Monthly Archives: July 2011

Zur Demo wegen dem Todesfall in einer Frankfurter Hartz-IV- Behörde

Aus aktuellem Anlass gab es zur Jeden-Monat-Demo im Juli einen zweiten Redebeitrag, der sich mit der Erschießung der Hilfebedürftigen Christy Schwundeck in einem Frankfurter Jobcenter auseinandersetzt.

Am Samstag, den 18.06.11 zogen 350 Menschen lautstark durch die Frankfurter Innenstadt. Sie fordern, dass die Erschießung von Christy Schwundeck aufgeklärt wird. Am 19. Mai wurde sie im Jobcenter Mainzer Landstraße von der Polizei erschossen. Die fast 40-jährige Christy Schwundeck befand sich in einer akuten Notlage; sie hatte kein Geld mehr zum Leben. Weder auf der Bank noch in bar. Der Sachbearbeiter und die Leiterin des Jobcenters verweigerten ihr aber einen Vorschuss von 10 Euro und bestanden darauf, dass Christy Schwundeck das Haus verlässt. Christy Schwundeck blieb, um sich Gehör zu verschaffen. Als die Polizei eintraf, eskalierte die Situation aus bisher ungeklärten Gründen. Während die Staatsanwaltschaft Frankfurt noch am selben Abend von „offensichtlicher Notwehr“ sprach, will die „Initiative Christy Schwundeck“ wirkliche Aufklärung. Viele Fragen seien nicht beantwortet, so zum Beispiel, warum das Jobcenter sagt, Christy Schwundeck sei friedlich gewesen bis zur Ankunft der Polizei, im Gegensatz zum Sicherheitsdienst, der die Polizei wegen einer „randalierenden Frau“ verständigt hatte. Die Medien sprachen ebenfalls sofort von einer „randalierenden“ Person.

Manga Diagne von der Initiative fragt: „Warum fällen Medien und Staatsanwaltschaft ein Urteil, ohne offene Fragen beantwortet zu haben? Soll hier zum Schutz der Polizei nicht ermittelt werden? Wir werden weiter dafür kämpfen, dass es zur Beantwortung unserer Fragen kommt und in einem Prozess Klarheit geschaffen wird.“ Die Demonstranten aus den afrikanischen Gemeinden, Erwerbsloseninitiativen und antirassistischen Gruppen riefen: „Warum, warum hat die Polizei geschossen? – Wir wollen Aufklärung!“ Eine Demonstrantin beschrieb es so: „Mich haben die lauten Fragen beeindruckt: ‚Warum sollte die Polizei schießen? Ist die Polizei nicht geschult? Wer ist der nächste?‘ Die Menschen hier sind emotional sehr betroffen. Beim gemeinsamen Rufen ‚Nein zur Polizeitötung, Nein, Nein.‘ habe ich die Ängste der Menschen durch die Tathandlung der Polizei gespürt.“

Ganze 2 Stunden dauerte der Trauermarsch, und so lange dauerten auch die Sprechchöre. Die ganz besondere Stimmung dieser Demo entstand durch den Wechsel von lautstarken Sprechchören und Schweigeminuten bei denen sich die ganze Demo hinsetzte. Zahlreiche Passanten wurden aufmerksam und haben sich über die Ziele der Initiative informiert. Auf der Kundgebung sprachen unter anderem Vertreter des Arbeitskreises München, von der Initiative für Oury Jalloh aus Dessau und von TheVOICE aus Berlin. Eine emotional beeindruckende, spontane Aktion auf der Kundgebung bot eine leidenschaftliche Sängerin, die mit dem Lied „Amazing Grace“ für Gänsehaut sorgte. Dieses Lied zum Abschluss hat noch einmal die emotionale Betroffenheit aller zum Ausdruck gebracht.

Trotz der eindrucksvollen Stärke der Demonstration und der Brisanz des Themas berichteten die Zeitungen bislang nicht. Sollen hier unbequeme Fragen nicht öffentlich gestellt werden? Die „Initiative Christy Schwundeck“ wird ihr Ziel, Aufklärung und Gerechtigkeit für Christy Schwundeck, weiterverfolgen und lädt alle Interessierten zur Mitarbeit und Unterstützung ein!

Nähere Informationen zum Tod von Schwundeck:
http://www.initiative-christy-schwundeck.blogspot.com

Bei der Vorbereitung der Demo sind einige Kosten angefallen: Telefonkosten, Druck von Flyern und Plakaten, Stoff und Farbe für Banner, Miete eines Wagens und einer Anlage für die Demo, Fahrtkosten, etc. Wer sich an den Kosten beteiligen möchte kann dies über das folgende Konto tun:

Spenden an die Initiative Christy Schwundeck
über das Konto von „Courage gegen Rassismus“ e.V. Frankfurt-Rödelheim:
Kontoinhaber: Uber – Courage
Bank: Deutsche Apotheken und Ärztebank Frankfurt
BLZ: 30060601
Ktn: 0103597946
Verwendungszweck: Initiative Christy Schwundeck
Bitte den Verwendungszweck unbedingt angeben!

Noch etwas in eigener Sache:
Im Zusammenhang mit diesem Todesfall sind mir Dinge zu Ohren gekommen, welche ich aus rechtlichen Gründen leider nicht veröffentlichen darf. Wie ich jedoch darüber denke, ist eine andere Sache. Immerhin, die Gedanken sind (noch) frei!

Interviews und Tondateien unter folgendem Link:
http://www.freie-radios.net/41786

H.E.

Rund ums Geld

Unser Redebeitrag von Manfred Bartl zur 24. Mainzer Jeden-Monat-Demo am 20. Juli 2011, gehalten im Dauerregen bei der Abschlusskundgebung auf dem Frauenlobplatz in der Mainzer Neustadt.

Liebe Konsumentinnen und Konsumenten!

Das OPEN OHR 2011 hat sich unter dem Motto “Rien ne va plus – Nichts geht mehr” mit dem Thema Geld und Bezahlen beschäftigt. Das machen wir Hartz-IV-Leistungsberechtigten auch – und zwar jeden Tag! Warum müssen wir jeden Cent zweimal umdrehen? Warum können andere leistungslos Millionen oder gar Milliarden einstreichen? Manchmal gerät Geld in die Diskussion, etwa wenn der Euro gerettet werden “muss”. Aber versteht noch jemand, worum es bei diesem “Geld” überhaupt geht? Man gewinnt nicht unbedingt diesen Eindruck, wenn monatelang über die Neuberechnung des Hartz-IV-Regelsatzes gerungen wird – und dann mit einer nominellen Erhöhung um 5 Euro faktisch ein Kürzung herauskommt, weil der Anteil für Alkohol und Tabak sang- und klanglos herausgestrichen wurde. Damit – und aus vielen anderen Gründen – genügt der neue Regelsatz nicht dem Anspruch des Bundesverfassungsgerichts auf Einlösung des Grundrechts auf soziokulturelle Teilhabe!

Die für eine scheinbare “Bankenrettung”, “Euro-Rettung” und “Griechenlandrettung” bereitzustellenden dreistelligen Milliardenmittel wurden innerhalb weniger Wochen bewilligt! Leben wir noch in einer Realität, die diesen Namen verdient? Ist die Bundesrepublik denn noch ein Sozialstaat? Ein Rechtsstaat? Eine Demokratie? Nein!

Wie unsinnig die Politik gesteuert wird, kann man gut an der Schuldenbremse ablesen. Nun bin ich grundsätzlich für ein solches Vorhaben zu begeistern. Ich will einen Statt, der sich ausschließlich über Steuern finanziert und der Schulden nur in unvorhersehbaren Situationen ausnahmsweise einmal aufnimmt. Doch welchen Eindruck erweckt ein solcher Plan in einem Staat, der die öffentliche Verschuldung seit Jahrzehnten als Mittel zum Zweck der künstlichen Aufrechterhaltung einer kapitalistischen Wirtschaftsweise betreibt? Wie kann eine Schuldenbremse überhaupt ohne eine gleichzeitige Vermögensbremse zum Ziel führen? Was wird ein Gesetzgeber, dem die Schuldenlast bislang piepegal war, wenn er nur seine überkandidelten Prestigeprojekte durchziehen konnte, unter den Bedingungen der Schuldenbremse anderes betreiben als Sozialabbau, Einschränkungen der Zivilgesellschaft, Kürzungen bei denen, die sich am wenigsten wehren können: bei Langzeitarbeitslosen, und im Bildungssektor!

Das sehen wir doch hier in der Stadt Mainz, wo auch zweieinhalb Jahre nach Beginn meiner Aktion “Schwarzfahren für Gerechtigkeit” und beinahe eineinhalb Jahre nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil immer noch kein verfassungsgemäßes Sozialticket haben!

Wir sehen es an der unwürdigen Diskussion um Kürzungen beim Staatstheater, obwohl unser Stadtschreiber Ingo Schulze schon zurecht dagegen wetterte und obwohl letzte Woche die ZEIT das “Lob der Hochkultur” gesungen hat.

Wir sehen es an der Diskussion um den Gesamthaushalt, die plakativ auf dem OPEN OHR ausgetragen wurde und laut “Allgemeiner Zeitung” beim Festivalmotto endete: beim Rien ne va plus!

Letzte Woche hielt Prod. Karl-Heinz Brodbeck seinen Vortrag zur “Herrschaft des Geldes” an der Mainzer Universität. Seine Argumentation drehte sich um die Entstehung und die Natur des Geldes. Er legte schlüssig dar, dass Geld nicht aus dem Tausch heraus entstanden sein und diesen nicht ersetzt haben kann. Das ist schon interessant, weil ich selbst das Thema beim OPEN OHR vom anderen Ende aufgezogen habe, doch dazu später mehr.

Brodbeck sagt, dass Geld im Wesentlichen aus dem Vertrauen besteht, das wir alle in das Geld als wertebevorratendes, indirektes Tauschmittel setzen, von dem unsere Gesellschaft durchorganisiert wird. Geld sieht Brodbeck als vergesellschaftendes Mittel auf einer Stufe mit unserer Sprache an!  Bankenrettungsschirm und den ganzen Mist bezeichnete Brodbeck als “systematische Missbrauchsorgie” unseres Vertrauens ins Geld. Wenn wir eine Lösung anstrebten, dann müssten wir den Leuten das Handwerk legen, die unser Vertrauen ins Geld und in “Geldstabilität” für ihre eigene Bereicherung ausnutzen.

Beim OPEN OHR habe ich das Thema mit der Ausarbeitung zum “Do ut des”-Prinzips andersherum aufgezogen. Immer wenn ich Leuten vorschlug, das Geld als Ursache unserer Probleme abzuschaffen, erntete ich überraschenderweise Unglaube, weil die meisten Leute – offenkundig rückwärtsgewandt – die dann angeblich einsetzende Tauschwirtschaft für zu kompliziert hielten, um sie wünschenswert finden zu können.

Dabei ist meine Intention, nicht nur das Tauschmittel abzuschaffen, sondern das Tauschen an sich! Es soll sich eine Schenkökonomie herausbilden! Irgendwann stellte ich fest, dass es eine Grundlage für dieses Veralten gibt, nämlich die Verinnerlichung des “Do ut des”-Prinzips. So sagt der Lateiner, wenn wer “Ich gebe, damit du gebest” zum Ausdruck bringen möchte. Die Gabe einer Gegenleistung bewirkt die erwünschte, bedürfnisbefiedigende Leistung. Bekannt ist das Prinzip von dem Spruch “Bis zur vollständigen Bezahlung bleibt die gelieferte Ware unser Eigentum“. Die meisten Menschen können gar nicht anders denken als Leistung gegen äquivalente Geegenleistung. Doch was ist schon äquivalent? Wer bestimmt den Maßstab? Kann es überhaupt einen universalen Maßstab geben? Beim Geld gibt es viel zu viel Missbrauch, um das Vertrauen in diesen Wertmaßstab noch zu rechtfertigen. Warum nicht einfach Bedürfnisse befriedigen und einfach der Gesellschaft dienen, wie man es selbstbestimmt für richtig hält??! Das bedingungslose Grundeinkommen ermöglicht diese Freiheit aus Basis eines konzeptionellen Verzichts auf das Gegenleistungsprinzip zwischen Individuum und Gesellschaft. Mit dem ausgezahlten Grundeinkommen in Höhe von 1500 Euro im Monat soll das Individuum zwar vorerst noch dem Gegenleistungsprinzip umgehen. Auf lange Sicht aber sollten wir uns wirklich komplett davon verabschieden: Jeder nach seinen Fähigkeiten, einem jeden nach seinen Bedürfnissen!

Aufruf zur 24. Jeden-Monat-Demo im Juli

Das OPEN OHR 2011 ist vorbei. Mit dem Motto “Rien ne va plus – Nichts geht mehr” ging es im weitesten Sinne um das Thema Geld. Die Diskussion mit Finanzverantwortlichen der Stadt Mainz endete tatsächlich beim Rien ne va plus – wer hätte es gedacht. Sascha Liebermann und die Mainzer Initiative gegen HARTZ IV hatten mit dem bedingungslosen Grundeinkommen zum Glück eine gangbare Alternative im Angebot. Linkswärts e.V. bohrte noch tiefer nach beim “Do ut des”-Prinzip und Prof. Karl-Heinz Brodbeck referierte an der Mainzer Universität über “Die Herrschaft des Geldes”.

Am Mittwoch, den 20. Juli 2011 reden wir noch einmal über Geld!

Sammelpunkt ist der Münsterplatz vor dem ver.di-Haus.

Die Jeden-Monat-Demo startet um 12 Uhr.

Schlusskundgebung gegen 12:30 Uhr (ACHTUNG!) erstmals auf dem Frauenlobplatz in der Neustadt.