Category Archives: Jeden-Monat-Demo

Die Mainzer Jeden-Monat-Demo findet am 3. Mittwoch jedes Monats statt.

Zur Demo wegen dem Todesfall in einer Frankfurter Hartz-IV- Behörde

Aus aktuellem Anlass gab es zur Jeden-Monat-Demo im Juli einen zweiten Redebeitrag, der sich mit der Erschießung der Hilfebedürftigen Christy Schwundeck in einem Frankfurter Jobcenter auseinandersetzt.

Am Samstag, den 18.06.11 zogen 350 Menschen lautstark durch die Frankfurter Innenstadt. Sie fordern, dass die Erschießung von Christy Schwundeck aufgeklärt wird. Am 19. Mai wurde sie im Jobcenter Mainzer Landstraße von der Polizei erschossen. Die fast 40-jährige Christy Schwundeck befand sich in einer akuten Notlage; sie hatte kein Geld mehr zum Leben. Weder auf der Bank noch in bar. Der Sachbearbeiter und die Leiterin des Jobcenters verweigerten ihr aber einen Vorschuss von 10 Euro und bestanden darauf, dass Christy Schwundeck das Haus verlässt. Christy Schwundeck blieb, um sich Gehör zu verschaffen. Als die Polizei eintraf, eskalierte die Situation aus bisher ungeklärten Gründen. Während die Staatsanwaltschaft Frankfurt noch am selben Abend von „offensichtlicher Notwehr“ sprach, will die „Initiative Christy Schwundeck“ wirkliche Aufklärung. Viele Fragen seien nicht beantwortet, so zum Beispiel, warum das Jobcenter sagt, Christy Schwundeck sei friedlich gewesen bis zur Ankunft der Polizei, im Gegensatz zum Sicherheitsdienst, der die Polizei wegen einer „randalierenden Frau“ verständigt hatte. Die Medien sprachen ebenfalls sofort von einer „randalierenden“ Person.

Manga Diagne von der Initiative fragt: „Warum fällen Medien und Staatsanwaltschaft ein Urteil, ohne offene Fragen beantwortet zu haben? Soll hier zum Schutz der Polizei nicht ermittelt werden? Wir werden weiter dafür kämpfen, dass es zur Beantwortung unserer Fragen kommt und in einem Prozess Klarheit geschaffen wird.“ Die Demonstranten aus den afrikanischen Gemeinden, Erwerbsloseninitiativen und antirassistischen Gruppen riefen: „Warum, warum hat die Polizei geschossen? – Wir wollen Aufklärung!“ Eine Demonstrantin beschrieb es so: „Mich haben die lauten Fragen beeindruckt: ‚Warum sollte die Polizei schießen? Ist die Polizei nicht geschult? Wer ist der nächste?‘ Die Menschen hier sind emotional sehr betroffen. Beim gemeinsamen Rufen ‚Nein zur Polizeitötung, Nein, Nein.‘ habe ich die Ängste der Menschen durch die Tathandlung der Polizei gespürt.“

Ganze 2 Stunden dauerte der Trauermarsch, und so lange dauerten auch die Sprechchöre. Die ganz besondere Stimmung dieser Demo entstand durch den Wechsel von lautstarken Sprechchören und Schweigeminuten bei denen sich die ganze Demo hinsetzte. Zahlreiche Passanten wurden aufmerksam und haben sich über die Ziele der Initiative informiert. Auf der Kundgebung sprachen unter anderem Vertreter des Arbeitskreises München, von der Initiative für Oury Jalloh aus Dessau und von TheVOICE aus Berlin. Eine emotional beeindruckende, spontane Aktion auf der Kundgebung bot eine leidenschaftliche Sängerin, die mit dem Lied „Amazing Grace“ für Gänsehaut sorgte. Dieses Lied zum Abschluss hat noch einmal die emotionale Betroffenheit aller zum Ausdruck gebracht.

Trotz der eindrucksvollen Stärke der Demonstration und der Brisanz des Themas berichteten die Zeitungen bislang nicht. Sollen hier unbequeme Fragen nicht öffentlich gestellt werden? Die „Initiative Christy Schwundeck“ wird ihr Ziel, Aufklärung und Gerechtigkeit für Christy Schwundeck, weiterverfolgen und lädt alle Interessierten zur Mitarbeit und Unterstützung ein!

Nähere Informationen zum Tod von Schwundeck:
http://www.initiative-christy-schwundeck.blogspot.com

Bei der Vorbereitung der Demo sind einige Kosten angefallen: Telefonkosten, Druck von Flyern und Plakaten, Stoff und Farbe für Banner, Miete eines Wagens und einer Anlage für die Demo, Fahrtkosten, etc. Wer sich an den Kosten beteiligen möchte kann dies über das folgende Konto tun:

Spenden an die Initiative Christy Schwundeck
über das Konto von „Courage gegen Rassismus“ e.V. Frankfurt-Rödelheim:
Kontoinhaber: Uber – Courage
Bank: Deutsche Apotheken und Ärztebank Frankfurt
BLZ: 30060601
Ktn: 0103597946
Verwendungszweck: Initiative Christy Schwundeck
Bitte den Verwendungszweck unbedingt angeben!

Noch etwas in eigener Sache:
Im Zusammenhang mit diesem Todesfall sind mir Dinge zu Ohren gekommen, welche ich aus rechtlichen Gründen leider nicht veröffentlichen darf. Wie ich jedoch darüber denke, ist eine andere Sache. Immerhin, die Gedanken sind (noch) frei!

Interviews und Tondateien unter folgendem Link:
http://www.freie-radios.net/41786

H.E.

Rund ums Geld

Unser Redebeitrag von Manfred Bartl zur 24. Mainzer Jeden-Monat-Demo am 20. Juli 2011, gehalten im Dauerregen bei der Abschlusskundgebung auf dem Frauenlobplatz in der Mainzer Neustadt.

Liebe Konsumentinnen und Konsumenten!

Das OPEN OHR 2011 hat sich unter dem Motto “Rien ne va plus – Nichts geht mehr” mit dem Thema Geld und Bezahlen beschäftigt. Das machen wir Hartz-IV-Leistungsberechtigten auch – und zwar jeden Tag! Warum müssen wir jeden Cent zweimal umdrehen? Warum können andere leistungslos Millionen oder gar Milliarden einstreichen? Manchmal gerät Geld in die Diskussion, etwa wenn der Euro gerettet werden “muss”. Aber versteht noch jemand, worum es bei diesem “Geld” überhaupt geht? Man gewinnt nicht unbedingt diesen Eindruck, wenn monatelang über die Neuberechnung des Hartz-IV-Regelsatzes gerungen wird – und dann mit einer nominellen Erhöhung um 5 Euro faktisch ein Kürzung herauskommt, weil der Anteil für Alkohol und Tabak sang- und klanglos herausgestrichen wurde. Damit – und aus vielen anderen Gründen – genügt der neue Regelsatz nicht dem Anspruch des Bundesverfassungsgerichts auf Einlösung des Grundrechts auf soziokulturelle Teilhabe!

Die für eine scheinbare “Bankenrettung”, “Euro-Rettung” und “Griechenlandrettung” bereitzustellenden dreistelligen Milliardenmittel wurden innerhalb weniger Wochen bewilligt! Leben wir noch in einer Realität, die diesen Namen verdient? Ist die Bundesrepublik denn noch ein Sozialstaat? Ein Rechtsstaat? Eine Demokratie? Nein!

Wie unsinnig die Politik gesteuert wird, kann man gut an der Schuldenbremse ablesen. Nun bin ich grundsätzlich für ein solches Vorhaben zu begeistern. Ich will einen Statt, der sich ausschließlich über Steuern finanziert und der Schulden nur in unvorhersehbaren Situationen ausnahmsweise einmal aufnimmt. Doch welchen Eindruck erweckt ein solcher Plan in einem Staat, der die öffentliche Verschuldung seit Jahrzehnten als Mittel zum Zweck der künstlichen Aufrechterhaltung einer kapitalistischen Wirtschaftsweise betreibt? Wie kann eine Schuldenbremse überhaupt ohne eine gleichzeitige Vermögensbremse zum Ziel führen? Was wird ein Gesetzgeber, dem die Schuldenlast bislang piepegal war, wenn er nur seine überkandidelten Prestigeprojekte durchziehen konnte, unter den Bedingungen der Schuldenbremse anderes betreiben als Sozialabbau, Einschränkungen der Zivilgesellschaft, Kürzungen bei denen, die sich am wenigsten wehren können: bei Langzeitarbeitslosen, und im Bildungssektor!

Das sehen wir doch hier in der Stadt Mainz, wo auch zweieinhalb Jahre nach Beginn meiner Aktion “Schwarzfahren für Gerechtigkeit” und beinahe eineinhalb Jahre nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil immer noch kein verfassungsgemäßes Sozialticket haben!

Wir sehen es an der unwürdigen Diskussion um Kürzungen beim Staatstheater, obwohl unser Stadtschreiber Ingo Schulze schon zurecht dagegen wetterte und obwohl letzte Woche die ZEIT das “Lob der Hochkultur” gesungen hat.

Wir sehen es an der Diskussion um den Gesamthaushalt, die plakativ auf dem OPEN OHR ausgetragen wurde und laut “Allgemeiner Zeitung” beim Festivalmotto endete: beim Rien ne va plus!

Letzte Woche hielt Prod. Karl-Heinz Brodbeck seinen Vortrag zur “Herrschaft des Geldes” an der Mainzer Universität. Seine Argumentation drehte sich um die Entstehung und die Natur des Geldes. Er legte schlüssig dar, dass Geld nicht aus dem Tausch heraus entstanden sein und diesen nicht ersetzt haben kann. Das ist schon interessant, weil ich selbst das Thema beim OPEN OHR vom anderen Ende aufgezogen habe, doch dazu später mehr.

Brodbeck sagt, dass Geld im Wesentlichen aus dem Vertrauen besteht, das wir alle in das Geld als wertebevorratendes, indirektes Tauschmittel setzen, von dem unsere Gesellschaft durchorganisiert wird. Geld sieht Brodbeck als vergesellschaftendes Mittel auf einer Stufe mit unserer Sprache an!  Bankenrettungsschirm und den ganzen Mist bezeichnete Brodbeck als “systematische Missbrauchsorgie” unseres Vertrauens ins Geld. Wenn wir eine Lösung anstrebten, dann müssten wir den Leuten das Handwerk legen, die unser Vertrauen ins Geld und in “Geldstabilität” für ihre eigene Bereicherung ausnutzen.

Beim OPEN OHR habe ich das Thema mit der Ausarbeitung zum “Do ut des”-Prinzips andersherum aufgezogen. Immer wenn ich Leuten vorschlug, das Geld als Ursache unserer Probleme abzuschaffen, erntete ich überraschenderweise Unglaube, weil die meisten Leute – offenkundig rückwärtsgewandt – die dann angeblich einsetzende Tauschwirtschaft für zu kompliziert hielten, um sie wünschenswert finden zu können.

Dabei ist meine Intention, nicht nur das Tauschmittel abzuschaffen, sondern das Tauschen an sich! Es soll sich eine Schenkökonomie herausbilden! Irgendwann stellte ich fest, dass es eine Grundlage für dieses Veralten gibt, nämlich die Verinnerlichung des “Do ut des”-Prinzips. So sagt der Lateiner, wenn wer “Ich gebe, damit du gebest” zum Ausdruck bringen möchte. Die Gabe einer Gegenleistung bewirkt die erwünschte, bedürfnisbefiedigende Leistung. Bekannt ist das Prinzip von dem Spruch “Bis zur vollständigen Bezahlung bleibt die gelieferte Ware unser Eigentum“. Die meisten Menschen können gar nicht anders denken als Leistung gegen äquivalente Geegenleistung. Doch was ist schon äquivalent? Wer bestimmt den Maßstab? Kann es überhaupt einen universalen Maßstab geben? Beim Geld gibt es viel zu viel Missbrauch, um das Vertrauen in diesen Wertmaßstab noch zu rechtfertigen. Warum nicht einfach Bedürfnisse befriedigen und einfach der Gesellschaft dienen, wie man es selbstbestimmt für richtig hält??! Das bedingungslose Grundeinkommen ermöglicht diese Freiheit aus Basis eines konzeptionellen Verzichts auf das Gegenleistungsprinzip zwischen Individuum und Gesellschaft. Mit dem ausgezahlten Grundeinkommen in Höhe von 1500 Euro im Monat soll das Individuum zwar vorerst noch dem Gegenleistungsprinzip umgehen. Auf lange Sicht aber sollten wir uns wirklich komplett davon verabschieden: Jeder nach seinen Fähigkeiten, einem jeden nach seinen Bedürfnissen!

Aufruf zur 24. Jeden-Monat-Demo im Juli

Das OPEN OHR 2011 ist vorbei. Mit dem Motto “Rien ne va plus – Nichts geht mehr” ging es im weitesten Sinne um das Thema Geld. Die Diskussion mit Finanzverantwortlichen der Stadt Mainz endete tatsächlich beim Rien ne va plus – wer hätte es gedacht. Sascha Liebermann und die Mainzer Initiative gegen HARTZ IV hatten mit dem bedingungslosen Grundeinkommen zum Glück eine gangbare Alternative im Angebot. Linkswärts e.V. bohrte noch tiefer nach beim “Do ut des”-Prinzip und Prof. Karl-Heinz Brodbeck referierte an der Mainzer Universität über “Die Herrschaft des Geldes”.

Am Mittwoch, den 20. Juli 2011 reden wir noch einmal über Geld!

Sammelpunkt ist der Münsterplatz vor dem ver.di-Haus.

Die Jeden-Monat-Demo startet um 12 Uhr.

Schlusskundgebung gegen 12:30 Uhr (ACHTUNG!) erstmals auf dem Frauenlobplatz in der Neustadt.

Aufruf zu 24. Jeden-Monat-Demo

Das OPEN OHR 2011 ist vorbei. Mit dem Motto “Rien ne va plus – Nichts geht mehr” ging es im weitesten Sinne um das Thema Geld. Die Diskussion mit Finanzverantwortlichen der Stadt Mainz endete tatsächlich beim Rien neva plus – wer hätte es gedacht. Sascha Liebermann und die Mainzer Initiative gegen HARTZ IV hatten mit dem bedingungslosen Grundeinkommen zum Glück eine gangbare Alternative im Angebot.

Am Mittwoch, den 15. Juni 2011 reden wir noch einmal über Geld!

Sammelpunkt ist der Münsterplatz vor dem ver.di-Haus.

Die Jeden-Monat-Demo startet um 12 Uhr.

Schlusskundgebung gegen 12:30 Uhr (ACHTUNG! AUSNAHME!) erstmals auf dem Frauenlobplatz in der Neustadt.

Redebeitrag zur 23. Jeden-Monat-Demo

Bei strahlendem Sonnenschein greift Manfred Bartl an diesem normalen Mainzer Schultag ein aktuelles Thema auf, das nicht nur Hartz IV betrifft, sondern auch die Bildungsdiskussion, nämlich das “Bildungs- und Teilhabepaket” des Bundessozialministeriums, mit dem Ursula von der Leyen den lieben Kindern so viel Gutes mit auf den Weg geben möchte. Sein Urteil ist vernichtend: “Verlorene Liebesmüh!” Und es liegt nicht an den Eltern…

Liebe Mainzerinnen und Mainzer!

Als das Bundesverfassungsgericht sich die Schaffung eines Grundrechts auf soziokulturelle Teilhabe vornahm, mit dem die Bundesregierung zur Neuberechnung des Hartz-IV-Eckregel­satzes gezwungen wurde, zeichnete das hessische Landes­sozialgericht unter Jürgen Borchert als Auftraggeber der zugrunde­liegenden Richtervorlage. Das Kunststück war dem LSG gelungen, indem man lediglich feststellte, dass der Bedarf von Familien mit Kindern durch die Regelleistungen nicht hinreichend gedeckt sei. Da es sich bei den Kinderregelsätzen bloß um prozentuale Ableitungen des Eckregelsatzes handelte, musste der Eckregelsatz die Quelle allen Übels sein!

Was daraus wurde, ist uns allen bekannt: Der Eckregelsatz wurde unter kompletter Missachtung des Bundesverfassungsgerichts um 5 Euro angehoben – aber die Kinderregelsätze blieben unver­ändert! Ursula von der Leyen zeigte sich „überrascht und auch sprachlos“ angesichts der detaillierten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, denen zufolge die Kinderregelsätze sogar hätten gesenkt werden müssen! Die aktuelle Stagnation verkaufte sie als „Bestandsschutz“ und die zukünftige Stagnation der Kinderregel­sätze bei preisinduzierten Erhöhungen des Eckregelsatzes als nur logischen Ausgleich für diese Großzügigkeit gegenüber Hartz-IV-Familien, „die sich auf diesem Niveau eingerichtet haben“…

An diesem Punkt wird es spannend: Obwohl nun die Sätze für ein die soziokulturelle Teilhabe ermöglichendes Kinderleben gefunden waren, fielen von der Leyen ein paar Dinge ein, mit denen man den Kindern noch ein bisschen mehr Teilhabe ermöglichen könnte. Statt diese Dinge einfach in die Kinderregelsätze zu integrieren, verfiel von der Leyen der fixen Idee, zusätzlich zu den Regelsätzen ein Bildungspaket zu schnüren, aus dem sich die Eltern nach Bedarf bedienen könnten bzw. müssten. Doch nicht nur das: Die Industrie sollte auch ihren Schnitt machen, weswegen das Ganze mit Chipkarten hätte geregelt werden sollen. Das Argument, mit dem man sie letztlich wenigstens davon abbringen konnte, war wohl, dass sich der ganze Aufwand für die paar Kröten nie und nimmer lohne…

Das nunmehr „Bildungs- und Teilhabepaket“ benannte Bildungspäckchen umfasst im Einzelnen folgende Leistungen:

  1. 1-tägige Schul- und Kitaausflüge
  2. Mehrtägige Klassenfahrten für SchülerInnen und für Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen [war schon zuvor anerkannter Mehrbedarf]
  3. Schulbedarf für SchülerInnen [gab es zuvor schon als eigenes „Bildungspäckchen“; die 100 Euro werden jetzt in zwei Portionen von 70 Euro zu Schuljahresanfang und 30 Euro zum Start des 2. Halbjahres ausgezahlt]
  4. Schülerbeförderungskosten für SchülerInnen
  5. Lernförderung [also Nachhilfe] für SchülerInnen
  6. Zuschuss zum Mittagessen für SchülerInnen und für Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen [sofern diese eine eigene Mensa besitzen…]
  7. Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben für Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres [gleichwohl das Paket als Ganzes für „Kinder“ bis 25 Jahre gilt]

Die Punkte 1, 3, 4, 6 und vor allem 7 machen unmissverständlich klar: Hier werden Leistungen für das alltägliche Leben von SchülerInnen am soziokulturellen Teilhabeminimum mutwillig aus dem Regelsatz herausgerissen und in einen neuen, überflüssigen Bürokratismus überführt. Zu jedem der sieben Punkte existieren eigene Hinweisblätter und eigene Formulare! Man kann sie sich im Jobcenter abholen oder auf der Website der Stadt Mainz herunter­laden – wenn man sich davon etwas verspricht. Jedenfalls muss man sich mit jedem dieser Formulare – im Einzelfall sogar gegen­über Dritten – als Leistungsberechtigte/r nach Hartz IV outen! Man erhält wie beim sonstigen Schriftverkehr mit dem Jobcenter „präventive“ Androhungen der Leistungsversagung; wahrscheinlich werden sogar [vom Bundesverfassungsgericht mit dem Makel der Verfassungswidrigkeit behaftete] Sanktionen ausgesprochen, wenn man die Formulare nicht ordnungsgemäß ausfüllt oder Bescheini­gungen nicht oder nicht rechtzeitig beibringt. Ein FDP-„Politiker“ meinte gar, den Vorschlag auskotzen zu müssen, dass man Eltern, die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets trotz Berechtigung nicht beantragten, mit Sanktionen bestrafen sollte. Also weniger Geld, weil man nicht noch mehr Geld wollte!

Immerhin: Er sprach aus gegebenem Anlass. Davor, sich diesem Psychoterror aussetzen zu müssen, waren viele Eltern anfangs – trotz der reduzierten Hürden für die rückwirkende Geltungsdauer – nämlich offenkundig zurückgeschreckt. Jetzt werden es etwas mehr, wenngleich man nach wie vor nur von einer Katastrophe sprechen kann.

Auch ich habe noch keine Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket beantragt. Wenn ich es demnächst angehe, werde ich für mein Kind gleich 5 Bildungspakete beantragen – damit’s langt!

Das ist noch der Gipfel der Ironie, dass diese Beiträge ihren Zweck gar nicht erfüllen können, weil sie nicht hinreichend sind! Selbst die Mitgliedsbeiträge von Vereinen der sportlichen oder musischen Förderung sind teilweise höher als die zur Verfügung gestellten Beträge – und dann hat man immer noch kein Trikot, keine Fußballschuhe, kein Instrument, keine Saiten etc. und das Kind noch nicht hinbringen können…

Wir fordern darum:

  • Leistungen zur soziokulturellen Teilhabe gehören in den Regelsatz hinein!
  • Kinder brauchen eine eigene Regelsatzberechnung für ihre besonderen, altersgerechten Entwicklungsbedingungen!
  • Wir brauchen den Eckregelsatz von mindestens 500 Euro im Monat für alleinstehende Leistungsberechtigte!
  • Her mit der Kindergrundsicherung als Einstieg in das bedingungslose Grundeinkommen für Alle!

Redebeitrag zur 22. Jeden-Monat-Demo

Manfred Bartl fordert der gesetzlichen Mindestlohn und erläutert das Wesen eines möglichst hohen Regelsatzes der Grundsicherung für Arbeitsuchende als de facto-Mindestlohn, solange in Deutschland kein gesetzlicher Mindestlohn existiert. Ein Appell an die Solidarität unserer arbeitenden Kolleginnen und Kollegen in ihrem ureigensten Interesse.

Liebe Mainzerinnen und Mainzer!

Der gesetzliche Mindestlohn ist in Europa schon weit verbreitet, ja, beinahe schon selbstverständlich geworden. Gesetzliche Mindest­löhne gibt es in 20 von 27 Ländern der Europäischen Union. Die Werte, zumindest in Westeuropa, sind einigermaßen realistisch, sie werden an der Teuerungsrate orientiert dynamisch angehoben – sogar inmitten in der Krise! Sie verhindern „arbeitende Arme“ (auf Englisch „working poor“) und stabilisieren die Binnennachfrage.

Nur wir in Deutschland müssen wir noch immer auf einen gesetzlichen Mindestlohn verzichten!

Der gesetzliche Mindestlohn würde über die oben geschilderten Vorzüge hinaus das Aufstocker-Syndrom verhindern, bei dem unsere Steuergelder als Kombilöhne in die Bezahlung privat­wirtschaftlicher Arbeit gesteckt werden, und leiten womöglich ein Ende des Niedriglohnsektors als Ganzes ein, was wiederum neue Chancen für Geringqualifizierte darstellen würde. Der gesetzliche Mindestlohn verbessert ganz nebenbei die Geschlechtergerechtig­keit, weil überdurchschnittlich viele Frauen zur Zeit im Niedriglohn­sektor arbeiten, was – wie überhaupt die ganze Schlechterstellung der Frauen – nicht hinzunehmen ist!

Dabei existiert in Deutschland mit Hartz IV ein Gesetz, das den gesetzlichen Mindestlohn zur Verhinderung der unaufhaltsamen Abwärtsspirale notwendig macht! Rationale Menschen können Hartz IV ohne den Einzug einer Untergrenze gar nicht denken – jetzt mal ganz abgesehen davon, dass vernünftige Menschen sich ein so menschenverachtendes System wie Hartz IV niemals ausdenken würden.

Hartz IV macht wirklich deutlich, wie notwendig der gesetzliche Mindestlohn ist: Langzeitarbeitslose sind durch Hartz IV gezwungen, jeden „zumutbaren“ Job anzunehmen, und darunter fallen auch Jobs, die bis zu 30 Prozent unter ortsüblichem Tarifgefüge bezahlt werden. Dem kann nur eine gesetzlicher Mindestlohn einen Riegel vorschieben, der verhindert, dass Jobs entsprechend dieser Formulierung überhaupt angeboten werden dürften.

Mich wundert ohnehin, warum die Gewerkschaften diesen unzulässigen und darüber hinaus systemwidrigen Eingriff in die Tarifautonomie durch Hartz IV so widerstandslos hinnehmen.

Solange kein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wurde, gibt es nur eine wirksame Methode, das Lohngefüge nach oben zu drücken, indem man den Gegner mit seinen eigenen Waffen schlägt, nämlich gemäß dem halluzinierten „Lohnabstandsgebot“ der Arbeitgeber­verbände als de facto-Mindestlohn einen möglichst hohen Regelsatz bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch­zusetzen!

Wir brauchen einen Regelsatz in einer Höhe, der dieses Lohnabstandsgebot eindeutig als Gebot an die Adresse der Arbeitgeber richtet, das Lohngefüge anzuheben – und nicht wie bisher als Gebot an den Bund, die sozialen Errungenschaften ohne jede Not zu vernichten wie etwa die Arbeitslosenhilfe oder das Elterngeld, das Leistungsberechtigten jetzt wie zuvor schon das Kindergeld als Einkommen angerechnet, im Klartext: gestrichen wird!

Wenn die Arbeitgeberverbände den gesetzlichen Mindestlohn nicht gerade als „Jobkiller“ diffamieren oder in konkreten Arbeitskämpfen ganz ungeniert mit der Abwanderung ihrer Unternehmungen drohen, um bloß keine höheren Löhne zahlen zu müssen, stimmen sie nämlich komischerweise immer in den Chor derer ein, die meinen, dass es sinnvoller ist Arbeit zu bezahlen statt Arbeitslosig­keit. Dieser Gemeinplatz ist freilich nicht von der Hand zu weisen – wobei wir das Pferd nicht gerne von hinten aufgezäumt sehen wollen und darauf verweisen, dass die Massenarbeitslosig­keit sich gar nicht erst aufgeschaukelt hätte, wenn man die Produktivitäts­fortschritte zeitnahe in mehr Freizeit – also in Arbeitszeit­verkürzung – umgemünzt hätte und dass eine heutige Maßnahme nur daraus bestehen kann, entsprechend eine radikale Arbeitszeit­verkürzung durchzusetzen und erst anschließend nach dem Lohnniveau zu schauen bzw. dann auch nachzubessern.

Liebe Mainzerinnen und Mainzer,

lasst mich noch einmal zusammenfassen:

Wir brauchen den gesetzlichen Mindestlohn!

Und solange wir keinen gesetzlichen Mindestlohn haben, brauchen wir für die Grundsicherung einen Regelsatz, der das Lohnabstands­gebot als Gebot an die Arbeitgeber adressiert, das Lohngefüge auf Basis der unverrückbar menschenwürdig auszugestaltenden Grundsicherung anzuheben!

Aufruf zu 22. Jeden-Monat-Demo

Noch immer hat Deutschland nicht den gesetzlichen Mindestlohn, während er in Europa fast selbstverständlich, auf jeden Fall weit verbreitet ist und mit Hartz IV ein Gesetz existiert, das ihn zur Verhinderung der unaufhaltsamen Abwärtsspirale notwendig macht. Solange kein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wurde, gibt es nur eine wirksame Methode, gemäß Lohnabstandsgebot das Lohngefüge nach oben zu drücken: ein möglichst hoher Regelsatz bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende als de facto-Mindestlohn!

Am Mittwoch, den 20. April 2011 fordern wir ihn ein!

Sammelpunkt ist der Münsterplatz vor dem ver.di-Haus.

Die Jeden-Monat-Demo startet um 12 Uhr.

Schlusskundgebung gegen 12:30 Uhr vor dem Theater auf dem Gutenbergplatz

Aufruf zur 22. Jeden-Monat-Demo

Die bundespolitische Situation bleibt unfassbar: Die Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat ignorieren ein Bundesverfassungsgerichtsurteil, senken den Hartz-IV-Regelsatz de facto sogar noch ab, sie streichen mit dem Anteil für Alkohol und Tabak gesellschaftsweit akzeptierte Genussmittel aus der Lebenswirklichkeit von Langzeitarbeitslosen und schaffen damit – nun endlich für jedermann sichtbar – Menschen zweiter Klasse, sie leugnen die Notwendigkeit des gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohns und zementieren sowohl Niedriglohnsektor und Massenarbeitslosigkeit als auch die Erpressbarkeit der Arbeitnehmer, Jobs zu Konditionen annehmen zu müssen, die ihnen kein existenzsicherndes Einkommen ermöglichen und volkswirtschaftlich unsinnig sind, sie ruinieren Eltern bzw. junge Leute, die gerne ein Kind haben würden, aber vor lauter Unsicherheit nicht wissen wohin. — Doch wo bleibt der Aufschrei der gerecht und billig Denkenden??

Am Mittwoch, den 16.03.2011 sind wir wieder auf der Straße mit der 22. Mainzer Jeden-Monat-Demo! Um 12 Uhr geht es los am Münsterplatz.

Redebeitrag zur 21. Jeden-Monat-Demo

Dies ist die leicht redigierte Fassung des Redebeitrags von Manfred Bartl von der Mainzer Initiative gegen HARTZ IV zur Jeden-Monat-Demo am 16. Februar 2011.

Mainzerinnen und Mainzer,

willkommen zur 21. Jeden-Monat-Demo.

Die Koalition aus CDU/CSU und FDP und die Oppositionsparteien SPD und GRÜNE – zusammengenommen die Hartz-IV-Parteien – treten die verfassungsgemäßen Grundrechte mit Füßen.

Erst schaffen sie das de facto-Grundrecht auf soziokulturelle Teilhabe durch Hartz IV im Jahr 2003 ab, dann kriegen sie es, vom  Bundesverfassungsgericht unter Wink mit dem Zaunpfahl auf Verstoß gegen Artikel 1 und 20 des Grundgesetzes dazu angemahnt, innerhalb eines Jahres nicht hin, ein verfassungsgemäßes Existenzminimum zu definieren und dann verhöhnen sie uns Menschen noch in einem sogenannten Vermittlungsverfahren mit dem Gerede von5 oder 8 oder 11 Euro mehr. Angesagt sind aber 141 Euro mehr für einen die soziokulturelle Teilhabe wenigstens kurzfristig sichernden Regelsatz von 500 Euro!

141 Euro mehr!

Und das rückwirkend bis zum Inkrafttreten von Hartz IV am 1.1.2005, da Grundrechte sich nicht temporär ausknipsen lassen…

Ein existenzsichernder Regelsatz geht alle an. Auch ohne gesetzlichen Mindestlohn ist der Hartz-IV-Regelsatz aufgrund des von denselben Parteien hochgehaltenen Lohnabstandsgebotes ein de facto-Mindestlohn. Es ist also in jedermanns Interesse, einen möglichst hohen Regelsatz durchzusetzen. Nichtsdestotrotz fordern wir den gesetzlichen Mindestlohn!

Was wir alle aber brauchen, ist mehr Solidarität!

Auch in Euer aller Interesse kann es nicht sein, wenn die Regierung durch die Streichung von Alkohol und Tabak aus dem Regelsatz Menschen zweiter Klasse aus den Hartz-IV-Leistungsberechtigten machen will. Kämpft dagegen an!

In Mainz hat die Ampelkoalition aus SPD, GRÜNEN und FDP den SozialPass als ihr Projekt ausgerufen, um das Sozialticket zum Wucherpreis der MVG abzulösen und den Anspruch des Grundrechts auf soziokulturelle Teilhabe gemäß dem Anteil des Hartz-IV-Regelsatzes für den ÖPNV zu erfüllen. Davon ist weit und breit nichts zu sehen. Das Sozialticket ist immer noch Stand der Dinge, es kostet inzwischen 51,40 Euro und zwingt regelrecht zum Schwarzfahren. Kämpft mit uns mit für soziale Gerechtigkeit!

Eltern, die in Hartz IV geraten, sind total angeschmiert: das Kindergeld wird ihnen von Anfang an vorenthalten, seit neustem wird ihnen auch das Elterngeld noch vorenthalten und wenn sie gerade von Alg I zum Alg II wechselten und mit dem Armutsgewöhnungszuschlag gerechnet haben, dann wird ihnen auch dieser gestrichen. Eltern, die in Hartz IV geraten, wir so bis zu 761 Euro jeden Monat vorenthalten! Kämpft dagegen an!

Insbesondere Eltern: Kämpft doch dagegen an!!

Eltern, alle Eltern, kämpft gegen das asoziale Elterngeld! Von dem Mindestbetrag von 300 Euro pro Monat (wie er bis 2010 auch für Hartz-IV-Eltern galt), von dieser Kürzung um 50 Prozent gegenüber dem Erziehungsgeld sind viel mehr betroffen. Eltern, geht doch auf die Straße und kämpft dagegen an!

Arbeitnehmer…  Kennen Arbeitnehmer heute noch ihre Rechte und Potenziale? Wer arbeitet bei Zeitarbeitsfirmen, die kein equal pay bieten? Wer arbeitet für Löhne, die man mit Hartz IV aufstocken müsste (was manche nicht einmal tun)? Wer arbeitet 40 Stunden die Woche und kämpft nicht für die längst überfällige Arbeitszeitverkürzung auf die 30-oder sogar 25-Stunden-Woche? Wer gehört zu den 12 Millionen, die eine Riester-Rente abgeschlossen haben? Warum? Ihr alle seid nicht mit uns auf der Straße, um gegen Milliardenverschwendung beim Bankenrettungsschirm und bei der “Rettung” des geliebten Euro zu demonstrieren? Wo sind die bewussten Menschen, die all das nicht mit sich machen lassen und mit uns dagegen kämpfen?

Redebeitrag zur 20. Jeden-Monat-Demo

Dieser Textbeitrag entstand aus der Überarbeitung des Redebeitrags von  Manfred Bartl, Mainzer Initiative gegen HARTZ IV, zur 20. Jeden-Monat-Demo am 19.01.2011.

Liebe Mainzerinnen und Mainzer,

dies ist die Mär vom abhanden gekommenen Hartz-IV-Regelsatz.

Wenn man dieser Tage die Zeitungen aufschlägt und Artikel über „Hartz-IV-Verhand­lungen“ liest, kommen darin vor allem Wörter wie Bildungspaket, Mindestlohn und Leiharbeit vor. Wie konnte es dazu kommen?

2003 hatte eine rot-grüne Regierungskoalition mit den Stimmen von schwarz-gelb in Berlin das vierte Gesetz über Modernisierungen am Arbeitsmarkt – kurz: Hartz IV – beschlossen. Zentrale Auswirkung dieser Modernisierung war die Zusammenlegung von Arbeitslosen­hilfe und Sozialhilfe auf dem Niveau der Sozialhilfe. Gegenüber der Sozialhilfe erschien das neue Arbeitslosengeld II durch Einberechnung von ein­maligen Beihilfen in die monatliche Pauschale zwar aufge­hübscht, nur eine Partei erkannte dennoch, was Hartz IV wirklich ist: Armut per Gesetz!

Diese hatte viele Faktoren: Das Aufbrauchen des (Altersvorsorge-)Vermögens auf dem Weg zur Hilfebedürftigkeit, die fehlenden Beihilfen bei außerplanmäßigen kleineren und erst recht größeren notwendigen Neuanschaffungen und natürlich der vorne und hinten nicht reichende Regelsatz von 345 Euro, der etwa keinerlei Ausgaben für Bildung vorsah und der schließlich – nach Jahren – am 9. Februar 2010 vom Bundesverfassungsgericht zu Fall gebracht wurde. Allerdings nicht unmittelbar, sondern mittelbar über sein intransparentes Zustande­kommen, das dem Gesetzgeber bis zum 31.12.2010 zur Nachbesserung aufgetragen wurde, um ab dem 1.1.2011 mit einem verfassungsgemäß zustandegekommenen Regelsatz weiterzumachen. Andernfalls müsste ein später bestimmter Regelsatz rückwirkend zum 1.1.2011 in Kraft treten.

Die zuständige Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen, ließ erst einmal ein paar Monate verstreichen – und präsentierte den perplexen Hilfebedürftigen dann eine faustdicke Überraschung: die Neuberechnung des Hartz-IV-Regelsatzes hätte einen gegenüber dem vorher geltenden Regelsatz um 5 Euro erhöhten Betrag von 364 Euro zur Folge; bei den Kindern müsste man allerdings theoretisch etwas abziehen, man ließe ihnen aber das Geld wie bisher und würde die Kinder einfach ein paar preisinduzierte Regelsatzanpassungen aussetzen lassen, bis alles wieder mit dem errechneten Bedarf übereinstimme. Das kam unvorbereitet, denn die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht war ja gerade über die Kinderregelsätze möglich geworden. Die Kinderregelsätze wurden vom Eckregelsatz für den alleinlebenden Erwerbsfähigen durch willkürliche prozentuale Abzüge abgeleitet, der, wie gesagt, keinen Ausgabenposten für Bildung beinhaltet! Für alle Beobachter stand fest, dass bei einer soliden Neuberechnung nach transparenten Kriterien nicht nur irgendwelche neuen Regelsätze für die verschiedenen Altersstufen, sondern vor allem auch höhere Regelsätze herauskommen würden müssen.

Dem Anspruch des Bundesverfassungsgerichts nach Transparenz der Neuberechnung kommt von der Leyen nur insofern nach, als deutlich wiederum die Verfassungswidrigkeit durchscheint. Noch nicht die wichtigste, aber eine sehr offensichtliche ist die Streichung des Anteils für Alkohol und Tabak, gesellschaftlich anerkannte Genussmittel, vor allem in für soziale Teilhabe so wichtiger Gesellschaft (übrigens auch noch ohne Herausrechnung der Ausgaben der Bezugsgruppe für diese “Genussgifte“).

Nachdem von der Leyen so spät in die Gänge gekommen war, wird das Procedere nun weiter ausgebremst durch die rot-rot-grüne Blockade im Bundesrat. Doch was da in den Arbeitsgruppen des Vermittlungs­aus­schusses von Bundestag und Bundesrat diskutiert wird, ist nicht primär der Hartz-IV-Regelsatz, sondern andere, die Arbeitsmarkt­politik insgesamt berührende Themen wie eben der Mindestlohn und die Leiharbeit. Man versucht, genauer: die SPD versucht ohne Rücksicht auf Verluste, mit ihrer Zustimmung zum um gerade mal 5 Euro erhöhten Regelsatz andere Themen durchzupeitschen. Doch so sehr der gesetzliche Mindestlohn hilfreich auch für die Hartz-IV-Problematik wäre, so wenig hilft er bei der Durchsetzung eines wirklich verfassungs­gemäßen Regelsatzes von nach unserer Meinung 500 Euro, wenn sich niemand explizit darum bemüht – nicht einmal die LINKSFRAKTION im Bundestag, die erst mit dem Bundesverfassungsgericht drohen musste, um überhaupt zur Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses zu­gelassen zu werden, und nun nur Zahlen Dritter in den Verhandlungen thematisiert, statt die eigene Forderung einzubringen.