Redebeitrag zur 18. Jeden-Monat-Demo

Nach dem Kürzungspaket der Bundesregierung müssen die Leistungsberechtigten nach Hartz IV offenbar erneut einen schweren Schlag hinnehmen. Wer von Anfang an nichts hat, dem kann man offenbar besonders gut was wegnehmen. Die Neuberechnung der Regelsätze für Hartz IV würde nach Aussage der Bundesministerin für Arbeit und Soziales eine Erhöhung um 5 Euro ermöglichen… Hier der Redebeitrag von Manfred Bartl, Sprecher der Mainzer Initiative gegen HARTZ IV, zur 18. Jeden-Monat-Demo:

Liebe Mainzerinnen und Mainzer!

Willkommen zur 18. Mainzer Jeden-Monat-Demo!

Hartz IV wurde 2003 beschlossen – trotz aller Warnungen vor der “Armut per Gesetz“!

Seit dem 1.1.2005, dem Tag, an dem mit der Arbeitslosenhilfe eine ganze Gerechtigkeitsstufe des Sozialstaats abgerissen wurde, wird die Armut per Gesetz per Hartz IV in die Wirklichkeit umgesetzt.

Seitdem wurde Hartz IV drei- oder viermal vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt – aber Hartz IV ist immer noch unter uns und Ihr lasst immer noch mehr Schweinereien zu!

Schon das Kürzungspaket der Bundesreierung ist ein Schlag ins Kontor aller Leistungsberechtigten: Streichung des Armutsgewöhnungszuschlags, Streichung des Elterngeldes, Streichung des Rentenversicherungsbeitrags – um nur die heftigsten Einschläge zu nennen.

Nun bemüht sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales um die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 9. Februar 2010. Nach sozialstaatlichen Maßstäben versagt Ursula von der Leyen kläglich, nach rechtsstaatlichen Maßstäben (und der Sozialstaat gehört nach Artikel 20 Grundgesetz dazu!) handelt  Ursula von der Leyen massiv verfassungswidrig.

Die virtuelle Erhöhung um 5 Euro ist eine Verhöhnung aller Hartz-IV-Leistungsberechtigten, des  Bundesverfassungsgerichts und des Grundgesetzes, des auf den Konsum der Leistungsberechtigten angewiesenen Einzelhandels, der Verkehrsbetriebe und der auf den Umsatz der Leistungsberechtigtenangewiesenen Kommunen, bevor die Binnenkonjunktur vollends einbricht, und damit von uns allen!

Viele halten die Erhöhung des Regelsatzes um 5 Euro für ausreichend, offenbar ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass die Erhöhung um nur 5 Euro dadurch zustande gekommen ist, dass eine kalt berechnete Absenkung um rund 30 Euro (von der nichts vom Bundesverfassungsgericht gefordert oder angedacht oder auch nur in den Raum gestellt worden war, sei doch der bisherige Regelsatz an sich nicht verfassungswidrig gewesen) durch wohlbemessene Erhöhungsposten gerade eben so wieder aufgestockt wurde, dass absolut eine kleine Erhöhung herauskommt, die zumindest die einfachen Gemüter, so die Kalkulation, ruhig gestellt hätte.
Besonders zynisch daran ist die Herausnahme des kompletten Postens für alkoholische und Tabak-“Genussgifte” (so die Diktion des Referentenentwurfs). Dieser Schrtt träfe, sofern er vor dem Bundestag und dem Bundesrat bestünde, ausgerechnet die Leute, denen der Frust so zusetzt, dass diese Genussmittel den letzten soziokulturellen Anker darstellen, wenn man zusammen steht. Getoppt wird diese Streichung durch die menschenfeindlich exakt begründete Umrechnung des der Durstlöschung dienenden Wassergehalts des (billigen) Bieres durch Sprudelwasser, das man, wenn man es beim Discounter besorgt, sogar noch mit zwei, drei Flaschen Fruchtsaft aufbessern könne!

Was soll das??

Wir sind normale Menschen mit normalen Bedürfnissen und gesellschaftlich als Genussmittel anerkannte und weitverbreitete “Genussgifte” gehören zum soziokulturellen Teilhabeminimum!

Im Vorfeld der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 9. Februar 2010 waren ganz zentral im Gespräch die Kinderregelsätze. Viele Menschen und sogar manche Medien glaubten gar, dass es  in Karlsruhe überhaupt nur um die Kinderregelsätze ginge! Auf jeden Fall erlebten wir eine ungewöhnlich breite Zustimmung zu der sich abzeichnenden Erhöhung der Kinderregelsätz, womöglich hätte sich sogar eine eigene Kindergrundsicherung ergeben.

Tatsächlich hat sich das  Bundesverfassungsgericht in dieser Sache ganz klar geäußert, was die Erwartungen nur noch mehr in die Höhe schraubte. Herausgekommen ist aber gar nichts! Schlimmer noch: Ursula von der Leyen hat sich hingestellt und behauptet, die Kinderregelsätze müssten den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zufolge gekürzt werden, man würde es aus Menschenfreundlichkeit nicht tun, könne aber bei den nächsten preisinduzierten Erhöhungen der Regelsätze die Kinder leider nicht berücksichtigen…

Geht’s noch??

Das Maß der Entrechtung nimmt also nicht alleine zu, die Entrechtung beschleunigt sich auch noch! Wollt Ihr Mainzerinnen und Mainzer wirklich Menschen zweiter Klasse in Eurer Stadt? Diese Entwicklung kann doch niemand zulassen wollen! Schon gar nicht im Europäischen Jahr gegen Armut und Ausgrenzung, denn sonst möchte ich kein Jahr erleben, in dem diese Maxime nicht einmal gilt…

Danke für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit!

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