz IV geraten, wir so bis zu 761 Euro jeden Monat vorenthalten! Kämpft dagegen an!

Insbesondere Eltern: Kämpft doch dagegen an!!

Eltern, alle Eltern, kämpft gegen das asoziale Elterngeld! Von dem Mindestbetrag von 300 Euro pro Monat (wie er bis 2010 auch für Hartz-IV-Eltern galt), von dieser Kürzung um 50 Prozent gegenüber dem Erziehungsgeld sind viel mehr betroffen. Eltern, geht doch auf die Straße und kämpft dagegen an!

Arbeitnehmer…  Kennen Arbeitnehmer heute noch ihre Rechte und Potenziale? Wer arbeitet bei Zeitarbeitsfirmen, die kein equal pay bieten? Wer arbeitet für Löhne, die man mit Hartz IV aufstocken müsste (was manche nicht einmal tun)? Wer arbeitet 40 Stunden die Woche und kämpft nicht für die längst überfällige Arbeitszeitverkürzung auf die 30-oder sogar 25-Stunden-Woche? Wer gehört zu den 12 Millionen, die eine Riester-Rente abgeschlossen haben? Warum? Ihr alle seid nicht mit uns auf der Straße, um gegen Milliardenverschwendung beim Bankenrettungsschirm und bei der “Rettung” des geliebten Euro zu demonstrieren? Wo sind die bewussten Menschen, die all das nicht mit sich machen lassen und mit uns dagegen kämpfen?

Redebeitrag zur 20. Jeden-Monat-Demo

Dieser Textbeitrag entstand aus der Überarbeitung des Redebeitrags von  Manfred Bartl, Mainzer Initiative gegen HARTZ IV, zur 20. Jeden-Monat-Demo am 19.01.2011.

Liebe Mainzerinnen und Mainzer,

dies ist die Mär vom abhanden gekommenen Hartz-IV-Regelsatz.

Wenn man dieser Tage die Zeitungen aufschlägt und Artikel über „Hartz-IV-Verhand­lungen“ liest, kommen darin vor allem Wörter wie Bildungspaket, Mindestlohn und Leiharbeit vor. Wie konnte es dazu kommen?

2003 hatte eine rot-grüne Regierungskoalition mit den Stimmen von schwarz-gelb in Berlin das vierte Gesetz über Modernisierungen am Arbeitsmarkt – kurz: Hartz IV – beschlossen. Zentrale Auswirkung dieser Modernisierung war die Zusammenlegung von Arbeitslosen­hilfe und Sozialhilfe auf dem Niveau der Sozialhilfe. Gegenüber der Sozialhilfe erschien das neue Arbeitslosengeld II durch Einberechnung von ein­maligen Beihilfen in die monatliche Pauschale zwar aufge­hübscht, nur eine Partei erkannte dennoch, was Hartz IV wirklich ist: Armut per Gesetz!

Diese hatte viele Faktoren: Das Aufbrauchen des (Altersvorsorge-)Vermögens auf dem Weg zur Hilfebedürftigkeit, die fehlenden Beihilfen bei außerplanmäßigen kleineren und erst recht größeren notwendigen Neuanschaffungen und natürlich der vorne und hinten nicht reichende Regelsatz von 345 Euro, der etwa keinerlei Ausgaben für Bildung vorsah und der schließlich – nach Jahren – am 9. Februar 2010 vom Bundesverfassungsgericht zu Fall gebracht wurde. Allerdings nicht unmittelbar, sondern mittelbar über sein intransparentes Zustande­kommen, das dem Gesetzgeber bis zum 31.12.2010 zur Nachbesserung aufgetragen wurde, um ab dem 1.1.2011 mit einem verfassungsgemäß zustandegekommenen Regelsatz weiterzumachen. Andernfalls müsste ein später bestimmter Regelsatz rückwirkend zum 1.1.2011 in Kraft treten.

Die zuständige Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen, ließ erst einmal ein paar Monate verstreichen – und präsentierte den perplexen Hilfebedürftigen dann eine faustdicke Überraschung: die Neuberechnung des Hartz-IV-Regelsatzes hätte einen gegenüber dem vorher geltenden Regelsatz um 5 Euro erhöhten Betrag von 364 Euro zur Folge; bei den Kindern müsste man allerdings theoretisch etwas abziehen, man ließe ihnen aber das Geld wie bisher und würde die Kinder einfach ein paar preisinduzierte Regelsatzanpassungen aussetzen lassen, bis alles wieder mit dem errechneten Bedarf übereinstimme. Das kam unvorbereitet, denn die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht war ja gerade über die Kinderregelsätze möglich geworden. Die Kinderregelsätze wurden vom Eckregelsatz für den alleinlebenden Erwerbsfähigen durch willkürliche prozentuale Abzüge abgeleitet, der, wie gesagt, keinen Ausgabenposten für Bildung beinhaltet! Für alle Beobachter stand fest, dass bei einer soliden Neuberechnung nach transparenten Kriterien nicht nur irgendwelche neuen Regelsätze für die verschiedenen Altersstufen, sondern vor allem auch höhere Regelsätze herauskommen würden müssen.

Dem Anspruch des Bundesverfassungsgerichts nach Transparenz der Neuberechnung kommt von der Leyen nur insofern nach, als deutlich wiederum die Verfassungswidrigkeit durchscheint. Noch nicht die wichtigste, aber eine sehr offensichtliche ist die Streichung des Anteils für Alkohol und Tabak, gesellschaftlich anerkannte Genussmittel, vor allem in für soziale Teilhabe so wichtiger Gesellschaft (übrigens auch noch ohne Herausrechnung der Ausgaben der Bezugsgruppe für diese “Genussgifte“).

Nachdem von der Leyen so spät in die Gänge gekommen war, wird das Procedere nun weiter ausgebremst durch die rot-rot-grüne Blockade im Bundesrat. Doch was da in den Arbeitsgruppen des Vermittlungs­aus­schusses von Bundestag und Bundesrat diskutiert wird, ist nicht primär der Hartz-IV-Regelsatz, sondern andere, die Arbeitsmarkt­politik insgesamt berührende Themen wie eben der Mindestlohn und die Leiharbeit. Man versucht, genauer: die SPD versucht ohne Rücksicht auf Verluste, mit ihrer Zustimmung zum um gerade mal 5 Euro erhöhten Regelsatz andere Themen durchzupeitschen. Doch so sehr der gesetzliche Mindestlohn hilfreich auch für die Hartz-IV-Problematik wäre, so wenig hilft er bei der Durchsetzung eines wirklich verfassungs­gemäßen Regelsatzes von nach unserer Meinung 500 Euro, wenn sich niemand explizit darum bemüht – nicht einmal die LINKSFRAKTION im Bundestag, die erst mit dem Bundesverfassungsgericht drohen musste, um überhaupt zur Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses zu­gelassen zu werden, und nun nur Zahlen Dritter in den Verhandlungen thematisiert, statt die eigene Forderung einzubringen.

Redebeitrag des Kritischen Kollektivs zur 20. JMD

Auch der Initiator des Themas Schwarzfahren anlässlich des Berichtes über eine wegen wiederholten Schwarzfahrens zu 2 Monaten Haft verturteilten Hartz-IV-Leistungsberechtigten, Pancho vom Kritischen Kollektiv, hat einen Redebeitrag beigesteuert:

Schwarzfahren für soziale Teilhabe
kollektiv am 19. Januar 2011

Die heutige Demo der Mainzer Initiative gegen Hartz IV erfuhr heute anlässlich der Verurteilung einer Mainzer Hartz-IV-Empfängerin zu 2 Monaten Haft wegen Schwarzfahrens erstmalig Unterstützung aus anderen linken Spektren.
Rund 20 Demonstrant_innen sind zwar noch viel zu wenig, aber für die lokale Erwerbsloseninitiative so etwas wie ein Teilnehmer_innenrekord und somit immerhin ein Anfang.
Hier der Redetext des Kritischen Kollektivs:

Schwarzfahren ist eine Straftat, daran lässt der Gesetzgeber keinen Zweifel. Keine schwere Straftat, aber auch nicht lediglich eine Ordnungswidrigkeit. Und so kann es auch niemanden überraschen, dass die Gerichte es als eine solche ahnden.

So fand letzte Woche am Mainzer Amtsgericht ein Strafverfahren gegen eine 61jährige Mainzerin statt. Die ehemalige Facharbeiterin und Mutter dreier erwachsener Kinder wurde wegen mehrmaligen Schwarzfahrens zu einer Haftstrafe von zwei Monaten verurteilt. Aufgrund eines Bewährungswiderrufs läuft das Urteil in der Konsequenz voraussichtlich auf ein Jahr Haft hinaus. Ein Jahr im Knast wegen Schwarzfahrens. Und keineswegs ein Einzelfall.

Das Urteil ist bitter, vor allem weil die Frau – wie so viele andere in Mainz und anderswo – überhaupt keine Alternative zum Schwarzfahren hat. Wie so viele andere muss sie von Hartz IV leben, und damit Jahr für Jahr mit immer weniger Geld auskommen. Schließlich steigen die Preise von Busfahrkarten ebenso wie die Lebensmittelpreise Jahr für Jahr um mehrere Prozent – der ALG-II-Regelsatz hingegen wurde nur alle paar Jahre um wenige Pünktchen angepasst. Daran ändern auch die aktuell von der Bundesregierung diskutierten 5€ Schweigegeld nichts.

Dass Hartz IV alles andere als eine soziale Hängematte ist, hat sich hoffentlich herumgesprochen. Zwang und Schikane, Abhängigkeit und Kontrollverlust, soziales Ausgegrenztsein und Stigmatisierung prägen das Leben eines Hartz-IV-Empfängers, einer Hartz-IV-Empfängerin. Dabei wurde uns Hartz IV eigentlich als Antwort auf das Grundrecht der unantastbaren und vom Staat zu schützenden Würde des Menschen verkauft, als Ausdruck des ebenso grundgesetzlich verankerten Sozialstaatsprinzips.

Pustekuchen. Die Berechnung des Regelsatzes ist absurd. Für Mobilität als einem existenzsichernden Grundbedarf stehen monatlich 15,97€ zur Verfügung. Der Betrag wird 2011 zwar ein wenig angehoben – dies jedoch nur im Gegenzug zu Kürzungen an anderer Stelle. Ein Verschiebebahnhof, nicht mehr.
Bestenfalls 20 Euro sollen also für die Nutzung des öffentlichen Verkehrs ausreichen, für alltägliche Besorgungen, Arztbesuche, Fahrten zum Arbeitsamt und was so notwendigerweise anfällt.
Moment, aber es heißt doch, Hartz IV solle nicht nur das pure Überleben sichern, sondern die soziokulturelle Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen. Das beinhaltet doch zumindest auch Fahrten zu Bildungseinrichtungen, kulturellen Angeboten, ins Schwimmbad, zu Freunden und Verwandten, die womöglich nicht einmal am selben Ort wohnen.

Bestenfalls 20 Euro für die Nutzung des öffentlichen Verkehrs. Dabei kostet allein das sogenannte „Sozialticket“ für den Mainzer Stadtverkehr über 50 Euro. Damit ist noch keine einzige Fahrt über die Stadtgrenze hinaus abgedeckt, geschweige denn der Bedarf, dann und wann ein paar Getränkekisten oder einen größeren Einkauf per Carsharing, Taxi oder ähnlichem zu transportieren.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die letzte Woche verurteilte Frau gar keine Alternative dazu hatte, eben schwarzzufahren, wenn sie nicht in den eigenen vier Wänden versauern will. Und auch wenn sie aus dem Knast zurückkehrt, wird sie wieder vor derselben Situation stehen.

Ganz unabhängig von der Frage, ob der öffentliche Nahverkehr nicht für alle kostenlos sein sollte, ist dies ein Grund, dass wir uns mit dieser Frau solidarisieren, dass wir uns mit allen Betroffenen solidarisieren.
Ihr Schwarzfahren mag illegal sein, aber es ist legitim. Ihr Wunsch, am Leben teilnehmen zu können, mag die Behörden nicht interessieren, aber er bedeutet, die Würde des Menschen zu wahren. Auch wenn wir sie nicht aus dem Knast herausboxen können, können wir ihr und anderen Unterstützung anbieten, in der Öffentlichkeit, auf der Straße, im Bus.

Wir sind alle Schwarzfahrer!

Pressespiegel zur 20. Jeden-Monat-Demo

Die Mainzer “Allgemeine Zeitung” kündigte am Tag zuvor die sowohl die Jeden-Monat-Demo als auch ihren Themenschwerpunkt Mobilität und legitimes Schwarzfahren an und druckte am Donnerstag einen Bericht von Julia Sloboda mit einem fragwürdigen, die Tatsache in Zweifel ziehenden Titel “Gezwungen zum Schwarzfahren?” ab. Online ist der Titel nicht weniger fragwürdig, eine glatte Falschdarstellung:

Mainz
Mainzer Hartz IV-Empfänger fordern Fahren ohne Fahrschein
20.01.2011 – MAINZ

Von Julia Sloboda

“Schwarzfahrer” steht auf den Schildern, die einige Demonstranten bei der monatlichen Kundgebung der “Mainzer Initiative gegen Hartz IV” vor sich hertragen. Wichtigstes Thema diesmal ist das Mobilitäts-Problem der Hartz IV-Empfänger. “Vom Regelsatz entfallen weniger als 20 Euro auf die Nutzung des öffentlichen Verkehrs, das ist absurd”, sagt Demonstrant Pancho. “Wenn ich mir ein Sozialticket für den Stadtverkehr kaufe, kostet das über 50 Euro, das kann sich ein Hartz-IV-Empfänger nicht leisten.”

Die Alternative für die Demonstranten heißt Schwarzfahren. “Ich fahre jetzt seit zwei Jahren schwarz und werde das auch nicht ändern, denn es geht nicht anders”, erzählt Diplom-Chemiker Manfred Bartl, Sprecher der Initiative und Vorstand des verdi-Erwerbslosenausschusses.

20 Demonstranten haben sich vor dem Theater eingefunden, das ist neuer Rekord. “Es könnten noch mehr Leute sein. Wir brauchen die Öffentlichkeit. Die meisten haben doch keine Ahnung von unseren Problemen”, sagt Bartl und drückt Passanten einen Info-Zettel in die Hand. “Und wer soll das alles bezahlen?”, fragt ein älterer Herr im Vorbeigehen.

“Fahrt doch Fahrrad”

Gegenstand der Protestaktion am Theater ist auch die vor Kurzem verurteilte 61-jährige Mainzerin. Die mehrfach vorbestrafte ALG-II-Empfängerin war beim Schwarzfahren erwischt und zu einer Haftstrafe verurteilt worden (die AZ berichtete). “Die Frau wird jetzt kriminalisiert, dabei ist sie ein Opfer. Ihr Schwarzfahren mag illegal sein, aber es ist legitim”, sagt Pancho in seiner Ansprache.

Seine Mitdemonstranten fordert er auf, sich mit den Betroffenen zu solidarisieren. “Busfahrkarten, aber auch Lebensmittel werden immer teurer, der ALG-II-Regelsatz steigt aber nur alle paar Jahre ein bisschen. Die Frau und auch viele andere haben keine Alternative zum Schwarzfahren”, ruft er durch sein Megafon. “Fahrt doch Fahrrad”, sagt eine vorbeilaufende Studentin.

“Wir wollen keine Menschen zweiter Klasse sein, sondern ein normales Leben führen. Jetzt werden wir aber erst mal noch ein bisschen schwarzfahren”, kündigt Manfred Bartl abschließend an. Und auch Pancho hofft, damit um Unterstützung und Verständnis fürs Fahren ohne Fahrschein werben zu können.
Die Mainzer Verkehrsgesellschaft wollte sich zu der Protest-Aktion nicht äußern.

Pressekritische Anmerkungen:

Warum hätte sich die MVG dazu äußern sollen? Es ist die Stadt Mainz, die das Sozialticket für 15 Euro bei der MVG bewirken oder ganz grundlegend den schon für Mitte 2010 angekündigten SozialPass mit einem Mobilitätsanteil von maximal 15 Euro einführen muss!

Warum werden angeblich aufgeschnappte Äußerungen von Passanten wiedergegeben, die mit ihrem Vorbeigehen ohnehin deutlich machen, dass sie es nicht wirklich wissen wollen und gar nicht wirklich die Absicht hegen, darüber zu reden?

Wer ist für die Freischaltung der Leserkommentare verantwortlich? Auf der Seite erscheinen Kommentare, die zumindest nahe heranreichen, den Tatbestand der Volksverhetzung zu erfüllen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine rechtsphilosophische Verankerung im gegenwärtigen Gerechtigkeitsdiskurs werden nahezu völlig ignoriert. Ich habe immer wieder aufklärende Kommentare zwischenzuschieben versucht, aber die Freischaltung schien zwischenzeitlich ins Stocken geraten zu sein…


Am Samstag erschien das Stück “Sozialticket statt Schwarzfahren” (Allgemeine Zeitung, 22.01.2011) von Werner Wenzel mit der Reaktion Daniel Köblers auf die Jeden-Monat-Demo in der “Allgemeinen Zeitung”:Mainz

“Sozialticket statt Schwarzfahren”
22.01.2011 – MAINZ (ww). Die rasche Einführung eines vergünstigten Sozialtickets, unter anderem für Hartz-IV-Empfänger, fordern die Grünen als Reaktion auf eine Schwarzfahrer-Demo in dieser Woche. “Es kann nicht sein, dass Menschen, die Hilfe aus Hartz IV beziehen müssen, sich in Mainz ein normales Busticket nicht leisten können”, sagte der stellvertretende Fraktionssprecher der Grünen im Stadtrat, Daniel Köbler. Schwarzfahren und damit gegen Gesetze zu verstoßen oder Geld auszugeben, das dann für Essen oder Kleidung fehle, sei keine Alternative. Nachdem der Stadtrat die Einführung eines so genannten Mainz-Passes beschlossen hat, hofft Köbler nun auch auf die Einsicht der MVG, “dass mit einem solchen Angebot auch zusätzliche Fahrgäste gewonnen werden können, die bisher das Auto nutzen, gänzlich auf Mobilität verzichten – oder eben schwarzfahren”.

Das grundsätzliche Problem, dass Hartz IV soziale Teilhabe nicht garantiere, werde auf kommunaler Ebene nicht gelöst. Hier sei die Bundesregierung gefordert, die “existenzbedrohende Lage dieser Menschen zu lindern”, so Köbler.

Presse- und andere kritische Anmerkungen:

Es wäre schön zu erfahren, bei welcher Gelegenheit diese Reaktion aufgenommen wurde und warum solche Reaktionen von uns nicht angefragt werden, wenn sich bei Hartz IV etwas tut, etwa im Zusammenhang mit den aktuellen Verhandlungen beim Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.

Das angesprochene “grundsätzliche Problem, dass Hartz IV soziale Teilhabe nicht garantiere”, verdanken wir der rot-grünen Koalition im Bund.

Die Hilflosigkeit, die sich darin äußert, dass Köbler auf die “Einsicht der MVG” hofft, ist geradezu beschämend. 1. Die GRÜNEN waren angetreten, um unkontrollierte Alleingänge städtischer Betriebe (wie das Kohlekraftwerk der KMW AG) zu verhindern. Nun knicken sie ein vor störrischen Weigerungen der Stadtwerke-Tochter MVG, die Daseinsvorsorge von Hilfebedürftigen zu garantieren! 2. Den GRÜNEN scheint jede politische Handlungsfähigkeit verloren gegangen zu sein. Der Stadtrat mit der Mehrheit der Ampelkoalition könnte einfach beschließen, dass der von der Stadt selbst kostenlos ausgegebene Sozialausweis als VMW-Ticket gilt. Dann kann die MVG sich querstellen wie sie will!

Auch zu diesem Artikel ist die Mehrzahl der Kommentare von beschämend dummen und menschenverachtenden AZ-Lesern geschrieben worden.


Auch unser Stadtverband der Partei DIE LINKE hat sich zu Wort gemeldet, nämlich mit einer bei “scharf links” veröffentlichten Pressemitteilung:
“Sozialticket muss sich am Regelsatz orientieren” – DIE LINKE. Mainz fordert angemessene Fahrpreise für sozial Schwache23.01.11

In der neu entfachten Debatte um ermäßigte Fahrpreise für sozial Schwache, bekräftigt DIE LINKE. Mainz ihre Forderung nach Anpassung des Sozialtickets an die Hartz-IV-Regelsätze.

Die Kundgebung der “Mainzer Initiative gegen Hartz IV” in der letzten Woche, in der die Demonstranten Schwarzfahren als Antwort auf die hohen Kosten für ein Sozialticket forderten, bringe es auf den Punkt: Das bestehende Sozialticket der Stadt Mainz ist für Langzeitarbeitslose und Bezieher von Grundsicherung unerschwinglich. Bei einem Hartz- IV-Regelsatz von unter 20 Euro für Mobilität sind knapp 50 Euro für eine Monatsfahrkarte alles andere als sozial.

Skeptisch zeigt sich der Stadtverband der Mainzer Linken gegenüber den Plänen der “Ampelkoalition” zur Einführung eines “Mainzer Sozialpasses”, der unter anderem auch ermäßigte Fahrpreise im ÖPNV vorsieht. Zwar ist die Einführung eines Sozialpasses grundsätzlich zu begrüßen, es bleibe aber abzuwarten ob dieser “Sozialpass” den Namen auch verdient.

“Wird der ‘Mainzer Sozialpass’ eingeführt, müssen sich die Kosten für das integrierte Sozialticket am Regelsatz der Transferleistungen orientieren”, so Ilona Schäfer, Vorsitzende der LINKEN. Mainz. Ein Sozialpass müsse den in Mainz lebenden bedürftigen Menschen Mobilität sichern und Ausgrenzung verhindern. “Gerade die Menschen, die auf öffentliche Unterstützung angewiesen sind haben doch einen erhöhten Bedarf an Mobilitätskosten z.B. durch Bewerbungen oder Amtsgänge. Das sehen wir im derzeitigen Sozialticket nicht berücksichtigt”, so Schäfer abschließend.

Kritische Anmerkungen:

Wie auch Daniel Köblers Stück unter Mithilfe von Werner Wenzel von der “Allgemeinen Zeitung” geht Ilona Schäfers Pressemitteilung nicht [nicht einmal in Cc] an uns, sondern an uns vorbei direkt an die Presse – auch ohne jeden nachträglichen Hinweis auf die resultierende Veröffentlichung. Dass darin von einer “Kundgebung der ‘Mainzer Initiative gegen Hartz IV'” die Rede ist, obwohl es sich um eine im Namen des Koordinierungsforums der Mainzer Erwerbsloseninitiativen (Mainzer Initiative gegen HARTZ IV, ver.di Erwerbslosenausschuss Rhein – Nahe – Hunsrück, ESHI und DIE LINKE.Mainz) organisierte Demo handelte, in dem DIE LINKE zumindest in der Theorie nach wie vor vertreten ist, wenngleich niemand zu den Koordinierungstreffen erscheint, drückt noch mehr Distanz aus – zumal auch noch die ganze Reihe von neuen UnterstützerInnen unterschlagen wird.

Im weitesten Sinne kommt in der PM eine unpolitische Haltung zum Ausdruck, wenn man sich hinter der Bemerkung verschanzt, dass es “abzuwarten bleibe” ob dieser ‘Sozialpass’ [des politischen Gegners!] den Namen auch verdiente. Warum bleibt es [einer politischen Partei] lediglich übrig abzuwarten? Und wer redet von “sozial Schwachen”??

Die Begründung des – tatsächlich –  erhöhten Bedarfs an Mobilitätskosten ausgerechnet durch “Bewerbungen oder Amtsgänge”, von denen jeweils ein guter Teil zusätzlich zum Regelsatz übernommen wird, erscheint mir fragwürdig. Vor allem entstehen dadurch höhere Mobilitätskosten, dass man Mobilität in größeren Dimensionen gar nicht eigenverantwortlich organisieren kann, weil sich nur die wenigsten ein Auto leisten können (und viele davon werden durch den Wegfall des Armutsgewöhnungszuschlages in Zukunft noch schneller auf ein Auto verzichten müssen) und weil ein Leben zu organisieren ist, das eben nicht nur aus einmal arbeiten und einmal einkaufen, sondern viel kleinteiliger aus vielen verschiedenen, selbstorganisierten Sozialkontakten und wg. Preisvergleichen vielen Kleineinkäufen und etwa aus Gängen zur Tafel besteht!

Die “Forderung nach Anpassung des Sozialtickets an die Hartz-IVRegelsätze” ist immerhin knackig klar ausgedrückt! Leider versperrt sie wohl auch der LINKEN den Blick auf die Möglichkeit, einfach den Sozialausweis der Stadt Mainz durch den Stadtrat mit der Mehrheit der Ampelkoalition zum kostenlosen VMW-Ticket dekretieren zu lassen…

Jeden-Monat-Demo zum verschwundenen Regelsatz und zum Sozialticket

Treffpunkt zur Jeden-Monat-Demo ist am Mittwoch, den 19. Januar 2011 um 12 Uhr am Münsterplatz beim ver.di-Haus! Abschlusskundgebung gegen 12:25 Uhr vor dem Staatstheater Mainz.

Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2010 wurde auch das Mainzer “Sozialticket” wieder teurer und kostet nun 51,40 Euro. Man erkennt daran, dass es sich i.e.S. gar nicht um ein Sozialticket handelt, das zu sozialen Zwecken mit einem diesem Zweck angemessenen Preis ausgestattet ist, sondern einfach einen willkürlich gesetzten Rabatt von 25 Prozent auf die normale Monatskarte. Wir fordern den Mainzer Stadtrat auf, endlich ein echtes Sozialticket zum Preis von 15 Euro zur Verfügung zu stellen, alternativ einen umfassenden SozialPass mit einem Mobilitätsanteil (für ÖPNV-Dienstleistungen) von maximal 15 Euro! Gesellschaftlich noch günstiger würde sich dann nur noch der voll steuerfinanzierte gratis nutzbare ÖPNV darstellen, mit dem umfassend Gerechtigkeit hergestellt werden könnte und viele volkwirtschaftliche Kostenfaktoren wie Fahrkartenausgabestellen und -automaten, Kontrolleure etc. überflüssig werden würden.

Am 25. Januar 2011 fahre ich, Manfred Bartl, seit zwei Jahren ohne Sozialticket und andere Fahrkarten (Ausnahmen bestätigen die Regel) für die Aktion “Schwarzfahren für Gerechtigkeit” Busse und Bahnen in Mainz und verleihe dieser Forderung auf verfassungsgemäße Umsetzung von Grundrechten, hier dem Grundrecht auf soziokulturelle Teilhabe, auf diese Weise entsprechenden Nachdruck!

Mit dem Januar 2011 ist erstmals in den knapp über sechs Jahren, die wir schon unter Hartz IV leiden müssen, derzeit kein gültiger Regelsatz definiert! Der zuvor geltende Regelsatz von 359 Euro ist einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 zufolge verfassungswidrig zustandegekommen, und der neue Regelsatz, der als Folge verfassungsgemäßer “Berechnungen” zustandekommen sollte, ist noch nicht ausgehandelt und ist, soweit man die “Berechnungen” transparent nennen möchte, nur insofern durchscheinend, als die Verfassungswidrigkeit auch dieser neuen “Berechnungen” klar erkennbar ist; so wurde etwa der Anteil für Alkohol und Tabak herausgerechnet –  ein gerade in der Weinanbauregion Rheinhessen leicht nachvollziehbar unerhörter Eingriff ins Recht auf Lebensgestaltung erwachsener Menschen! Wir forderen den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat auf, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales klare Anweisungen zur transparenten und verfassungsgemäßen “Berechnung” des Grundsicherungsregelsatzes mit auf den Weg zu geben: nicht weniger als das Grundrecht auf soziokulturelle Teilhabe muss uns garantiert werden, und dies darf nicht von einem anti-marktwirtschaftlich erfundenen “Lohnabstandsgebot” eingeschränkt werden, wie es der Bundesregierung schon vom Bundesverfassunsgericht aufgegeben wurde!

Wir haben mindestens ein Anrecht auf ein normales Leben, und diese Gesellschaft wird uns entweder einen Arbeitsplatz mit angemessenem Einkommen zum Auskommen zur Verfügung stellen, oder – falls die Bevölkerungsmehrheit wirklich unbedingt viel mehr arbeiten möchte als wir – das entsprechende Einkommen zum Auskommen ohne marktwirtschaftlich abgestimmte Gegenleistung in Höhe von 500 Euro plus die Kosten der Unterkunft! Vom Tätigwerden für die Gesellschaft könnt Ihr uns sowieso nicht abhalten, wie Euch unser vielfältiges ehrenamtliches Engagement demonstriert!

Treffpunkt zur Jeden-Monat-Demo ist am Mittwoch, den 19. Januar 2011 um 12 Uhr am Münsterplatz beim ver.di-Haus! Abschlusskundgebung gegen 12:25 Uhr  vor dem Staatstheater Mainz.

Vorbereitung ab 10 Uhr im 5. Stock im ver.di-Haus beim Erwerbslosenausschuss des ver.di-Bezirks Rhein – Nahe – Hunsrück.