Am 21.11.2018 wird der Mainzer Stadtrat über Anträge abstimmen, die bis auf das Jahr 2009 zurückgehen, als der Kampf um ein menschenwürdig bezahlbares Sozialticket begann. Wenn nicht auf den letzten Metern noch der entscheidende Widerstand aus seinen Löchern kriecht, bleibt diese Chance den rund 20.000 Berechtigten mit geringen finanziellen Möglichkeiten für mindestens weitere drei Jahre verwehrt (wenn sich nicht unterwegs Unterstützung vom Land Rheinland-Pfalz am Horizont abzeichnet). Die im Sozialausschuss unverständlicherweise einstimmig zur Kenntnis genommene Beschlussvorlage macht deutlich: Sozial ist an diesem Plan gar nichts – es steht nicht einmal der Mensch im Mittelpunkt, sondern ausschließlich das Geld; Geld, das die Mainzer Mobilität als Einnahmen verbuchen soll, darum geht es, um nichts anderes.
So wird die alte Sondermonatskarte nicht etwa ersetzt, um überhaupt einen Plan zur Einführung eines echten Sozialtickets vorzutäuschen, nein, es sind ZWEI Sondermonatskarten vorgesehen. Eine wie bisher (mit 25-prozentigem Rabatt auf die Monatskarte) zum Preis von dann 62,40 Euro und eine zum Preis von 35,00 Euro als 9-Uhr-Monatskarte. BEIDE ohne Mitnahmeregelungen, nicht einmal für die eigenen Kinder – und das bei der gegenüber dem RMV großzügigeren Mitnahmeregelung bei den sonstigen VMW-Zeitkarten! (Vermutlich auch) BEIDE ohne die Benutzung von S-Bahnen und Nahverkehrszügen im VMW – als zusätzliche Schikane für die Ärmsten der Armen!
Mit der einen Sondermonatskarte für 35,00 Euro soll der Eindruck erweckt werden, in Mainz existiere (neuerdings) ein “Sozialticket” – doch im Jahr 2019 werden im Regelbedarf der Grundsicherung (Arbeitslosengeld 2/Hartz IV, Grundsicherung im Alter; variiert im Asylbewerberleistungsgsetz) nur 27,41 Euro für ÖPNV-Dienstleistungen (im weitesten Sinne) vorgesehen und damit das Existenzminimum unterdeckt sein, wenn man seine Mobilität über den “MainzPass” absichern müsste! Darüber hinaus besteht bekanntlich KEIN Manövrierspielraum gegenüber allen anderen, ebenfalls für eine Unterdeckung des Existenzminimums sorgenden Teilbereichen!
Alexandra Gill-Gers, Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, wird in der “Allgemeinen Zeitung” zitiert, es sei ihrer Fraktion besonders wichtig gewesen, “während der Modellphase auch das bisherige Sozialticket für 61 Euro [zum Fahren ‚rund um die Uhr‘] beizubehalten. Aufstockerinnen und Aufstocker, die darauf angewiesen sind, vor 9 Uhr zu fahren, sollten “durch den Modellversuch nicht benachteiligt werden”. Tatsächlich werden sie GERADE durch diesen Modellversuch diskriminiert – oder besser: durch diejenigen, welche die absurden Zugangskriterien zu verantworten haben. Es besteht keinerlei naturgesetzliche Notwendigkeit, ausgerechnet diesen Personenkreis von einer Monatskarte für 35 Euro oder richtigerweise maximal 27,41 Euro auszugrenzen!
Richtig offensichtlich wird der perfide Zusammenhang zwischen beiden Sondermonatskarten aber erst, wenn man Teilnehmer*innen in Maßnahmen des Jobcenters und der Agentur für Arbeit Mainz betrachtet. Da die allermeisten auf das teuerste Modell angewiesen sind, weil ihre Maßnahmen in der Regel zwischen 8 und 9 Uhr beginnen, kann die Mainzer Mobilität (MVG GmbH) hier ordentlich zulangen und die fette Kohle abgreifen. Für die Betroffenen ist das kein Kosten-Problem, weil ihre Fahrtkosten vom Jobcenter oder von der BA übernommen werden. Sie können sogar der menschenunwürdigen “Sozialticket”-Falle ganz entkommen, indem sie ein paar Euro aus ihrem ÖPNV-Etat drauflegen und eine reguläre Monatskarte MIT Mitnahmeregelung und MIT Benutzung der Nahverkehrszüge kaufen – Gewinnerin ist wiederum die Mainzer Mobilität!
Welche Art von Modellversuch soll das eigentlich werden, wenn das Bestreben der Mainzer Mobilität immer nur sein wird, den Menschen unabhängig von ihrem Einkommen das Meistmögliche aus der Tasche zu ziehen, während sich die potenziellen Kunden eben aufgrund ihrer krass geringen Einkommen in alle möglichen Richtungen auszuweichen genötigt sehen und auf Einzelfahrscheine, bei auf einen Tag zu konzentrierenden Aktivitäten auf Tageskarten, auf das Fahrrad (sofern vorhanden) zurückgreifen, ans Schwarzfahren denken oder in mittelalterlicher Immobilität, an die Scholle gefesselt in sozialer Isolation verharren…
Sylvia Köbler-Gross, Fraktionssprecherin der Grünen im Stadtrat, sieht den MainzPass laut Bericht der “Allgemeinen Zeitung” trotz alledem “als Erfolg”. Seit 2009 würden sich die Grünen “vehement” für eine Weiterentwicklung des Sozialausweises zum MainzPass einsetzen. – Schreiben wir nicht das Jahr 2018? Der “zentrale Punkt” sei immer die “Frage der Mobilität” gewesen. – Was aber hat eine 9-Uhr-Monatskarte mit den Mobilitätsbedürfnissen von normalen Menschen zu tun?
Es gibt leider viel zu viele Menschen, die den Mainz Pass mit seiner neuen Sondermonatskarte für 35,00 Euro für einen “Schritt in die richtige Richtung” halten. Das ist er nicht. Er ist ein Fehlschritt. Er erreicht das Ziel – TROTZ des unerwartet großen Schrittes – bei weitem nicht. Er ist völlig ungeeignet, den materiellen Anspruch aus dem Grundrecht auf Mobilität zu erfüllen. Er führt mit der 9-Uhr-Monatskarte neue Schikanen ein. Der MainzPass verletzt in vielerlei Hinsicht die Menschenwürde von Zehntausenden Mainzerinnen und Mainzern.
Der Mainz Pass wird zu noch größerem Widerstand von Seiten des Schwarzfahrers für Gerechtigkeit führen. Manfred Bartl wird sein Grundrecht auf Mobilität weiterhin wahren und nur noch entschiedener gegen die politischen, ethischen und ökonomischen Versager in Stadtrat, Verwaltung und Mainzer Mobilität vorgehen, noch härter für das Grunderecht aller Mainzerinnen und Mainzer auf Mobilität kämpfen, denn die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung ALLER staatlichen Gewalt!
Manfred Bartl
Schwarzfahrer für Gerechtigkeit
Sprecher der Mainzer Initiative gegen HARTZ IV