Die 18. Jeden-Monat-Demo am 20.10.2010 richtet sich gegen die Verhöhnung aller Hartz-IV-Leistungsberechtigten, des Bundesverfassungsgerichts, des Einzelhandels und der Verkehrsbetriebe Deutschlands durch den derzeitigen “Referentenentwurf” für einen neuen Hartz-IV-Regelsatz!
Was nach außen dringt, die Erhöhung des Regelsatzes um 5 Euro, ist in Wirklichkeit eine vom Bundesverfassungsgericht mit keinem Wort geforderte Senkung, die um eine etwas umfangreichere, aber die Forderungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils keinesfalls deckende Erhöhung wieder aufgewogen wird. So wurden vor allem die gesellschaftlich anerkannten “Genussgifte” Alkohol und Tabakwaren aus dem Regelsatz herausgerechnet, zynischerweise unter Ersatz des daraus scheinbar resultierenden Flüssigkeitverlustes durch eine äquivalente Menge Sprudelwasser, zu dem man, wenn man es zu Billigpreisen beim Discounter holt, auch noch eine Flasche Saft bekommen könnte.
Der Anteil für Mobilitätsdienstleistungen wurde um etwa 2 Euro angehoben, doch zum Mainzer Wucher-“Sozialticket” ergibt sich noch immer ein Verhältnis von etwa 1:3, was eine Verwehrung des Grundrechts auf Mobilität darstellt!
Die im Vorfeld des Urteils im Fokus der medialen Aufmerksamkeit stehenden Regelsätze für Kinder werden überhaupt nicht erhöht, schlimmer noch: Angeblich liegt der Bedarf niedriger als bisher angenommen, doch “großzügigerweise” will man die Sätze beibehalten, wird dann aber in Zukunft “gezwungen” sein, bei nach Preiserhöhungen angezeigten Erhöhungen der Regelsätze darauf zu verzichten.
Angeblich wurden auch die Praxisgebühr und “Kosten von Internet-Downloads” in den Regelsatz einberechnet, aber ich konnte sie noch nicht finden, obwohl ich sie mit der Lupe gesucht habe. Kein Mensch kann derweil sagen, welche Kosten für Internet-Uploads vorgesehen sind…
Das Maß an Entrechtung nimmt also nicht nur zu, die Entrechtung beschleunigt sich auch. Mit dem Herausrechnen von Alkohol und Tabakwaren – und das vor dem Hintergrund des Grundrechts auf soziokulturelle Mindestteilhabe – sollen Hartz-IV-Leistungsberechtigte endgültig zu Menschen zweiter Klasse gemacht werden. Niemand kann das zulassen wollen!
Darum lasst uns am 20.10.2010 um 12 Uhr am Münsterplatz in Mainz zusammenkommen und die Gegenwehr organisieren!
Demonstrationsaufruf: Regelsatz erhöhen. Genug für Jeden!
Den Regelsatz für Empfänger von Arbeitslosengeld 2, Armutsrenten (Grundsicherung im
Alter) und Sozialgeld hat das Bundesverfassungsgericht Anfang 2010 für verfassungswidrig
erklärt. In der jetzigen Form bildet er nicht das Existenzminimum ab. Er muss bis zum 1.
Januar 2011 neu geregelt werden. In der vergangenen Woche hat die Regierung ein neues
Gesetz auf den Weg gebracht. Erneut sollen viele der Leistungen für ehemalige
Sozialhilfeempfänger bzw. für bisherige Empfänger von Grundsicherung im Alter,
Sozialgeld und Arbeitslosengeld 2 gekürzt werden. Der sogenannte Warenkorb für die
finanziell sowieso schon Bedürftigen soll erneut verkleinert werden. Lebensnotwendige
Artikel wurden bei der Berechnung des Regelsatzes überhaupt nicht oder nicht in der
tatsächlichen Kostenhöhe berücksichtigt.
So unter anderem die Antibabypille bzw. andere Verhütungsmittel, Bestattungskosten,
Sehhilfen und Fahrradanschaffung. Auch die Position “Installation von Haushalt-
großgeräten“ wurde gestrichen. Soll der Sozialgeldempfänger oder die Rentnerin, die von
Grundsicherung lebt, jetzt den Elektro- oder Gasherd selber anschließen?
Selbst Geld für Kühl- und Gefrierschrank sowie Waschmaschine sollen jetzt komplett
gestrichen werden. Für einen Küchenherd zum Kochen soll man 1,44 Euro im Monat
zurücklegen, um nach 10 Jahren 172,80 Euro für einen solchen übrig zu haben. Für
sämtliche Versicherungen sollen den Regelsatzempfängern jährlich insgesamt 3 Euro
zustehen. Wer versichert Hausrat und Haftpflicht für 3 Euro Jahresbeitrag?
Die Praxisgebühr wird zwar – 5 Jahre nach ihrer Einführung – endlich berücksichtigt, aber
nicht in voller Höhe. Eine Position für den Eigenanteil an den Gesundheitskosten für
chronisch Kranke und Vorsorgeuntersuchungen gibt es nicht. Sollen die Kranken am Essen
oder der Kleidung sparen?
Familien mit Kind sollen demnächst ohne Teppichboden und Fußbodenbelag im Kinder-
zimmer auskommen. Dafür gibt es keine Position im Warenkorb des Kinderregelsatzes
mehr. Warum sind in den Regelsätzen für Kinder und Jugendliche die Ausleihgebühren für
Sport- und Campingartikel und Postdienstleistungen gestrichen worden? Kinder und
Jugendliche dürfen wohl keine Briefe mehr schreiben und sich nicht mal ein paar Schlitt-
schuhe für die Eisbahn ausleihen? Warum gibt es keine Position für Ausleihgebühren von
Büchern und Zeitschriften für die Jugendlichen mehr? Das steht im krassen Widerspruch
zur beschworenen Bildungsförderung für Kinder aus armen Familien. Bis 2004 gab es
Urlaubsgeld für Sozialhilfeempfänger mit Kind und Weihnachtsgeld für ein Geschenk.
Diese erneuten Kürzungspläne der Definition eines Existenzminimums in einem der
reichsten Staaten der Welt widersprechen dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes, den
Artikeln 1 und 7 der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie bereits letztinstanzlich
gefällten Entscheidungen des Bundessozialgerichtes. Wir wollen keine erneute
Verschlechterung der Lebenslage finanziell bedürftiger Bürger. Wer das trotzdem versucht,
hat mit unserem Widerstand zu rechnen. Wir rufen dazu auf, sich mit den rund 80 000 in
Leipzig lebenden Empfängern von Arbeitslosengeld 2, Grundsicherung im Alter, Sozialgeld
und aufstockendem Arbeitslosengeld 2 zu solidarisieren. Hartz 4 kann jeden treffen.
Deshalb gehe mit!
Demonstration und Kundgebung: Montag 18 Uhr Nikolaikirchhof
Unterzeichner: Aktionsbündnis soziale Gerechtigkeit (Leipzig), Aktionskreis Demokratie & soziale Politik, ASJ Leipzig, Buntes Haus
Konradstr., DSP Sozialwerk, FAU Leipzig, Sozialforum Leipzig, Verein zur Stärkung einer guten Sache e.V., Vokü Krisenherd,
Wählervereinigung Leipzig
Leipzig, den 26. Oktober 2010
Internet: http://www.regelsatzerhoehung.de e-Mail: information@regelsatzerhoehung.de
Organisationsbüro: Eisenbahnstr. 109: Di. 15-19 Uhr, Mi.+Do. 14-20 Uhr, Fr 17-22 Uhr
Stadtteilbüro Mitte: Kolonnadenstr. 19: Mi. 16-17.30 Uhr, Do. 16-18 Uhr
Forderungen an Bundestag und Bundesrat
1. Der Regelsatz muss folgende Positionen entsprechend der realen Kosten enthalten:
Antibabypille,
Küchenherd,
Kühlschrank,
Waschmaschine,
Fahrradanschaffung, Praxisgebühr, Eigenanteil für Krankenbehandlung und
Vorsorgeuntersuchung, Installation von Haushaltsgeräten wie Elektro- bzw. Gasherd, Hausrats-, Rechtsschutz, Unfall- und Haftpflichtversicherung. Für Kinderregelsätze: Einrichtung von Kinderzimmern; Teppichboden bzw. Fußbodenbelag in Kinderzimmern; Urlaubsgeld; Ausleihgebühren für Sport- und Campingartikel
sowie
Bücher
und
Zeitschriften;
Postdienstleistungen;
Rundfunkempfänger, Tonaufnahme- u. Tonwiedergabegeräte für Jugendliche
sowie Geschenke zu Weihnachten und zum Geburtstag.
2. Kosten für Gesundheitsvorsorge und Krankenbehandlung sowie die
Bildungsausgaben für Kinder und Jugendliche müssen vollständig erstattet
werden, sofern sie nicht im Regelsatz enthalten sind.
3. Schluss mit dem Annahmezwang untertariflich bezahlter Arbeit. Dieser
Annahmezwang führt zu einer Spirale des Lohndumpings zu Lasten der
Beschäftigten.
4. Es darf keine Anrechnung der Leistungen für Kinder wie Kindergeld und
Unterhalt auf die Regelsätze für den Lebensunterhalt der Erwachsenen mehr
geben.
5. Die Wiederherstellung der bis 1998 gültigen Regelungen für die Berechnung der
künftigen Rente der ALG 2-Empfänger ist unerlässlich, um künftige Altersarmut
wirksam zu verhindern.
6. Schluss mit den Sanktionen und Schikanen gegen die Regelsatzempfänger. Wir
fordern Rechtssicherheit, schriftliche Begründungen bei Leistungsablehnungen,
weniger Bürokratie bei Antragsstellungen, ein Ende der verzögerten
Leistungsgewährung und ein Ende aller Versuche den Regelsatzempfängern
weniger auszuzahlen als ihnen der Gesetzgeber zugesteht.
Demonstration und Kundgebung
Montag 18 Uhr Nikolaikirchhof
Unterzeichner: Aktionsbündnis soziale Gerechtigkeit (Leipzig), Aktionskreis Demokratie & soziale Politik,
ASJ Leipzig, Buntes Haus Konradstr., DSP Sozialwerk, FAU Leipzig, Sozialforum Leipzig, Verein zur
Stärkung einer guten Sache e.V., Vokü Krisenherd, Wählervereinigung Leipzig
Leipzig, den 26. Oktober 2010
Internet: http://www.regelsatzerhoehung.de e-Mail: information@regelsatzerhoehung.de
Organisationsbüro: Eisenbahnstr. 109; Öffnungszeiten: Di. 15-19 Uhr, Mi.+Do. 14-20 Uhr, Fr 17-22 Uhr
Stadtteilbüro Mitte: Kolonnadenstr. 19; Öffnungszeiten: Mi. 16-17.30 Uhr, Do. 16-18 Uhr
250 Leipziger fordern Erhöhung des Regelsatzes: Am Abend des 1. November demonstrierten 250 Leipziger unter dem Motto “Genug für Jeden! Tarifkampf statt Sozialprotest: Regelsatz erhöhen!” vom Nikolaikirchhof zum Neuen Rathaus. Auf dem Nikolaikirchhof erklärte einer der Anmelder: “Wir fordern die Erhöhung des Regelsatzes. Es kann nicht sein, dass den Regelsatzempfängern also den Erwerbslosen, den Kranken die Sozialgeld erhalten und den Alten die nur Grundsicherung im Alter bekommen jetzt das Geld für Kühlschrank und Waschmaschine gestrichen wird oder den Kindern der Fußbodenbelag im Kinderzimmer. Damit werden wir uns nicht abfinden. Wer den Sozialstaat endgültig schleifen will, der hat mit unserem Widerstand zu rechnen. Hartz IV war schon ein Skandal aber jetzt auch noch aus dem sogenannten Warenkorb des Regelsatzempfängers ca. 40 Einzelpositionen herauszustreichen, werden wir nicht hinnehmen.” Um ihrer Forderung nach Erhöhung des Regelsatzes Nachdruck zu verleihen riefen die Demonstranten in Sprechchören “Fünf Euro mehr sind bloß ein Dreck, die Inflation frisst die schon weg” und “Fünf Euro sind uns nicht genug, Schluss mit diesem Lug und Trug” sowie “Rückt endlich die Knete raus, sonst geht es für euch
böse aus” und “Bei den Banken sind sie fix, für die Armen tun sie nix”.
Während der Kundgebung vor dem Neuen Rathaus sagte einer der Organisatoren:
“Wir werden der Forderung nach Erhöhung des Regelsatzes Nachdruck verleihen.
Wir meinen das ernst, wenn wir sagen Tarifkampf statt Sozialprotest. Wir wollen mit
und für die rund 80 000 Regelsatzempfänger in Leipzig tatsächlich deutliche
Verbesserungen durchsetzen.” Dafür sei gemeinsames Handeln notwendig. Zum
Abschluss der Kundgebung wurde – während man sich für den nächsten Montag zu
einer erneuten Demonstration verabredete – in Sprechchören “Wir kommen wieder”
skandiert.
Wie die Organisatoren der Kampagne „Regelsatz erhöhen. Genug für Jeden“
mitteilen, würden mittlerweile auch für die Demonstration am kommenden Montag
ein Dutzend Großtransparente im Format 2 mal 1 Meter mit der Forderung und
dem Hinweis auf die Montagsdemonstration aus Fenstern verschiedener
Wohnungen in Leipzig hängen.
Für Interessenten gibt es im Internet neben der Kampagnen-Homepage auch
Informationen unter http://www.aktionsbuendnis-soziale-gerechtigkeit.de sowie unter
http://www.montagsdemo-leipzig.de.
Internet: http://www.regelsatzerhoehung.de e-Mail: information@regelsatzerhoehung.de
Organisationsbüro: Eisenbahnstr. 109: Di. 15-19 Uhr, Mi.+Do. 14-20 Uhr, Fr 17-22 Uhr
Stadtteilbüro Mitte: Kolonnadenstr. 19: Mi. 16-17.30 Uhr, Do. 16-18 Uhr