Im lexisnexis-Beitrag Nr. 185034 vom 28.07.2010 berichtet Reinhild Gotzen: “SGB II-Empfänger haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Barauszahlung der Leistungen“. Es ist das SG Gießen, das sich mit diesem klaren Fehlurteil hervortut – auch wenn man sagen muss, dass viele andere Aspekte an dieser Story einfach nicht berücksichtigt wurden oder schlicht falsch sind.
Die Aussage etwa, dass der Leistungsempfänger den Anspruch auf kostenfreie Auszahlung verwirkt, wenn er eine andere Auszahlung als die vom Gesetzgeber im § 42 SGB II als Regelfall bestimmte Überweisung von Geldleistungen auf ein Konto des Leistungsempfängers beantragt, ist – im Falle der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im SGB II – offenkundig nicht haltbar. Hier gilt Ähnliches wie beim Wegfall der Bagatellklausel der Fahrtkosten, die bei Einladungen zur ARGE entstehen. Der Leistungsempfänger hat selbstverständlich ein Recht auf vollständige Auszahlung des bewilligten ALG-II-Betrages zur Sicherung seines Grundrechts auf Leistungen zum Lebensunterhalt mit soziokultureller Mindestteilhabe! Wenn das von der ARGE gewählte Postbarscheck-Verfahren mit Gebühren verbunden ist, ist dieser unabdingbare Grundsatz wohl kaum gewährleistet und darum ist es eben das falsche Verfahren!
Allerdings lässt sich das Problem auf verschiedene Weisen auflösen. Der einfachste Weg wäre, Banken die Erhebung von solchen Gebühren zu untersagen. Der zweiteinfachste Weg wäre, sofern der Leistungsempfänger auf der Barauszahlung besteht, dass er sich das Geld bar bei der ARGE abholt. Am allereinfachsten aber wäre der Hinweis an die Bank, dass sie das Girokonto kostenlos zur Verfügung stellen muss. Auf diese Weise kann das Konto weiterhin genutzt werden und der ARGE entstehen auch keine Verwaltungskomplikationen. “Das Jedermann-Konto wurde 1996 in Deutschland vom Zentralen Kreditausschuss der Banken (ZKA) als freiwillige Selbstverpflichtung der Banken definiert. Es handelt sich um ein Girokonto auf Guthabenbasis, bei dem keine Überziehung (umgangssprachlich: Guthabenkonto) zugelassen ist.” (Lemma der Wikipedia)
Völlig falsch ist natürlich der Hinweis des Sozialgerichts Gießen, dass Kontoführungsgebühren als Bedarf mit der Regelleistung abgedeckt seien. Schon wegen des Jedermann-Kontos besteht gar kein Grund, für Bankdienstleistungen einen eigenständigen Bedarf vorzusehen – und so ist es ja dann auch, wenn man sich die Regelsatzverteilung ansieht! Abgesehen davon muss endlich Schluss sein mit dem Irrsinn, wirklich alles, was man sich alltäglich leisten können muss, um Teil dieser Gesellschaft zu sein, auf den “mit Hartz IV abgedeckten Bedarf” abzustellen, der mit schlappen 359 Euro nun einmal nicht mehr ist als ein besseres Taschengeld! Taschengeld für erwachsene, eigenverantwortliche, oft zusätzlich betreuuende, mit einer Menschenwürde versehene Mitmenschen! Hartz-IV-Leistungsberechtigte sind nicht der soziale Schuhabtreter der Nation!