Aufruf zur 25. Jeden-Monat-Demo im September

Anlässlich der 4. Internationalen Woche des Grundeinkommens dreht sich bei der 25. Jeden-Monat-Demo am Mittwoch, den 21. September 2011 alles ums bedingungslose Grundeinkommen. Wir demonstrieren wie gehabt gegen Hartz IV und andere Formen des Sozialabbaus wie Elterngeld und Riester-Rente – und eben auch für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens! Damit wird die Einlösung des Grundrechts auf soziokulturelle Teilhabe garantiert, das vom Bundesverfassungsgericht am 9. Februar 2010 aus der Taufe gehoben worden war.

Sammelpunkt ist der Münsterplatz vor dem ver.di-Haus.

Die Jeden-Monat-Demo startet um 12 Uhr.

Schlusskundgebung gegen 12:30 Uhr auf dem Gutenbergplatz.

Zur Demo wegen dem Todesfall in einer Frankfurter Hartz-IV- Behörde

Aus aktuellem Anlass gab es zur Jeden-Monat-Demo im Juli einen zweiten Redebeitrag, der sich mit der Erschießung der Hilfebedürftigen Christy Schwundeck in einem Frankfurter Jobcenter auseinandersetzt.

Am Samstag, den 18.06.11 zogen 350 Menschen lautstark durch die Frankfurter Innenstadt. Sie fordern, dass die Erschießung von Christy Schwundeck aufgeklärt wird. Am 19. Mai wurde sie im Jobcenter Mainzer Landstraße von der Polizei erschossen. Die fast 40-jährige Christy Schwundeck befand sich in einer akuten Notlage; sie hatte kein Geld mehr zum Leben. Weder auf der Bank noch in bar. Der Sachbearbeiter und die Leiterin des Jobcenters verweigerten ihr aber einen Vorschuss von 10 Euro und bestanden darauf, dass Christy Schwundeck das Haus verlässt. Christy Schwundeck blieb, um sich Gehör zu verschaffen. Als die Polizei eintraf, eskalierte die Situation aus bisher ungeklärten Gründen. Während die Staatsanwaltschaft Frankfurt noch am selben Abend von „offensichtlicher Notwehr“ sprach, will die „Initiative Christy Schwundeck“ wirkliche Aufklärung. Viele Fragen seien nicht beantwortet, so zum Beispiel, warum das Jobcenter sagt, Christy Schwundeck sei friedlich gewesen bis zur Ankunft der Polizei, im Gegensatz zum Sicherheitsdienst, der die Polizei wegen einer „randalierenden Frau“ verständigt hatte. Die Medien sprachen ebenfalls sofort von einer „randalierenden“ Person.

Manga Diagne von der Initiative fragt: „Warum fällen Medien und Staatsanwaltschaft ein Urteil, ohne offene Fragen beantwortet zu haben? Soll hier zum Schutz der Polizei nicht ermittelt werden? Wir werden weiter dafür kämpfen, dass es zur Beantwortung unserer Fragen kommt und in einem Prozess Klarheit geschaffen wird.“ Die Demonstranten aus den afrikanischen Gemeinden, Erwerbsloseninitiativen und antirassistischen Gruppen riefen: „Warum, warum hat die Polizei geschossen? – Wir wollen Aufklärung!“ Eine Demonstrantin beschrieb es so: „Mich haben die lauten Fragen beeindruckt: ‚Warum sollte die Polizei schießen? Ist die Polizei nicht geschult? Wer ist der nächste?‘ Die Menschen hier sind emotional sehr betroffen. Beim gemeinsamen Rufen ‚Nein zur Polizeitötung, Nein, Nein.‘ habe ich die Ängste der Menschen durch die Tathandlung der Polizei gespürt.“

Ganze 2 Stunden dauerte der Trauermarsch, und so lange dauerten auch die Sprechchöre. Die ganz besondere Stimmung dieser Demo entstand durch den Wechsel von lautstarken Sprechchören und Schweigeminuten bei denen sich die ganze Demo hinsetzte. Zahlreiche Passanten wurden aufmerksam und haben sich über die Ziele der Initiative informiert. Auf der Kundgebung sprachen unter anderem Vertreter des Arbeitskreises München, von der Initiative für Oury Jalloh aus Dessau und von TheVOICE aus Berlin. Eine emotional beeindruckende, spontane Aktion auf der Kundgebung bot eine leidenschaftliche Sängerin, die mit dem Lied „Amazing Grace“ für Gänsehaut sorgte. Dieses Lied zum Abschluss hat noch einmal die emotionale Betroffenheit aller zum Ausdruck gebracht.

Trotz der eindrucksvollen Stärke der Demonstration und der Brisanz des Themas berichteten die Zeitungen bislang nicht. Sollen hier unbequeme Fragen nicht öffentlich gestellt werden? Die „Initiative Christy Schwundeck“ wird ihr Ziel, Aufklärung und Gerechtigkeit für Christy Schwundeck, weiterverfolgen und lädt alle Interessierten zur Mitarbeit und Unterstützung ein!

Nähere Informationen zum Tod von Schwundeck:
http://www.initiative-christy-schwundeck.blogspot.com

Bei der Vorbereitung der Demo sind einige Kosten angefallen: Telefonkosten, Druck von Flyern und Plakaten, Stoff und Farbe für Banner, Miete eines Wagens und einer Anlage für die Demo, Fahrtkosten, etc. Wer sich an den Kosten beteiligen möchte kann dies über das folgende Konto tun:

Spenden an die Initiative Christy Schwundeck
über das Konto von „Courage gegen Rassismus“ e.V. Frankfurt-Rödelheim:
Kontoinhaber: Uber – Courage
Bank: Deutsche Apotheken und Ärztebank Frankfurt
BLZ: 30060601
Ktn: 0103597946
Verwendungszweck: Initiative Christy Schwundeck
Bitte den Verwendungszweck unbedingt angeben!

Noch etwas in eigener Sache:
Im Zusammenhang mit diesem Todesfall sind mir Dinge zu Ohren gekommen, welche ich aus rechtlichen Gründen leider nicht veröffentlichen darf. Wie ich jedoch darüber denke, ist eine andere Sache. Immerhin, die Gedanken sind (noch) frei!

Interviews und Tondateien unter folgendem Link:
http://www.freie-radios.net/41786

H.E.

Rund ums Geld

Unser Redebeitrag von Manfred Bartl zur 24. Mainzer Jeden-Monat-Demo am 20. Juli 2011, gehalten im Dauerregen bei der Abschlusskundgebung auf dem Frauenlobplatz in der Mainzer Neustadt.

Liebe Konsumentinnen und Konsumenten!

Das OPEN OHR 2011 hat sich unter dem Motto “Rien ne va plus – Nichts geht mehr” mit dem Thema Geld und Bezahlen beschäftigt. Das machen wir Hartz-IV-Leistungsberechtigten auch – und zwar jeden Tag! Warum müssen wir jeden Cent zweimal umdrehen? Warum können andere leistungslos Millionen oder gar Milliarden einstreichen? Manchmal gerät Geld in die Diskussion, etwa wenn der Euro gerettet werden “muss”. Aber versteht noch jemand, worum es bei diesem “Geld” überhaupt geht? Man gewinnt nicht unbedingt diesen Eindruck, wenn monatelang über die Neuberechnung des Hartz-IV-Regelsatzes gerungen wird – und dann mit einer nominellen Erhöhung um 5 Euro faktisch ein Kürzung herauskommt, weil der Anteil für Alkohol und Tabak sang- und klanglos herausgestrichen wurde. Damit – und aus vielen anderen Gründen – genügt der neue Regelsatz nicht dem Anspruch des Bundesverfassungsgerichts auf Einlösung des Grundrechts auf soziokulturelle Teilhabe!

Die für eine scheinbare “Bankenrettung”, “Euro-Rettung” und “Griechenlandrettung” bereitzustellenden dreistelligen Milliardenmittel wurden innerhalb weniger Wochen bewilligt! Leben wir noch in einer Realität, die diesen Namen verdient? Ist die Bundesrepublik denn noch ein Sozialstaat? Ein Rechtsstaat? Eine Demokratie? Nein!

Wie unsinnig die Politik gesteuert wird, kann man gut an der Schuldenbremse ablesen. Nun bin ich grundsätzlich für ein solches Vorhaben zu begeistern. Ich will einen Statt, der sich ausschließlich über Steuern finanziert und der Schulden nur in unvorhersehbaren Situationen ausnahmsweise einmal aufnimmt. Doch welchen Eindruck erweckt ein solcher Plan in einem Staat, der die öffentliche Verschuldung seit Jahrzehnten als Mittel zum Zweck der künstlichen Aufrechterhaltung einer kapitalistischen Wirtschaftsweise betreibt? Wie kann eine Schuldenbremse überhaupt ohne eine gleichzeitige Vermögensbremse zum Ziel führen? Was wird ein Gesetzgeber, dem die Schuldenlast bislang piepegal war, wenn er nur seine überkandidelten Prestigeprojekte durchziehen konnte, unter den Bedingungen der Schuldenbremse anderes betreiben als Sozialabbau, Einschränkungen der Zivilgesellschaft, Kürzungen bei denen, die sich am wenigsten wehren können: bei Langzeitarbeitslosen, und im Bildungssektor!

Das sehen wir doch hier in der Stadt Mainz, wo auch zweieinhalb Jahre nach Beginn meiner Aktion “Schwarzfahren für Gerechtigkeit” und beinahe eineinhalb Jahre nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil immer noch kein verfassungsgemäßes Sozialticket haben!

Wir sehen es an der unwürdigen Diskussion um Kürzungen beim Staatstheater, obwohl unser Stadtschreiber Ingo Schulze schon zurecht dagegen wetterte und obwohl letzte Woche die ZEIT das “Lob der Hochkultur” gesungen hat.

Wir sehen es an der Diskussion um den Gesamthaushalt, die plakativ auf dem OPEN OHR ausgetragen wurde und laut “Allgemeiner Zeitung” beim Festivalmotto endete: beim Rien ne va plus!

Letzte Woche hielt Prod. Karl-Heinz Brodbeck seinen Vortrag zur “Herrschaft des Geldes” an der Mainzer Universität. Seine Argumentation drehte sich um die Entstehung und die Natur des Geldes. Er legte schlüssig dar, dass Geld nicht aus dem Tausch heraus entstanden sein und diesen nicht ersetzt haben kann. Das ist schon interessant, weil ich selbst das Thema beim OPEN OHR vom anderen Ende aufgezogen habe, doch dazu später mehr.

Brodbeck sagt, dass Geld im Wesentlichen aus dem Vertrauen besteht, das wir alle in das Geld als wertebevorratendes, indirektes Tauschmittel setzen, von dem unsere Gesellschaft durchorganisiert wird. Geld sieht Brodbeck als vergesellschaftendes Mittel auf einer Stufe mit unserer Sprache an!  Bankenrettungsschirm und den ganzen Mist bezeichnete Brodbeck als “systematische Missbrauchsorgie” unseres Vertrauens ins Geld. Wenn wir eine Lösung anstrebten, dann müssten wir den Leuten das Handwerk legen, die unser Vertrauen ins Geld und in “Geldstabilität” für ihre eigene Bereicherung ausnutzen.

Beim OPEN OHR habe ich das Thema mit der Ausarbeitung zum “Do ut des”-Prinzips andersherum aufgezogen. Immer wenn ich Leuten vorschlug, das Geld als Ursache unserer Probleme abzuschaffen, erntete ich überraschenderweise Unglaube, weil die meisten Leute – offenkundig rückwärtsgewandt – die dann angeblich einsetzende Tauschwirtschaft für zu kompliziert hielten, um sie wünschenswert finden zu können.

Dabei ist meine Intention, nicht nur das Tauschmittel abzuschaffen, sondern das Tauschen an sich! Es soll sich eine Schenkökonomie herausbilden! Irgendwann stellte ich fest, dass es eine Grundlage für dieses Veralten gibt, nämlich die Verinnerlichung des “Do ut des”-Prinzips. So sagt der Lateiner, wenn wer “Ich gebe, damit du gebest” zum Ausdruck bringen möchte. Die Gabe einer Gegenleistung bewirkt die erwünschte, bedürfnisbefiedigende Leistung. Bekannt ist das Prinzip von dem Spruch “Bis zur vollständigen Bezahlung bleibt die gelieferte Ware unser Eigentum“. Die meisten Menschen können gar nicht anders denken als Leistung gegen äquivalente Geegenleistung. Doch was ist schon äquivalent? Wer bestimmt den Maßstab? Kann es überhaupt einen universalen Maßstab geben? Beim Geld gibt es viel zu viel Missbrauch, um das Vertrauen in diesen Wertmaßstab noch zu rechtfertigen. Warum nicht einfach Bedürfnisse befriedigen und einfach der Gesellschaft dienen, wie man es selbstbestimmt für richtig hält??! Das bedingungslose Grundeinkommen ermöglicht diese Freiheit aus Basis eines konzeptionellen Verzichts auf das Gegenleistungsprinzip zwischen Individuum und Gesellschaft. Mit dem ausgezahlten Grundeinkommen in Höhe von 1500 Euro im Monat soll das Individuum zwar vorerst noch dem Gegenleistungsprinzip umgehen. Auf lange Sicht aber sollten wir uns wirklich komplett davon verabschieden: Jeder nach seinen Fähigkeiten, einem jeden nach seinen Bedürfnissen!

Aufruf zur 24. Jeden-Monat-Demo im Juli

Das OPEN OHR 2011 ist vorbei. Mit dem Motto “Rien ne va plus – Nichts geht mehr” ging es im weitesten Sinne um das Thema Geld. Die Diskussion mit Finanzverantwortlichen der Stadt Mainz endete tatsächlich beim Rien ne va plus – wer hätte es gedacht. Sascha Liebermann und die Mainzer Initiative gegen HARTZ IV hatten mit dem bedingungslosen Grundeinkommen zum Glück eine gangbare Alternative im Angebot. Linkswärts e.V. bohrte noch tiefer nach beim “Do ut des”-Prinzip und Prof. Karl-Heinz Brodbeck referierte an der Mainzer Universität über “Die Herrschaft des Geldes”.

Am Mittwoch, den 20. Juli 2011 reden wir noch einmal über Geld!

Sammelpunkt ist der Münsterplatz vor dem ver.di-Haus.

Die Jeden-Monat-Demo startet um 12 Uhr.

Schlusskundgebung gegen 12:30 Uhr (ACHTUNG!) erstmals auf dem Frauenlobplatz in der Neustadt.

Aufruf zu 24. Jeden-Monat-Demo

Das OPEN OHR 2011 ist vorbei. Mit dem Motto “Rien ne va plus – Nichts geht mehr” ging es im weitesten Sinne um das Thema Geld. Die Diskussion mit Finanzverantwortlichen der Stadt Mainz endete tatsächlich beim Rien neva plus – wer hätte es gedacht. Sascha Liebermann und die Mainzer Initiative gegen HARTZ IV hatten mit dem bedingungslosen Grundeinkommen zum Glück eine gangbare Alternative im Angebot.

Am Mittwoch, den 15. Juni 2011 reden wir noch einmal über Geld!

Sammelpunkt ist der Münsterplatz vor dem ver.di-Haus.

Die Jeden-Monat-Demo startet um 12 Uhr.

Schlusskundgebung gegen 12:30 Uhr (ACHTUNG! AUSNAHME!) erstmals auf dem Frauenlobplatz in der Neustadt.

Grundeinkommen auf dem OPEN OHR

Beim Markt der Möglichkeiten am Pfingstsonntag auf dem OPEN OHR-Festival 2011 unter dem Motto “Rien ne va plus – Nichts geht mehr” stellt die Mainzer Initiative gegen HARTZ IV das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) vor. Wir stehen zu allen Fragen rund um das BGE Rede und Antwort, aber zwei Themen möchten wir besonders betonen:

Warum müssen alle Menschen ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten?

Warum ist das bedingungslose Grundeinkommen definitiv finanzierbar?

Dazu mehr am Sonntag, den 12. Juni 2011 ab 15 Uhr auf der Hauptwiese auf dem Festivalgelände in der Mainzer Zitadelle

Weitere Informationen: Markt der Möglichkeiten auf dem OPEN OHR 2011

Redebeitrag zur 23. Jeden-Monat-Demo

Bei strahlendem Sonnenschein greift Manfred Bartl an diesem normalen Mainzer Schultag ein aktuelles Thema auf, das nicht nur Hartz IV betrifft, sondern auch die Bildungsdiskussion, nämlich das “Bildungs- und Teilhabepaket” des Bundessozialministeriums, mit dem Ursula von der Leyen den lieben Kindern so viel Gutes mit auf den Weg geben möchte. Sein Urteil ist vernichtend: “Verlorene Liebesmüh!” Und es liegt nicht an den Eltern…

Liebe Mainzerinnen und Mainzer!

Als das Bundesverfassungsgericht sich die Schaffung eines Grundrechts auf soziokulturelle Teilhabe vornahm, mit dem die Bundesregierung zur Neuberechnung des Hartz-IV-Eckregel­satzes gezwungen wurde, zeichnete das hessische Landes­sozialgericht unter Jürgen Borchert als Auftraggeber der zugrunde­liegenden Richtervorlage. Das Kunststück war dem LSG gelungen, indem man lediglich feststellte, dass der Bedarf von Familien mit Kindern durch die Regelleistungen nicht hinreichend gedeckt sei. Da es sich bei den Kinderregelsätzen bloß um prozentuale Ableitungen des Eckregelsatzes handelte, musste der Eckregelsatz die Quelle allen Übels sein!

Was daraus wurde, ist uns allen bekannt: Der Eckregelsatz wurde unter kompletter Missachtung des Bundesverfassungsgerichts um 5 Euro angehoben – aber die Kinderregelsätze blieben unver­ändert! Ursula von der Leyen zeigte sich „überrascht und auch sprachlos“ angesichts der detaillierten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, denen zufolge die Kinderregelsätze sogar hätten gesenkt werden müssen! Die aktuelle Stagnation verkaufte sie als „Bestandsschutz“ und die zukünftige Stagnation der Kinderregel­sätze bei preisinduzierten Erhöhungen des Eckregelsatzes als nur logischen Ausgleich für diese Großzügigkeit gegenüber Hartz-IV-Familien, „die sich auf diesem Niveau eingerichtet haben“…

An diesem Punkt wird es spannend: Obwohl nun die Sätze für ein die soziokulturelle Teilhabe ermöglichendes Kinderleben gefunden waren, fielen von der Leyen ein paar Dinge ein, mit denen man den Kindern noch ein bisschen mehr Teilhabe ermöglichen könnte. Statt diese Dinge einfach in die Kinderregelsätze zu integrieren, verfiel von der Leyen der fixen Idee, zusätzlich zu den Regelsätzen ein Bildungspaket zu schnüren, aus dem sich die Eltern nach Bedarf bedienen könnten bzw. müssten. Doch nicht nur das: Die Industrie sollte auch ihren Schnitt machen, weswegen das Ganze mit Chipkarten hätte geregelt werden sollen. Das Argument, mit dem man sie letztlich wenigstens davon abbringen konnte, war wohl, dass sich der ganze Aufwand für die paar Kröten nie und nimmer lohne…

Das nunmehr „Bildungs- und Teilhabepaket“ benannte Bildungspäckchen umfasst im Einzelnen folgende Leistungen:

  1. 1-tägige Schul- und Kitaausflüge
  2. Mehrtägige Klassenfahrten für SchülerInnen und für Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen [war schon zuvor anerkannter Mehrbedarf]
  3. Schulbedarf für SchülerInnen [gab es zuvor schon als eigenes „Bildungspäckchen“; die 100 Euro werden jetzt in zwei Portionen von 70 Euro zu Schuljahresanfang und 30 Euro zum Start des 2. Halbjahres ausgezahlt]
  4. Schülerbeförderungskosten für SchülerInnen
  5. Lernförderung [also Nachhilfe] für SchülerInnen
  6. Zuschuss zum Mittagessen für SchülerInnen und für Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen [sofern diese eine eigene Mensa besitzen…]
  7. Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben für Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres [gleichwohl das Paket als Ganzes für „Kinder“ bis 25 Jahre gilt]

Die Punkte 1, 3, 4, 6 und vor allem 7 machen unmissverständlich klar: Hier werden Leistungen für das alltägliche Leben von SchülerInnen am soziokulturellen Teilhabeminimum mutwillig aus dem Regelsatz herausgerissen und in einen neuen, überflüssigen Bürokratismus überführt. Zu jedem der sieben Punkte existieren eigene Hinweisblätter und eigene Formulare! Man kann sie sich im Jobcenter abholen oder auf der Website der Stadt Mainz herunter­laden – wenn man sich davon etwas verspricht. Jedenfalls muss man sich mit jedem dieser Formulare – im Einzelfall sogar gegen­über Dritten – als Leistungsberechtigte/r nach Hartz IV outen! Man erhält wie beim sonstigen Schriftverkehr mit dem Jobcenter „präventive“ Androhungen der Leistungsversagung; wahrscheinlich werden sogar [vom Bundesverfassungsgericht mit dem Makel der Verfassungswidrigkeit behaftete] Sanktionen ausgesprochen, wenn man die Formulare nicht ordnungsgemäß ausfüllt oder Bescheini­gungen nicht oder nicht rechtzeitig beibringt. Ein FDP-„Politiker“ meinte gar, den Vorschlag auskotzen zu müssen, dass man Eltern, die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets trotz Berechtigung nicht beantragten, mit Sanktionen bestrafen sollte. Also weniger Geld, weil man nicht noch mehr Geld wollte!

Immerhin: Er sprach aus gegebenem Anlass. Davor, sich diesem Psychoterror aussetzen zu müssen, waren viele Eltern anfangs – trotz der reduzierten Hürden für die rückwirkende Geltungsdauer – nämlich offenkundig zurückgeschreckt. Jetzt werden es etwas mehr, wenngleich man nach wie vor nur von einer Katastrophe sprechen kann.

Auch ich habe noch keine Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket beantragt. Wenn ich es demnächst angehe, werde ich für mein Kind gleich 5 Bildungspakete beantragen – damit’s langt!

Das ist noch der Gipfel der Ironie, dass diese Beiträge ihren Zweck gar nicht erfüllen können, weil sie nicht hinreichend sind! Selbst die Mitgliedsbeiträge von Vereinen der sportlichen oder musischen Förderung sind teilweise höher als die zur Verfügung gestellten Beträge – und dann hat man immer noch kein Trikot, keine Fußballschuhe, kein Instrument, keine Saiten etc. und das Kind noch nicht hinbringen können…

Wir fordern darum:

  • Leistungen zur soziokulturellen Teilhabe gehören in den Regelsatz hinein!
  • Kinder brauchen eine eigene Regelsatzberechnung für ihre besonderen, altersgerechten Entwicklungsbedingungen!
  • Wir brauchen den Eckregelsatz von mindestens 500 Euro im Monat für alleinstehende Leistungsberechtigte!
  • Her mit der Kindergrundsicherung als Einstieg in das bedingungslose Grundeinkommen für Alle!

Heraus nicht nur zum 1. Mai!

Wie Hartz IV noch schlimmer werden konnte

Ausgerechnet in der ohnehin unter massivem juristischen Druck stehenden Problematik der Lang­zeitarbeitslosen beweist die schwarz-gelbe Koalition eine unverfrorene Dreistigkeit, die den Standpunkt des Politischen verlässt – oder sogar verrät. Das Urteil des Bundesverfas­sungsgerichts vom Februar 2010 wird vollständig ignoriert. Die geforderte Transparenz wird allenfalls insofern erreicht, als das einzige, was durch das neue Gesetz durchscheint, die nackte Verfassungswidrig­keit ist.

Armut als Maßstab

So wurde die Bemessungsgrundlage bei der Einkommens- und Verbrauchs­stichprobe von den unteren 20 Prozent auf die ärmsten 15 Prozent reduziert – und das ohne die Heraus­rechnung ausnahmslos aller Transferempfänger. Dieser Schritt reduziert den Hartz-IV-Regelsatz, noch bevor man auch nur über Notwendiges nach Maßgabe des Grundrechts auf soziokulturelle Teil­habe auch nur nachzudenken beginnt!
Nach dem Kindergeld wird nun auch noch das – gegenüber dem Erziehungs­geld ohnehin schon um die Hälfte gekürzte – Elterngeld als Einkommen auf den Regelsatz angerechnet und damit gestrichen!

Kein Alkohol, kein Tabak für die!

Die Streichung des Anteils für den Bedarf an Alkohol und Tabak aus dem Hartz-IV-Regelsatz ist besonders verletzend. Als „Genussgift“ diffamiert, wird Alkohol nicht etwa ersatzlos gestrichen, sondern durch ein perfide exakt ausgerechnetes Flüssigkeits­äquivalent in Form von Sprudelwasser aus­getauscht. Dadurch werden Leistungs­berechtigte in – in der Bundesrepublik – nie gekannter Offenheit zu Menschen zweiter Klasse abgewertet!

Rente brauchen die doch nicht

Aus den vielen anderen Details der massiven Verschlechterungen ragt eins hervor, weil seine Einführung bei Inkrafttreten von Hartz IV als Fortschritt gegenüber dem Bundes­sozialhilfegesetz gefeiert worden war: Die komplette Streichung des – ohnehin mickrigen und auf halber Strecke auch schon halbierten – Beitrags zur Rentenversicherung zum Aufbau von Eigentums­ansprüchen für die Altersvorsorge. Hier bleiben nur noch bloße Anwart­schaftszeiten übrig.

Immerhin: Wir sind wieder wer…

Eine einzige Verbesserung ist zu vermelden: Langzeitarbeitslose werden nicht mehr als Hilfebedürftige bezeichnet, sondern als das, was sie nach der mit Gesetzeskraft im Verfassungsrang verkündeten Definition des Grund­rechts auf soziokulturelle Teilhabe sind: Leistungsberechtigte. Leider können sich die Betroffenen davon nichts kaufen…

Menschenverachtende Sanktionen

Nicht unerwähnt bleiben darf die Unterlassung dieses Gesetzgebers, Sanktionen aus dem Sozialgesetzbuch 2 zu entfernen, wie es vom Bundes­verfassungs­gericht implizit gefordert worden war, weil das Grundrecht auf soziokulturelle Teilhabe stets zu gelten habe. Wo manche noch ein „Sanktionsmoratorium“ erbitten, ist eine Normenkontrollklage angesagt!

Hartz IV ist ein Druckmittel!

Hartz IV bleibt damit unverändert das, als was es 2005 in Kraft getreten war: ein Mittel, um langzeitarbeitslose Arbeitnehmer in Niedriglohnjobs zu pressen, Arbeitnehmer mit der Angst um ihren Job einzuschüchtern und die soziale Hänge­matte verschärft dem Mottenfraß preiszugeben! Wie das Bundesverfassungsgericht feststellte, ist Hartz IV nichts anderes als ein Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des demokratischen und sozialen Bundesstaats!

Dagegen müsst Ihr Euch mit aller Kraft wehren!

Hartz IV muss sofort abgeschafft werden!

Bedingungsloses Grundeinkommen für alle!

Mainzer Initiative gegen HARTZ IV

Unsere Gruppentreffen sind:
jeden 1. Dienstag des Monats im DGB-Haus, Kl. Saal 1. OG

Eingang über den Hof

Zur Jeden-Monat-Demo rufen wir auf:
jeden 3. Mittwoch des Monats um 12 Uhr ab Münsterplatz beim ver.di-Haus

Redebeitrag zur 22. Jeden-Monat-Demo

Manfred Bartl fordert der gesetzlichen Mindestlohn und erläutert das Wesen eines möglichst hohen Regelsatzes der Grundsicherung für Arbeitsuchende als de facto-Mindestlohn, solange in Deutschland kein gesetzlicher Mindestlohn existiert. Ein Appell an die Solidarität unserer arbeitenden Kolleginnen und Kollegen in ihrem ureigensten Interesse.

Liebe Mainzerinnen und Mainzer!

Der gesetzliche Mindestlohn ist in Europa schon weit verbreitet, ja, beinahe schon selbstverständlich geworden. Gesetzliche Mindest­löhne gibt es in 20 von 27 Ländern der Europäischen Union. Die Werte, zumindest in Westeuropa, sind einigermaßen realistisch, sie werden an der Teuerungsrate orientiert dynamisch angehoben – sogar inmitten in der Krise! Sie verhindern „arbeitende Arme“ (auf Englisch „working poor“) und stabilisieren die Binnennachfrage.

Nur wir in Deutschland müssen wir noch immer auf einen gesetzlichen Mindestlohn verzichten!

Der gesetzliche Mindestlohn würde über die oben geschilderten Vorzüge hinaus das Aufstocker-Syndrom verhindern, bei dem unsere Steuergelder als Kombilöhne in die Bezahlung privat­wirtschaftlicher Arbeit gesteckt werden, und leiten womöglich ein Ende des Niedriglohnsektors als Ganzes ein, was wiederum neue Chancen für Geringqualifizierte darstellen würde. Der gesetzliche Mindestlohn verbessert ganz nebenbei die Geschlechtergerechtig­keit, weil überdurchschnittlich viele Frauen zur Zeit im Niedriglohn­sektor arbeiten, was – wie überhaupt die ganze Schlechterstellung der Frauen – nicht hinzunehmen ist!

Dabei existiert in Deutschland mit Hartz IV ein Gesetz, das den gesetzlichen Mindestlohn zur Verhinderung der unaufhaltsamen Abwärtsspirale notwendig macht! Rationale Menschen können Hartz IV ohne den Einzug einer Untergrenze gar nicht denken – jetzt mal ganz abgesehen davon, dass vernünftige Menschen sich ein so menschenverachtendes System wie Hartz IV niemals ausdenken würden.

Hartz IV macht wirklich deutlich, wie notwendig der gesetzliche Mindestlohn ist: Langzeitarbeitslose sind durch Hartz IV gezwungen, jeden „zumutbaren“ Job anzunehmen, und darunter fallen auch Jobs, die bis zu 30 Prozent unter ortsüblichem Tarifgefüge bezahlt werden. Dem kann nur eine gesetzlicher Mindestlohn einen Riegel vorschieben, der verhindert, dass Jobs entsprechend dieser Formulierung überhaupt angeboten werden dürften.

Mich wundert ohnehin, warum die Gewerkschaften diesen unzulässigen und darüber hinaus systemwidrigen Eingriff in die Tarifautonomie durch Hartz IV so widerstandslos hinnehmen.

Solange kein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wurde, gibt es nur eine wirksame Methode, das Lohngefüge nach oben zu drücken, indem man den Gegner mit seinen eigenen Waffen schlägt, nämlich gemäß dem halluzinierten „Lohnabstandsgebot“ der Arbeitgeber­verbände als de facto-Mindestlohn einen möglichst hohen Regelsatz bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch­zusetzen!

Wir brauchen einen Regelsatz in einer Höhe, der dieses Lohnabstandsgebot eindeutig als Gebot an die Adresse der Arbeitgeber richtet, das Lohngefüge anzuheben – und nicht wie bisher als Gebot an den Bund, die sozialen Errungenschaften ohne jede Not zu vernichten wie etwa die Arbeitslosenhilfe oder das Elterngeld, das Leistungsberechtigten jetzt wie zuvor schon das Kindergeld als Einkommen angerechnet, im Klartext: gestrichen wird!

Wenn die Arbeitgeberverbände den gesetzlichen Mindestlohn nicht gerade als „Jobkiller“ diffamieren oder in konkreten Arbeitskämpfen ganz ungeniert mit der Abwanderung ihrer Unternehmungen drohen, um bloß keine höheren Löhne zahlen zu müssen, stimmen sie nämlich komischerweise immer in den Chor derer ein, die meinen, dass es sinnvoller ist Arbeit zu bezahlen statt Arbeitslosig­keit. Dieser Gemeinplatz ist freilich nicht von der Hand zu weisen – wobei wir das Pferd nicht gerne von hinten aufgezäumt sehen wollen und darauf verweisen, dass die Massenarbeitslosig­keit sich gar nicht erst aufgeschaukelt hätte, wenn man die Produktivitäts­fortschritte zeitnahe in mehr Freizeit – also in Arbeitszeit­verkürzung – umgemünzt hätte und dass eine heutige Maßnahme nur daraus bestehen kann, entsprechend eine radikale Arbeitszeit­verkürzung durchzusetzen und erst anschließend nach dem Lohnniveau zu schauen bzw. dann auch nachzubessern.

Liebe Mainzerinnen und Mainzer,

lasst mich noch einmal zusammenfassen:

Wir brauchen den gesetzlichen Mindestlohn!

Und solange wir keinen gesetzlichen Mindestlohn haben, brauchen wir für die Grundsicherung einen Regelsatz, der das Lohnabstands­gebot als Gebot an die Arbeitgeber adressiert, das Lohngefüge auf Basis der unverrückbar menschenwürdig auszugestaltenden Grundsicherung anzuheben!

Aufruf zu 22. Jeden-Monat-Demo

Noch immer hat Deutschland nicht den gesetzlichen Mindestlohn, während er in Europa fast selbstverständlich, auf jeden Fall weit verbreitet ist und mit Hartz IV ein Gesetz existiert, das ihn zur Verhinderung der unaufhaltsamen Abwärtsspirale notwendig macht. Solange kein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wurde, gibt es nur eine wirksame Methode, gemäß Lohnabstandsgebot das Lohngefüge nach oben zu drücken: ein möglichst hoher Regelsatz bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende als de facto-Mindestlohn!

Am Mittwoch, den 20. April 2011 fordern wir ihn ein!

Sammelpunkt ist der Münsterplatz vor dem ver.di-Haus.

Die Jeden-Monat-Demo startet um 12 Uhr.

Schlusskundgebung gegen 12:30 Uhr vor dem Theater auf dem Gutenbergplatz