Category Archives: Rechtsprechung

Karlsruher Appell

Die Mainzer Initiative gegen HARTZ IV schließt sich dem “Karlsruher Appell” an und unterstützt die Forderungen des Karlsruher Aktionsbündnisses vorbehaltlos!

Aufruf an Bundesregierung, Bundestag und Bundesverfassungsgericht zur Verwirklichung des sozialen Rechtsstaates

Immer mehr Kinder wachsen in Armut auf – in Deutschland, einem der reichsten Länder der Erde. Sie sind damit in ihrer Entwicklung benachteiligt und gleicher Lebenschancen beraubt, allein auf Grund ihrer sozialen Herkunft. In der Bundesrepublik des 21. Jahrhunderts herrschen damit Verhältnisse wie in vordemokratischen feudalen Staaten, in denen das Leben der Menschen wesentlich durch ihre Geburt festgelegt war.

Sozial benachteiligte Kinder sind in ihren Rechten auf Gesundheit und Bildung, auf soziale und kulturelle Teilhabe massiv eingeschränkt, weil durch politische Entscheidungen Reichtum und Macht zunehmend ungleich verteilt sind. Es hat nichts mit Leistung zu tun, wenn sich die gesellschaftlich erarbeiteten Werte bei immer weniger Menschen konzentrieren – es ist einfach ungerecht und asozial.

Diese Verhältnisse widersprechen krass dem verfassungsmäßig gebotenen sozialen Rechtsstaat. Denn dieser schreibt verpflichtend eine Wirtschafts- und Sozialpolitik vor, die zum Abbau sozialer Ungleichheit, zur sozialen Umverteilung und zum Schutz der wirtschaftlich Schwächeren beiträgt. Menschenwürde, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit dürfen im sozialen Rechtsstaat nicht nur auf dem Papier stehen, sondern müssen für alle Menschen gleichermaßen real gelten und von ihnen verwirklicht werden können.

So lang die Verwirklichung der Grundrechte davon abhängt, in welche Familie Kinder hineingeboren werden, ist der soziale Rechtsstaat Makulatur, ist das Grundgesetz nicht verwirklicht. Rechte und Freiheiten, die bloß auf dem Papier gelten, werden zum Recht der Stärkeren, ihre soziale Überlegenheit rücksichtslos auszuspielen.

Wir erwarten eine aktive Politik, die wirtschaftliche Macht begrenzt und soziale Ungleichheit abbaut. Wir verlangen die Verwirklichung des sozialen Rechtsstaates, damit Rechte und Freiheiten für alle Menschen gelten. Wir fordern eine Politik, die Gesundheit und Bildung, soziale und kulturelle Teilhabe nachweislich und überprüfbar für alle Kinder und Jugendliche in Deutschland unabhängig von ihrer sozialen Herkunft erreichbar macht.

Pressekonferenz der Links- fraktion im Mainzer Stadtrat

Mainz, 4. 2. 2010

DIE LINKE. Stadtratsfraktion Mainz
lädt ein

zur Pressekonferenz am Montag, den 8.2.2010, um 13:00 Uhr,
im Rathaus Mainz, Fraktionsgeschäftsstelle, Zimmer 216.

Am 9. Februar entscheidet das Bundesverfassungsgericht darüber, ob die pauschale Festlegung des Kinderregelsatzes für Hartz-IV-Bezieher verfassungsgemäß ist oder nicht. Wir erwarten, dass das BVerfG das bisherige Verfahren ablehnt und der Politik aufgibt, bis zu einem bestimmten Termin ein bedarfsgerechtes Verfahren einzuführen.

Offiziell leben über 4.000 Kinder in Mainz unter der Armutsgrenze. Um den Bemühungen zur Abschaffung dieser unsozialen Praxis Nachdruck zu verleihen, wird am 9. Februar von 9:00 bis 14:00 Uhr auf dem Kardinal-Volk-Platz (Fußgängerzone) eine Demonstration stattfinden.

Als Organisatoren der Gemeinschaftsveranstaltung zeichnen:

DIE LINKE. Stadtverband Mainz, Mainzer Initiative gegen HARTZ IV, attac Mainz, ver.di Erwerbslosenausschuss, Erwerbslosen- und Sozialhilfe-Initiative Mainz e.V., Linkswärts e.V.  sowie das Koordinierungsforum der Mainzer Arbeitsloseninitiativen.
Soweit möglich, stehen Ihnen die Partei- und InitiativvertreterInnen Rede und Antwort.

Dieter Hofem    und      Gudrun Müller

Fraktionsvorsitzender Stellv. Fraktionsvorsitzende

DIE LINKE. Stadtratsfraktion ● Rathaus ●
Tel. 06131 – 12 39 14  ● Fax 06131 – 12 39 13

Tacheles rät: Unbedingt Überprüfungsantrag stellen!

Der Verein Tacheles e.V. rät ALG-II-Leistungsberechtigten, noch vor der Verkündung der Urteilsspruchs der Bundesverfassungserichts (BVerfG) am 9. Februar 2010 einen Überprüfungsantrag zu stellen, um sich ggf. anfallende rückwirkende Ansprüche zu sichern.

Entgegen dem Tenor der Berichterstattung vieler Medien geht es bei der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht nur um die Regelleistungen für Kinder, sondern genauso um die Regelleistungen für Erwachsene. Die aktuellen BVerfG-Vorlagebeschlüsse betreffen zwar die Regelleistungen des SGB II, die Entscheidung des BVerfG wirkt sich im Ergebnis aber auch auf die Regelleistungen des SGB XII aus, nämlich über den Eckregelsatz für die Varianten der Grundsicherung. Von einer Entscheidung könnten demnach auch BezieherInnen von Sozialhilfe sowie Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit profitieren.

Folgende positiven Entscheidungen sind aus Sicht von Tacheles möglich
Das BVerfG stellt fest,

  • dass die Bemessung der Regelleistungen mit Wirkung für die Zukunft von der Bundesregierung zu korrigieren sind,
  • dass die Bemessung mit Wirkung für die Vergangenheit zu korrigieren ist oder
  • dass die Anrechnung des Kindergeldes auf die Regelleistung mit Wirkung für Vergangenheit/Zukunft neu geregelt wird.

Sollte das BVerfG sich tatsächlich für rückwirkende Korrekturen der Regelleistung entscheiden, müssen Ansprüche erst geltend gemacht werden, um von höheren Leistungen zu profitieren. Leistungsbezieher/innen (nach SGB II und SGB XII) müssen jetzt für die Vergangenheit einen Überprüfungsantrag stellen und gegen laufende Bescheide Widerspruch einlegen.

Im Sozialrecht gibt es die Besonderheit, dass bei falscher Rechts- oder Tatsachenanwendung und bei Bestandskraft des Bescheides (Widerspruchsfrist ist abgelaufen), der falsche Bescheid rückwirkend zugunsten der Betroffenen korrigiert werden muss. Zu Unrecht nicht erbrachte Leistungen sind dann bis zu vier Jahre rückwirkend nachzuzahlen (§ 44 Abs. 1 und Abs. 4 SGB X). Die Rücknahme eines falschen Bescheides (und damit die Nachzahlung) können Betroffene mit einem Überprüfungsantrag einleiten.

Genauere Informationen und Musteranträge sind bei Tacheles erhältlich.

Und Vorsicht: Tacheles und auch wir haben erfahren, dass ARGEn und JobCenter Überprüfungsanträge und Widersprüche gegen aktuelle Bewilligungsbescheide, die aufgrund des Verfassungsgerichtsverfahrens zu den Regelleistungen eingelegt werden, oft mit einem Standardtext abschmettern. Bei Überprüfungsanträgen muss gegen einen ablehnenden Bescheid Widerspruch, bei ablehnenden Widerspruchsbescheiden muss Klage eingelegt werden, um die Verfahren offen zu halten. Werden solche Bescheide erst einmal rechtskräftig, sind rückwirkende Ansprüche auf jeden Fall ausgeschlossen! Tacheles empfiehlt deshalb bei Anträgen, Widersprüchen und Klagen jeweils den Zusatz: „Hiermit beantrage ich, den Antrag/den Widerspruch/die Klage bis zur Entscheidung des BVerfG ruhend zu stellen.” Die aktualisierten Musterschreiben wurden entsprechend ergänzt.

Man kann sich auf folgende Ablehnungsgründe gefasst machen:

  • Vor dem BVerfG würde nur die Höhe der Kinderregelleistung geprüft, daher sei ein Überprüfungsantrag in Bezug auf die Höhe der Erwachsenenregelleistung nicht zulässig und abzulehnen.
  • Ein Überprüfungsantrag ohne Benennung der einzelnen Bescheide, die zu überprüfen seien, sei nicht hinreichend bestimmt und daher unzulässig.
  • Sollte es zu einer rückwirkenden Erhöhung der Regelleistungen kommen, liege es in der Verantwortung des Gesetzgebers, die hierfür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. … Daher seien die derzeitigen Bescheide rechtlich nicht zu beanstanden. … Aus diesem Grund läge keine unrichtige Rechtsanwendung im Sinne des § 44 SGB X vor.

Auffallend ist, dass die Überprüfungsanträge binnen kürzester Zeit, teilweise sogar noch am Tag der Antragstellung abgelehnt werden. Im Regelfall passiert das jedoch spätestens innerhalb von zwei Wochen. Ironischerweise gibt es eine derartig zeitnahe Bearbeitung von Anträgen in der SGB II-Verwaltungspraxis sonst nicht.

Weitere Hintergünde und Strategien für den Überprüfungsantrag selbst und eventuelle Ablehnungen ebenfalls bei Tacheles.