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Das Mainzer Aktionsbündnis fordert Taten!

Nächste Woche beginnt das neue Schuljahr.Das Mainzer Aktionsbündnis zur Finanzierung von Schul- und Bildungsbedarfen bei Kindern von Arbeitslosengeld II EmpfängerInnen hat schon vor der Sommerpause sowohl die Sozialdezernentin der Stadt Mainz als auch die Stadtratsfraktionen auf die unhaltbare Situation von Schulkindern aus einkommensschwachen Familien hingewiesen. Passiert ist bis heute allerdings nichts.

Um die Chancen von Kindern aus einkommensschwachen Haushalten zu verbessern, hatte das Bündnis einen kommunalen Schulmittelfonds gefordert. Aus dem Fonds sollen die Kosten für die zum Schulbeginn notwendigen Schulsachen wie Ranzen, Füller, Hefte und Bücher erstattet werden, solange eine langfristig geforderte eigenständige Kindergrundsicherung auf Bundesebene und eine umfassende Lernmittelfreiheit auf Landesebene nicht für bildungsfreundliche Verhältnisse für alle sorgen. Hier muss die Stadt Mainz mit einer schnellen und unbürokratischen Soforthilfe vor Ort einspringen.

“Die Schulsachen werden jetzt zum Schuljahresbeginn gebraucht, die Kinder können nicht warten“, so Dr. Gisela Hilgefort, Geschäftsführerin der pro familia Mainz.

Andere Städte gehen mit gutem Beispiel voran: Oldenburg gewährt eine kommunale Schulbeihilfe in Höhe von 50 Euro pro Schulkind und Schuljahr, Chemnitz 25 Euro. In Osnabrück gibt es 50 Euro zum Beginn des 1., 5. und 11. Schuljahres. In Göttingen und im Landkreis Dahme-Spreewald in Brandenburg beträgt die Beihilfe 80 Euro für jedes Kind, das eingeschult wird, in München 100 Euro.

Alternativ zum kommunalen Schulfonds wäre auch eine Extra-Beihilfe zum Schuljahresbeginn durch das Job-Center für Arbeitsmarktintegration denkbar. Das Job-Center, das gemeinsam von der Stadt Mainz und der Arbeitsagentur Mainz betrieben wird, könne im Rahmen der bestehenden Bundesgesetze Darlehen zum Schuljahresanfang gewähren und die Rückzahlung des Darlehens erlassen. „Das Job-Center sollte dieses Darlehen mit Null-Tilgung aber großzügig gewähren, um Kindern aus armen Haushalten sofort und bereits zu diesem Schuljahr zu helfen“, meint Wolfgang Kron, Vorsitzender des DGB Rheinhessen-Nahe.

Kinderarmut gebe es leider auch in Mainz reichlich, so der Verein Armut und Gesundheit. Ihre Bekämpfung dürfe kein Lippenbekenntnis bleiben, sondern müsse an den Ursachen ansetzen. Das Aktionsbündnis erwartet von den Fraktionen im Stadtrat, dass sie sich rasch dem Problem stellen.

Insbesondere für die kleinen ABC-Schützen ist der erste Schultag ein aufregendes Ereignis, auf das sie sich freuen. Für Eltern ist die Einschulung eine teure Sache: Die Grundausstattung für ein Schulkind mit Ranzen, Mäppchen, Farbkasten, Sportschuhen usw. kostet zwischen 180 und 200 Euro.

Schule kostet Geld und daher brauchen Eltern Geld. Hartz-IV-Familien, aber auch Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit geringem Einkommen können dieses Geld einfach nicht aufbringen. Im Hartz-IV-Satz von monatlich 208 Euro für Kinder bis 14 Jahre sind überhaupt keine Ausgaben für Schulsachen vorgesehen, für den Posten „Schreibwaren im Allgemeinen“ lediglich 1,64 Euro. Damit ist nach einem Bleistift und einem Radiergummi Schluss. Das Päckchen Patronen muss im Laden liegen bleiben. Ein Ansparen der benötigten Summen – wie es Hartz-IV-EmpfängerInnen nahe gelegt wird – ist angesichts eines solch astronomisch erscheinenden Betrags, wie er erst für einen Schulranzen fällig wird, nicht möglich.

Helfen Sie den Schulkindern jetzt!

Mitglieder des Aktionsbündnisses zur Finanzierung von Schul- und Bildungsbedarfen sind: Armut und Gesundheit in Deutschland e.V., DGB Rheinhessen-Nahe, Mainzer Initiative gegen HARTZ IV, Verband Alleinerziehender Mütter und Väter, LV RLP, und pro familia Mainz.

Das neue Schuljahr mit Sozialgeld?

Nach Paragraph 28 SGB 2 Absatz (1) erhalten “nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld (…). (…) 1. Die Regelleistung beträgt bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 60 vom Hundert und im 15. Lebensjahr 80 vom Hundert der nach Paragraph 20 SGB 2 Abs. 2 maßgebenden Regelleistung [zur Sicherung des Lebensunterhalts] (…).” Da die Regelleistung seit dem 1. Juli 2007 auf 347 Euro (vorher: 345 Euro) erhöht wurde, erhalten Kinder in “Bedarfsgemeinschaften” erwerbsfähiger Hilfebedürftiger

  • bis zum 14. Geburtstag 60 Prozent der Regelleistung, also 208 Euro,
  • bis zum 15. Geburtstag 80 Prozent der Regelleistung, also 278 Euro,
  • und ab dem 15. Geburtstag wie sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft 80 Prozent der Regelleistung, also 278 Euro.

Kindergeld, das selbst superreichen Eltern für das Existenzminimum ihrer Kinder zusteht, wird ALG-II-Empfängern als zusätzliches Einkommen voll angerechnet, sodass sie dieses Geld niemals zu Gesicht bekommen. Der Betrag von 208 bzw. 278 Euro soll also für Essen, für die Winterschuhe, für Spielzeug und für vieles mehr reichen.

Wir bezweifeln dies. Eine Arbeitslose müsste lange sparen, um z. B. mit den vorgesehenen 4,40 Euro/Monat die benötigten Sportschuhe oder mit den vorgesehenen 9,12 Euro/Jahr geeignetes Spielzeug oder mit den vorgesehenen 2,51 Euro/Tag ausreichendes und gesundes Essen zu kaufen.

Noch schlimmer sieht es mit dem Geld für Schulsachen aus. Denn von den 208 Euro ist kein einziger Cent für Schulsachen vorgesehen. Die Ausgaben für Bildung wurden komplett gestrichen, als die Höhe des ALG II festgelegt wurde. Für Schreibwaren im Allgemeinen sind von den 208 Euro monatlich 1,63 Euro vorgesehen. Dafür bekommt man gerade mal einen Bleistift und einen Radiergummi. Aber was, wenn ein Zirkel oder ein neuer Schulranzen, ein Mäppchen oder ein Taschenrechner gebraucht werden? Von den Schulbüchern und Arbeitsheften ganz zu schweigen.

Bei der Einschulung in eine städtische Grundschule sind z.B. im vergangenen Jahr für ein Kind folgende Kosten entstanden:

  • Bücher und Arbeitshefte gemäß der von der Schule vorgegebenen Liste: 56,57 Euro. (Dafür hätte übrigens der Lernmittelgutschein gemäß der Landesverordnung über die Lernmittelfreiheit nicht gereicht, selbst dann nicht, wenn man die für das Schuljahr 2007/08 erhöhten Beträge zugrunde gelegt hätte. Danach liegt der Grundbetrag für Kinder in der 1. Klasse bei 50 Euro, wovon Familien mit nur einem oder zwei Kindern nur 75 % erhalten.)
  • Hefte, Mappen, Malblöcke, Schere, Radiergummi, Stifte, Malkasten, Knete etc. gemäß der Materialliste der Schule: 60 Euro.
  • Schulranzen, Turnbeutel, Mäppchen: 40 Euro.
  • Klassenkasse (Kopierkosten und Ausgaben für weiteres pädagogisches Material): 30 Euro.

In diesen Ausgaben sind noch nicht die Kosten für die Turnkleidung, die Turnschuhe oder gar eine Schulspeisung enthalten.

Für die Inanspruchnahme von Mehrbedarfen muss man schon alleinerziehend sein. Einmalige Beihilfen, wie sie noch in der alten Sozialhilfe geleistet wurden, sind aus dem schulischen Blickwinkel nur noch für mehrtägige Klassenfahrten schulpflichtiger Kinder vorgesehen; beim Erstbezug einer Wohnung gibt es Beihilfen, nicht aber bei der Einschulung für die Schultüte und deren Inhalt.

Wir fragen uns, von was Hartz-IV-Eltern diese Kosten bezahlen sollen. Ein “Ansparen” jedenfalls ist angesichts der oben genannten Zahlen kaum möglich.

Es ist bereits statistisch nachgewiesen, dass gerade Kinder armer Eltern auch bei der Bildung benachteiligt werden und damit dauerhaft in Armut bleiben. Armut in frühen Kindertagen ist vielfach prägend für längere Zeiten und geht oft mit vielfältigen Benachteiligungen einher. Arme Kinder haben oftmals mehr gesundheitliche Beeinträchtigungen und ihnen bleiben oftmals erfolgreiche Bildungswege verschlossen. Bundesweite Untersuchungen zeigen, dass dreieinhalb Mal so viele arme Kinder wie nicht arme Kinder bereits in der Grundschule eine Klasse wiederholen. Mehr als jedes dritte Kind, das arm ist, bleibt sitzen.

Es ist ganz offensichtlich, dass es um die Bildung von Hartz-IV-Kindern, die mit ihren Eltern von ALG II oder Sozialgeld leben müssen, schlecht steht und dies oftmals die Weichen für ihr späteres Leben stellt. Chancengleichheit ist so nicht möglich. Wenn überhaupt, strebt “Chancengleichheit” in die umgekehrte Richtung: Mit immer mehr Kindern ohne ausreichende Lernmittel werden auch die schulischen Leistungen im Klassenschnitt absinken und ganze Klassenverbände dem geforderten Niveau hinterher hinken.

Der Stadtrat Oldenburg hat vor dem Hintergrund dieser Problemlage für 2007 einen kommunalen Fonds für Schulmaterialien in Höhe von 200.000 Euro in seinen Haushalt eingestellt. Im folgenden Jahr soll dieser Fonds sogar auf 400.000 Euro erhöht werden. Dabei rechnet man in Oldenburg mit 4.000 Bedürftigen.

In Mainz lebt mehr als jedes sechste Kind unter 15 Jahren unter Hartz-IV-Bedingungen. Dies sind 4.346 Kinder unserer Stadt, die arm sind (entsprechend einer Quote von 17,7 Prozent; Stand: Dez. 2006). Von ihnen sind mehr als 2.000 im schulpflichtigen Alter.

Ein Aktionsbündnis zur Finanzierung von Schul- und Bildungsbedarfen, bestehend aus Armut und Gesundheit in Deutschland e.V., dem DGB Rheinhessen-Nahe, der Mainzer Initiative gegen HARTZ IV, der Landesverband RLP des Verbandes Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) und pro familia Mainz, hat die Mainzer Stadtratsfraktionen und Sozialdezernentin Birgitt Collisi aufgefordert,

  • dem Beispiel Oldenburgs zu folgen und Kindern von Mainzer ALG-II-Empfängern und Geringverdienern eine unbürokratische Soforthilfe zum nächsten Schuljahr zur Verfügung zu stellen,
  • sich auf Landesebene für eine in Rheinland-Pfalz längst überfällige, umfassende Lernmittelfreiheit einzusetzen und
  • auf Bundesebene für eine eigneständige Kindergrundsicherung als einzig mögliche Gewährleistung von tatsächlicher Chancengleichheit von Kindern einzutreten.

zur Pressemitteilung des DGB Rheinhessen-Nahe:
Ohne Schulsachen lernt’s sich schlecht – Kein Geld für Schul- und Lernmittel bei Kindern von ALG-II Empfänger/inne/n – Mainzer Aktionsbündnis fordert Stadt zum Handeln auf
zum Artikel der “Allgemeinen Zeitung”, Mainz:
Bündnis fordert Lehrmittelfreiheit – Kritik an Hartz IV – Mittel für Schulbedarf fehlen