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Pressespiegel zur Pressekonferenz

in Vorbereitung auf das KarlsruherBundesverfassungsgerichsurteil am 9. Februar 2010:

Aus der Rubrik “Mainz”, MRZ vom 09.02.2010

Linke verkünden Karlsruhe-Urteil

Hartz-IV-Kinderregelsatz wird verhandelt – Demos auf Kardinal-Volk-Platz

von Giovanna Marasco

MAINZ.  Heute entscheidet das Bundesverfassungsgericht darüber, ob die pauschale Festlegung des Kinderregelsatzes für Hartz-IV-Bezieher verfassungswidrig ist oder nicht. Das Urteil der Karlsruher Richter verkündet die Partei “Die Linke” zusammen mit mehreren Organisationen, darunter die Initiative gegen Hartz IV, der Verdi-Erwerbslosenausschuss, die Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiative, Linkswärts und Attac Mainz, um 12 Uhr auf dem Kardinal-Volk-Platz.

Es läuft etwas schief im volkswirtschaftlichen System, und auch vor Ort gibt es Probleme – darauf aufmerksam zu machen, ist Ziel der Aktion. “Auch in Mainz wachsen laut der aktuellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit rund 4113 Kinder in Armut auf. Das ist ein signifikanter Anteil der Bevölkerung, der da am Tropf hängt”, sagt Hermann Staufer, Fraktionsgeschäftsführer der Linken.

Für ihn und seine Mitorganisatoren ist es ein Unding, dass der Regelsatz für Kinder prozentual vom Erwachsenen-Satz abgeleitet wird. Die staatlichen Leistungen für Kinder von Langzeitarbeitslosen sehen aktuell, je nach Alter, zwischen 60 und 80 Prozent des sogenannten Eckregelsatzes von 359 Euro vor. “Das ist doch völlig willkürlich.” Die Gemeinschaftsinitiative, die zusammen mit der Verkündung von 9 bis 14 Uhr auch zur Demonstration aufruft, rechnet mit einem positiven Urteil: “Wir gehen davon aus, dass der Gerichtshof das bisherige Verfahren ablehnt und die Politik anweist, ein bedarfsgerechtes Verfahren einzuführen”, vermutet Staufer. Doch dies sei nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zur sozialen Gerechtigkeit: “Das ungerechte System muss als solches komplett abgeschafft werden.”

Infostand zum BVerfG-Urteil zum Hartz IV-Regelsatz

Die Mainzer Initiative gegen HARTZ IV wird am Dienstag, den 9. Februar 2010 von 9 bis 14 Uhr gemeinsam mit dem ver.di Erwerbslosenausschuss und der LINKEN. Mainz-Stadt einen Infostand auf dem Kardinal-Volk-Platz in Mainz zur Regelsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe aufbauen. Wir verteilen den von uns mitgetragenen, explizit an Bundesverfassungsgericht, Bundesregierung und Bundestag gerichteten “Karslruher Appell” an die Mainzer Bevölkerung, um sie über die Notwendigkeit einer Revidierung des Regelsatzfindungsprozesses und das unmittelbar bevorstehende Ereignis aufzuklären, das – bei aller Verzögerung, die aufgrund des erneuten Einschaltens des Gesetzgebers zu erwarten ist – möglicherweise diese Republik verändern wird! Das Bundesverfassungsgericht verkündet seine Entscheidung voraussichtlich um 10 Uhr am Dienstag.

Nicht stehenbleiben: Grundeinkommen!

Ergänzend zum Karlsruher Appell hat die Mainzer Initiative gegen HARTZ IV folgende Erklärung abgegeben:

Wenn [am 9. Februar 2010] das Bundesverfassungsgericht über die Regelsätze entscheidet, steht die Menschenwürde im Blickpunkt. Nach allgemeiner Einschätzung wird das Gericht das Verfahren der Regelsatzfindung als verfassungswidrig einstufen und an den Gesetzgeber zurückverweisen.

Wenn die Betroffenen Glück haben, gibt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen materiellen Maßstab für die Menschenwürde mit auf den Weg. Es braucht einen wahrhaft idealistischen Gesetzgeber, um daraus eine menschenrechtlich akzeptable, menschenwürdige Grundsicherung hervorzubringen.

Selbst in diesem idealen Fall blieben das Gespenst des „Lohnabstandsgebots“ und die bloße Differenzierungsmöglichkeit von arbeitenden und arbeitslosen Erwerbspersonen bestehen, so dass die Erwerbspersonen in Bezug auf ihre materiellen Grundrechte, soziokulturelle Teilhabe und Menschenwürde der Willkür der Arbeitskraftkonsumenten ausgesetzt blieben.

Wir fordern daher die hinreichende Entkopplung von Arbeit und Einkommen, weil mit dem bedingungslosen Grundeinkommen die Abhängigkeit der Arbeitskraftanbieter von der durch die Arbeitgeber gesteuerten Arbeitsverteilung (am Arbeitsmarkt) soweit aufgehoben wird, dass ein menschenwürdiges Leben zu jedem Zeitpunkt gewährleistet ist.

Mainzer Initiative gegen HARTZ IV

Karlsruher Appell

Die Mainzer Initiative gegen HARTZ IV schließt sich dem “Karlsruher Appell” an und unterstützt die Forderungen des Karlsruher Aktionsbündnisses vorbehaltlos!

Aufruf an Bundesregierung, Bundestag und Bundesverfassungsgericht zur Verwirklichung des sozialen Rechtsstaates

Immer mehr Kinder wachsen in Armut auf – in Deutschland, einem der reichsten Länder der Erde. Sie sind damit in ihrer Entwicklung benachteiligt und gleicher Lebenschancen beraubt, allein auf Grund ihrer sozialen Herkunft. In der Bundesrepublik des 21. Jahrhunderts herrschen damit Verhältnisse wie in vordemokratischen feudalen Staaten, in denen das Leben der Menschen wesentlich durch ihre Geburt festgelegt war.

Sozial benachteiligte Kinder sind in ihren Rechten auf Gesundheit und Bildung, auf soziale und kulturelle Teilhabe massiv eingeschränkt, weil durch politische Entscheidungen Reichtum und Macht zunehmend ungleich verteilt sind. Es hat nichts mit Leistung zu tun, wenn sich die gesellschaftlich erarbeiteten Werte bei immer weniger Menschen konzentrieren – es ist einfach ungerecht und asozial.

Diese Verhältnisse widersprechen krass dem verfassungsmäßig gebotenen sozialen Rechtsstaat. Denn dieser schreibt verpflichtend eine Wirtschafts- und Sozialpolitik vor, die zum Abbau sozialer Ungleichheit, zur sozialen Umverteilung und zum Schutz der wirtschaftlich Schwächeren beiträgt. Menschenwürde, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit dürfen im sozialen Rechtsstaat nicht nur auf dem Papier stehen, sondern müssen für alle Menschen gleichermaßen real gelten und von ihnen verwirklicht werden können.

So lang die Verwirklichung der Grundrechte davon abhängt, in welche Familie Kinder hineingeboren werden, ist der soziale Rechtsstaat Makulatur, ist das Grundgesetz nicht verwirklicht. Rechte und Freiheiten, die bloß auf dem Papier gelten, werden zum Recht der Stärkeren, ihre soziale Überlegenheit rücksichtslos auszuspielen.

Wir erwarten eine aktive Politik, die wirtschaftliche Macht begrenzt und soziale Ungleichheit abbaut. Wir verlangen die Verwirklichung des sozialen Rechtsstaates, damit Rechte und Freiheiten für alle Menschen gelten. Wir fordern eine Politik, die Gesundheit und Bildung, soziale und kulturelle Teilhabe nachweislich und überprüfbar für alle Kinder und Jugendliche in Deutschland unabhängig von ihrer sozialen Herkunft erreichbar macht.

Pressekonferenz der Links- fraktion im Mainzer Stadtrat

Mainz, 4. 2. 2010

DIE LINKE. Stadtratsfraktion Mainz
lädt ein

zur Pressekonferenz am Montag, den 8.2.2010, um 13:00 Uhr,
im Rathaus Mainz, Fraktionsgeschäftsstelle, Zimmer 216.

Am 9. Februar entscheidet das Bundesverfassungsgericht darüber, ob die pauschale Festlegung des Kinderregelsatzes für Hartz-IV-Bezieher verfassungsgemäß ist oder nicht. Wir erwarten, dass das BVerfG das bisherige Verfahren ablehnt und der Politik aufgibt, bis zu einem bestimmten Termin ein bedarfsgerechtes Verfahren einzuführen.

Offiziell leben über 4.000 Kinder in Mainz unter der Armutsgrenze. Um den Bemühungen zur Abschaffung dieser unsozialen Praxis Nachdruck zu verleihen, wird am 9. Februar von 9:00 bis 14:00 Uhr auf dem Kardinal-Volk-Platz (Fußgängerzone) eine Demonstration stattfinden.

Als Organisatoren der Gemeinschaftsveranstaltung zeichnen:

DIE LINKE. Stadtverband Mainz, Mainzer Initiative gegen HARTZ IV, attac Mainz, ver.di Erwerbslosenausschuss, Erwerbslosen- und Sozialhilfe-Initiative Mainz e.V., Linkswärts e.V.  sowie das Koordinierungsforum der Mainzer Arbeitsloseninitiativen.
Soweit möglich, stehen Ihnen die Partei- und InitiativvertreterInnen Rede und Antwort.

Dieter Hofem    und      Gudrun Müller

Fraktionsvorsitzender Stellv. Fraktionsvorsitzende

DIE LINKE. Stadtratsfraktion ● Rathaus ●
Tel. 06131 – 12 39 14  ● Fax 06131 – 12 39 13

Tacheles rät: Unbedingt Überprüfungsantrag stellen!

Der Verein Tacheles e.V. rät ALG-II-Leistungsberechtigten, noch vor der Verkündung der Urteilsspruchs der Bundesverfassungserichts (BVerfG) am 9. Februar 2010 einen Überprüfungsantrag zu stellen, um sich ggf. anfallende rückwirkende Ansprüche zu sichern.

Entgegen dem Tenor der Berichterstattung vieler Medien geht es bei der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht nur um die Regelleistungen für Kinder, sondern genauso um die Regelleistungen für Erwachsene. Die aktuellen BVerfG-Vorlagebeschlüsse betreffen zwar die Regelleistungen des SGB II, die Entscheidung des BVerfG wirkt sich im Ergebnis aber auch auf die Regelleistungen des SGB XII aus, nämlich über den Eckregelsatz für die Varianten der Grundsicherung. Von einer Entscheidung könnten demnach auch BezieherInnen von Sozialhilfe sowie Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit profitieren.

Folgende positiven Entscheidungen sind aus Sicht von Tacheles möglich
Das BVerfG stellt fest,

  • dass die Bemessung der Regelleistungen mit Wirkung für die Zukunft von der Bundesregierung zu korrigieren sind,
  • dass die Bemessung mit Wirkung für die Vergangenheit zu korrigieren ist oder
  • dass die Anrechnung des Kindergeldes auf die Regelleistung mit Wirkung für Vergangenheit/Zukunft neu geregelt wird.

Sollte das BVerfG sich tatsächlich für rückwirkende Korrekturen der Regelleistung entscheiden, müssen Ansprüche erst geltend gemacht werden, um von höheren Leistungen zu profitieren. Leistungsbezieher/innen (nach SGB II und SGB XII) müssen jetzt für die Vergangenheit einen Überprüfungsantrag stellen und gegen laufende Bescheide Widerspruch einlegen.

Im Sozialrecht gibt es die Besonderheit, dass bei falscher Rechts- oder Tatsachenanwendung und bei Bestandskraft des Bescheides (Widerspruchsfrist ist abgelaufen), der falsche Bescheid rückwirkend zugunsten der Betroffenen korrigiert werden muss. Zu Unrecht nicht erbrachte Leistungen sind dann bis zu vier Jahre rückwirkend nachzuzahlen (§ 44 Abs. 1 und Abs. 4 SGB X). Die Rücknahme eines falschen Bescheides (und damit die Nachzahlung) können Betroffene mit einem Überprüfungsantrag einleiten.

Genauere Informationen und Musteranträge sind bei Tacheles erhältlich.

Und Vorsicht: Tacheles und auch wir haben erfahren, dass ARGEn und JobCenter Überprüfungsanträge und Widersprüche gegen aktuelle Bewilligungsbescheide, die aufgrund des Verfassungsgerichtsverfahrens zu den Regelleistungen eingelegt werden, oft mit einem Standardtext abschmettern. Bei Überprüfungsanträgen muss gegen einen ablehnenden Bescheid Widerspruch, bei ablehnenden Widerspruchsbescheiden muss Klage eingelegt werden, um die Verfahren offen zu halten. Werden solche Bescheide erst einmal rechtskräftig, sind rückwirkende Ansprüche auf jeden Fall ausgeschlossen! Tacheles empfiehlt deshalb bei Anträgen, Widersprüchen und Klagen jeweils den Zusatz: „Hiermit beantrage ich, den Antrag/den Widerspruch/die Klage bis zur Entscheidung des BVerfG ruhend zu stellen.” Die aktualisierten Musterschreiben wurden entsprechend ergänzt.

Man kann sich auf folgende Ablehnungsgründe gefasst machen:

  • Vor dem BVerfG würde nur die Höhe der Kinderregelleistung geprüft, daher sei ein Überprüfungsantrag in Bezug auf die Höhe der Erwachsenenregelleistung nicht zulässig und abzulehnen.
  • Ein Überprüfungsantrag ohne Benennung der einzelnen Bescheide, die zu überprüfen seien, sei nicht hinreichend bestimmt und daher unzulässig.
  • Sollte es zu einer rückwirkenden Erhöhung der Regelleistungen kommen, liege es in der Verantwortung des Gesetzgebers, die hierfür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. … Daher seien die derzeitigen Bescheide rechtlich nicht zu beanstanden. … Aus diesem Grund läge keine unrichtige Rechtsanwendung im Sinne des § 44 SGB X vor.

Auffallend ist, dass die Überprüfungsanträge binnen kürzester Zeit, teilweise sogar noch am Tag der Antragstellung abgelehnt werden. Im Regelfall passiert das jedoch spätestens innerhalb von zwei Wochen. Ironischerweise gibt es eine derartig zeitnahe Bearbeitung von Anträgen in der SGB II-Verwaltungspraxis sonst nicht.

Weitere Hintergünde und Strategien für den Überprüfungsantrag selbst und eventuelle Ablehnungen ebenfalls bei Tacheles.